Die Türkei will ukrainische Triebwerke selber bauen
Die Türkei setzt bei ihren Drohnen – und auch bei Hubschraubern – in großem Maße auf Antriebe aus der Ukraine. Doch die befindet sich im Krieg, die Produktion neuer Motoren stottert. Die Türken wähnen sich ausgebremst – und drängen auf Lizenzfertigung.
Die Türkei ist bekanntermaßen stolz auf ihre aufstrebende Rüstungsindustrie. Doch die Erfolge von Unternehmen wie dem Drohnenhersteller Baykar oder dem Flugzeugbauer Turkish Aerospace (TAI) stehen großenteils auf tönernen Füßen, denn so unabhängig, wie sie gerne wäre, ist die Türkei in der Rüstungsproduktion längst noch nicht. Vor allem die Triebwerksfrage ist eine Achillesferse der einheimischen Industrie: Der neue Stealth-Kampfjet Kaan fliegt bis auf Weiteres mit US-Turbofans von GE Aviation, ebenso der Überschall-Trainer Hürjet, und in zahlreichen anderen türkischen Fluggeräten stecken Antriebe aus der Ukraine.
Drohnenhersteller Baykar baut auf Motoren aus der Ukraine - zum Beispiel bei der neuen Stealth-Kampfdrohne K&;z&;lelma.
Lieferung läuft schleppend
Gerade das aber ist spätestens mit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zu einem Problem geworden. Denn der ostukrainische Triebwerkshersteller Motor Sitsch produziert zwar nach wie vor und beliefert auch die Türken mit den bestellten Antrieben – kriegsbedingt aber selten pünktlich und kaum in ausreichender Zahl. "Das hält uns auf Trab", konstatierte der neue TAI-Chef Mehmet Demiroğlu jüngst in einem Fernsehinterview. Es sei nicht leicht, die notwendigen Komponenten aus der Ukraine zu bekommen. Die Fertigung von Triebwerken in der Ukraine berge "Schwierigkeiten", so Demiroğlu.
Der neue türkische Kampfhubschrauber Atak 2 wird von zwei ukrainischen Motoren angetrieben. Sie tragen den sperrigen Namen TW3-117WMA-SBM1W-01T.
Lizenzbau als Lösung
Der TAI-Geschäftsführer wünscht sich aus diesem Grund eine schnellstmögliche Lizenzfertigung ukrainischer Antriebe in der Türkei – auch mit der Hilfe ukrainischer Ingenieure. Einen wirklichen Durchbruch diesbezüglich gibt es bislang nicht, nach wie vor produziert Motor Sitsch nur in seinen Werken Saporischschja, Snischne und Wolotschysk in der Ukraine. Allerdings betonte Demiroğlu im Interview, man habe in Sachen Lizenzbau durch türkische Unternehmen "große Fortschritte" erzielt und befinde sich auf einem guten Weg. Was das konkret für die unmittelbare Zukunft bedeutet, muss sich allerdings erst zeigen.
Wo sind ukrainische Antriebe verbaut?
TAI nutzt ukrainische, respektive sowjetische Triebwerke beispielsweise beim neuen, schweren Kampfhubschrauber T929 Atak 2. Dort kommen zwei von Motor Sitsch gebaute TW3-117WMA-SBM1W-01T zum Einsatz. Doch von vorerst 14 bestellten Einheiten des Turbowellentriebwerks gelangten bis Ende 2023 nur vier in die Türkei – das erste Paar im Januar 2023, vier Monate später als eigentlich vorhergesehen. Der in Entwicklung befindliche Mehrzweckhelikopter T925 soll die gleichen Motoren erhalten.
Die TAI-Kampfdrohne Anka-3 startete Ende Dezember 2023 mit einem ukrainischen Turbofan zum Erstflug, der von Iwtschenko-Progress entwickelt wurde. Auch die Jet-Drohne Kızılelma aus dem Hause Baykar Technologies nutzt einen AI-25TLT-Turbofan von Iwtschenko Progress, eine für höhere Geschwindigkeiten ausgelegte Variante soll zunächst das stärkere Iwtschenko-Triebwerk AI-322F erhalten. Die hochfliegende Kampf- und Aufklärungsdrohne Akinci nutzt als Antrieb ukrainische AI-450T-Turboprops, und für den Kampfjet Kaan will ein türkisch-ukrainisches Joint-Venture ein maßgeschneidertes Triebwerk entwickeln.
Booster für türkische Motoren
Letzten Endes geht es den Türken bei der Frage nach Lizenzbauverträgen auch um einen Technologietransfer. Denn das langfristige Ziel der Türkei ist klar: Auf lange Sicht sollen alle einheimischen Fluggeräte mit einheimischen Motoren abheben. Zwar laufen hierzu landesweit mehrere Projekte, die teils bereits Erfolge zeitigten – bis türkische Triebwerke die ukrainischen und US-amerikanischen Pendants bei Kaan, Atak 2 und Co. beerben, werden allerdings noch Jahre ins Land ziehen. Bis dahin bleibt die Versorgungssicherheit mit geeigneten Antrieben aus dem Ausland ein Problem – für das die Lizenzfertigung im eigenen Land eine sinnvolle Lösung darstellen würde. Zumindest aus türkischer Sicht.
Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen FLUG REVUE eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.