Flugzeugwartung bei Lufthansa Technik in Hamburg

Flugzeugwartung bei Lufthansa Technik
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Nachtschicht in Hamburg

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Wenn am Flughafen abends die Lichter ausgehen, dann herrscht in der Wartung Hochbetrieb. Wir haben eine Nachtschicht bei Lufthansa Technik in Hamburg begleitet.

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Um kurz vor drei Uhr morgens erweckt Nils Borkheim das Triebwerk Nummer 1 des Airbus A321, D-AIDL zum Leben. „Engine 1 start, start valve open.“ Dann lässt er das zweite IAE V2500 an. In seinem dunkelblauen Anzug sieht Borkheim, 34, nicht nur aus wie ein Pilot, er kennt sich im Cockpit auch ebenso gut aus. Tatsächlich ist der großgewachsene Hanseat mit dem dunklen Vollbart Wartungsleiter vom Dienst bei Lufthansa Technik in Hamburg. Er koordiniert in dieser Nacht die Maintenance-Arbeiten an insgesamt 23 Flugzeugen, ist Ansprechpartner für Mitarbeiter und Kunden – und führt wichtige Prozeduren wie den Triebwerksstandlauf in der Lärmschutzhalle selbst durch.

Auf dem Copiloten-Platz neben Borkheim sitzt ein junger Mechaniker, der jeden Schritt dokumentiert: Uhrzeiten, Öldrücke, Treibstofffluss, Drehzahlen, Temperaturen. Alle Werte sind in Ordnung. Nach fünf Minuten im Leerlauf werden die Triebwerke heruntergefahren, wie beim Start gemäß einer schier endlosen Checkliste. Die A321 von Lufthansa ist nach einem Ölfilterwechsel wieder fit für den Liniendienst.

Die Wartung ist so etwas wie der ADAC der Luftfahrt, sagt Borkheim. „Es ist unsere Aufgabe, das Flugzeug so schnell wie möglich wieder in die Luft zu bringen.“ Ein Flugzeug am Boden kostet Airlines nicht nur viel Geld, sondern im Tagesgeschäft auch das Vertrauen der Passagiere. Bis zu 27 Flugzeuge sind pro Nacht in Hamburg zur Wartung. Zu den Kunden gehören neben Lufthansa und Germanwings unter anderem easyJet, TAP Portugal, Air France, Emirates und KLM. Weltweit unterhält Lufthansa Technik rund 60 Wartungsstationen.

Die „Delta Lima“ ist eines von fünf Flugzeugen, an dem die Mechaniker im Rahmen des wöchentlichen Service-Checks (S-Check) in dieser Nacht größere Arbeiten durchführen. Bis zu 40 Mannstunden sind dafür jeweils nötig. Nachdem die fünf Airbusse – zwei A321 und drei A319 – in die Halle 4 geschleppt wurden, reinigt zunächst ein Putztrupp die Flugzeuge außen und innen. Die Maintenance-Mitarbeiter überprüfen, ob Klappen und Ruder korrekt funktionieren. Nur das hohe Singen der Hydraulik und das Heulen der Staubsauger unterbrechen die arbeitsame Stille.

Von 22 bis 6 Uhr haben die rund 30 Mitarbeiter ein straffes Pensum. Denn trotz genauer Planung kann viel passieren: dass ein Bauteil repariert werden muss, das nicht in der Übergabe vermerkt ist; dass Ersatzteile nicht auf die Schnelle verfügbar sind oder dass jemand aus Versehen die Notrutsche aktiviert und damit den Zeitplan über den Haufen wirft. „Das ist alles schon vorgekommen“, sagt Borkheim. Als Wartungsleiter muss er die Übersicht bewahren. Und am Ende entscheiden, ob ein Flugzeug wieder in die Luft kann.

Der 70er-Jahre Streifen „Airport“ hat in Borkheims Kindheit maßgeblich seinen Berufswunsch geprägt. Wie der Chefmechaniker Joe Patroni, verkörpert durch George Kennedy, den überheblichen Piloten einer im Schnee feststeckenden Boeing 707 in die Schranken weist – „Da wusste ich: Das will ich werden!“, sagt er und lächelt. Seit 18 Jahren arbeitet er bei Lufthansa Technik. Die Boeing 737 (inklusive NG) und den Airbus A320 (inklusive neo) kennt er in- und auswendig, früher arbeitete er auch an A300, A310, A330 und Boeing 757.

