Wasserstoff-Testanlage: Zukunftsantrieb im Container

Wasserstoff-Testanlage
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BALIS-Testfeld: Zukunftsantrieb im Container

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In Empfingen im Nordschwarzwald hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine einzigartige Wasserstoff-Testinfrastruktur eröffnet.

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Mitten im Wald, wo sich früher ein Treibstofflager der Bundeswehr befand, ist die Zukunft der Luftfahrt schon da. Sie steht in sieben Containern, davor ein Lkw-Anhänger mit langen, dünnen Druckwasserstofftanks. Das Testfeld BALIS (Brennstoffzellenbasierter Antriebsstrang für Luftfahrzeuge 1,5+ Megawatt) ermöglicht es, leistungsstarke Brennstoffzellenantriebe für künftige Regionalflugzeuge zu erproben. Ende Oktober hat das DLR, das die weltweit einmalige Anlage seit 2021 entwickelt und aufgebaut hat, BALIS im Beisein von Vertretern aus Politik, Verwaltung und Industrie in Betrieb genommen. BALIS wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit 26 Millionen Euro gefördert.

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In jedem Container befindet sich eine Komponente des Brennstoffzellen-Antriebssystems.

Transformation der Luftfahrt

"Speziell in der Luftfahrt ist der Schritt vom stabilen Antriebssystem auf dem Boden hin zur Qualifikation für den Einsatz in Flugzeugen sehr komplex und benötigt Zeit", sagt Prof. Dr.-Ing. Karsten Lemmer, Mitglied des DLR-Vorstands und verantwortlich für Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen. "Eine Anlage wie BALIS schafft dafür die Basis und Verlässlichkeit, die es für die Transformation der Luftfahrt benötigt." Zusätzlich zum BALIS-Testfeld hat das DLR auch ein eigenes Wasserstoff-elektrisches Antriebssystem entwickelt und aufgebaut. Es umfasst ein Brennstoffzellensystem, Elektromotoren, Batterien, die Tankinfrastruktur sowie Steuerungs- und Regelungstechnik. "Die Antriebskomponenten können separat und gekoppelt getestet werden", erklärt Cornelie Bänsch vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart.

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Das Testfeld für Brennstoffzellensysteme besteht aus zwölf Stacks. Im Bild ist hinten links ein solcher Stack zu sehen.

Verschiedene Lastszenarien

BALIS soll dabei helfen, alle Prozessschritte eines solchen Brennstoffzellen-Antriebssystems grundlegend zu erfassen, zu verstehen und zu qualifizieren. Das Antriebssystem besteht aus insgesamt zwölf Brennstoffzellenstacks vom schwedischen Hersteller PowerCell. Sie kommen "off the shelf", sind also nicht für die Luftfahrt optimiert. Jeder Stack ist in einem Würfel mit einer Kantenlänge von rund 80 Zentimetern untergebracht. Immer zwei sind in Reihe, die sechs Duos parallel geschaltet. Jeder Brennstoffzellenstapel hat eine Netto-Leistung von 100 kW, so kommt die Anlage auf 1,2 MW. Der erzeugte Strom wird entweder ins Netz eingespeist, wenn nur die Brennstoffzellen getestet werden, oder an einen oder zwei 500-kW-Gleichstrommotoren der Schaeffler-Tochter Compact Dynamics abgegeben. Die Elektromotoren treiben wiederum einen großen Dynamo als Lastbremse an, er dient sozusagen als Propellersimulator. Über eine Schaltmatrix – Schaltschränke mit dicken Stromschienen für hohe Betriebsströme und -spannungen sowie physikalischen Schaltern – lassen sich die Komponenten einzeln betreiben oder zusammenschalten. Insgesamt können 16 verschiedene Lastszenarien für ein Luftfahrzeug simuliert werden. Die entsprechende Konfiguration erfolgt in der Leitwarte. Gespeist werden die Brennstoffzellen aktuell von dem eingangs erwähnten, stationären Lkw-Anhänger mit Druckwasserstoff (200 bar). Mit zusätzlichen Mitteln von rund drei Millionen Euro wird noch ein Speichertank für 2,5 Tonnen Flüssigwasserstoff aufgebaut, ebenso ein kleinerer Versuchstank für 200 Kilogramm Flüssigwasserstoff, wie er eines Tages in einem Flugzeug eingesetzt werden könnte. Bis Ende 2025 soll alles fertig sein. Zum Einsatz kommt übrigens grauer Wasserstoff, der aus fossilen Energien, meist Erdgas, hergestellt wird.

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Das BALIS-Testfeld im Überblick.

Viel Forschung nötig

"Die Anlage ist für die nächsten drei Jahre ausgelastet mit Forschungsvorhaben und Kooperationsprojekten mit Industriepartnern", sagt Prof. Lemmer. Zu den Partnern zählen beispielsweise H2FLY und Diehl Aerospace, GE Aerospace und Deutsche Aircraft. Für eine Anwendung in der Luftfahrt müsste ein Brennstoffzellenantrieb freilich noch deutlich leichter und kompakter werden als das, was in Empfingen getestet wird. Schwerpunkt von BALIS ist aber zunächst die Untersuchung des Verhaltens und die Optimierung des Megawatt-Systems für einen stabilen Betrieb in unterschiedlichen Lastszenarien. Zudem geht es darum, Erfahrungen im Umgang und Einsatz von flüssigem Wasserstoff zu sammeln.

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