Für jedes Flugzeug liegt an einem Arbeitsplatz ein fingerdicker Papierstapel, in dem die einzelnen Schritte des S-Checks beschrieben sind. Gibt es Risse, Korrosion, Leckagen? Zudem werden Wasser, Hydraulikflüssigkeit und Öl aufgefüllt, die Reifenluft kontrolliert, Fahrwerksschächte inspiziert. Je nach Flugzeug kommen weitere Aufgaben dazu.

Zur Maintenance gehört auch Büroarbeit

Auch der Zustand der Räder und Fahrwerke wird überprüft. Foto und Copyright: LH Technik Jan Brandes

An der A319, D-AGWY von Germanwings steht ein Bremswechsel am linken Hauptfahrwerk auf den Plan. Die A320-Familie ist mit Mehrscheibenbremsen aus Carbon ausgestattet, die nicht nur höhere Temperaturen aushalten, sondern auch leichter als die früher üblichen Stahlbremsen sind. Doch es bedarf immer noch zweier Mechaniker, um die neue Bremse auf die Radachse zu hieven. Etwas Feingefühl ist nötig, um die Läufer in die richtige Position zu bringen. Schrauben mit einem Drehmomentschlüssel anziehen. Das 100 Kilogramm schwere Rad montieren. Nach einer guten halben Stunde hat die A319 frische Bremskraft zur Verfügung.

Von Rädern und Bremsen über Triebwerke bis zur Kabine: Die Fluggerätmechaniker in der Wartung sind Allrounder. Nur bei Spezialfällen kommen Experten anderer Abteilungen dazu. „Es ist wie im Zirkus: Einer schreit und alle kommen angerannt“, beschreibt Borkheim die Zusammenarbeit.

Die großen Arbeitspakete sind abgehakt, doch die Germanwings-A319 hat den Check noch nicht ganz hinter sich. Ein Mitarbeiter auf einer mobilen Hebebühne überprüft die Logo Lights auf dem Höhenleitwerk. Ein anderer Mechaniker in einem weißen Schutzanzug fettet die Lager der Fahrwerke. In der Wartung wird auf jedes Detail geachtet. Nicht immer laufen die Arbeiten unter den komfortablen Bedingungen der Halle ab. Borkheim erinnert sich, wie er mit Kollegen bei minus 18 Grad Celsius auf dem Vorfeld eine Bremse an einer Boeing 737 gewechselt hat. So kalt ist es in dieser Nacht zum Glück nicht. Trotzdem fährt Borkheim mit dem Auto aufs Vorfeld, um beim Rest seiner Mannschaft nach dem Rechten zu sehen. Dort nehmen die Mitarbeiter 18 Flugzeuge beim täglichen Ramp Check unter die Lupe, kontrollieren unter anderem Reifen und Bremsen, füllen Öl und Hydraulikflüssigkeit nach.

Es ist eine ruhige Nachtschicht ohne Zwischenfälle. Gegen vier Uhr sind an den Flugzeugen alle Arbeiten abgeschlossen. Feierabend bedeutet das für Borkheims Team allerdings nicht. Die Mitarbeiter verlegen ihren Arbeitsplatz ins Büro, denn zur Wartung gehört jede Menge Papierkram. „Wir produzieren täglich rund 2500 Blatt Papier, denn die Airlines müssen für jedes Flugzeug die Dokumentation für die letzten zehn Jahre nachweisen“, erklärt Borkheim. Lufthansa Technik ist aber dabei, auf eine papierlose Wartung umzustellen.

Als Borkheim gegen fünf Uhr vom Vorfeld zur Halle zurückfährt, kommt ihm das erste Flugzeug an einem Schleppfahrzeug entgegen, die A319, D-AILF. Der 20 Jahre alte Lufthansa-Airbus hebt in etwa einer Stunde zum Liniendienst ab. Für die Mitarbeiter der Nachtschicht heißt das: Feierabend in Sicht.

FLUG REVUE Ausgabe 02/2017

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