Das Royal Air Force Museum gilt als eine der bedeutendsten Luftfahrtsammlungen der Welt: Rund 100 Flugzeuge und Hubschrauber sind in Hendon zu sehen. Ehrgeizige Expansionspläne könnten den Ruf noch festigen.
Tradition hat in Großbritannien seit jeher einen hohen Stellenwert. Daher verwundert es kaum, dass schon früh - teilweise noch während des Zeiten Weltkriegs - viele ausgediente Fluggeräte für künftige Ausstellungen gesichert und auf verschiedenen Fliegerhorsten eingelagert wurden. Allerdings dauerte es noch bis zum 15. November 1972, bis die Queen schließlich das Museum der Royal Air Force eröffnen konnte. Die Einrichtung will über die Historie und Tradition der Streitkraft informieren und für sie werben. Knapp sieben Jahre später wurde die Zweigstelle in Cosford eingerichtet, die sich heute vor allem auf die Zeit des Kalten Krieges sowie auf Forschungsflugzeuge konzentriert. In Hendon findet man dagegen viele Einsatzflugzeuge aus allen Epochen der RAF.
Die Wahl des Standorts mag aus heutiger Sicht verwundern, doch früher war hier das Hendon Aerodrome angesiedelt. Der erste Flug fand auf diesem Terrain bereits im April 1910 statt. Der britische Flugpionier Claude Grahame-White gründete in Hendon eine eigene Firma und baute mehrere Flugzeuge. Im Jahr 1925 übernahm die Royal Air Force das Gelände, das weiterhin das Zentrum der Londoner Luftfahrt blieb. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Flugbetrieb ab, da die Startbahnen für Jets zu kurz waren. Die Runways wurden schließlich 1968 aufgegeben, als letztes Flugzeug landete die für die Ausstellung vorgesehene Blackburn Beverly auf der Piste. Der RAF-Standort schloss schließlich 1987 endgültig seine Tore.
Zunächst bestand das Londoner Museum aus historischen Hangars des alten Flugplatzes, die durch neue Gebäudeteile zusammengefasst wurden. Heute gliedert sich hier die Sammlung in die Themenbereiche Jäger, Hubschrauber, Flugzeuge über dem Meer und RAF in Übersee. Zu den Ausstellungsstücken zählen eine aus Indien beschaffte Hawker Tempest II, ein seltenes Exemplar des Torpedobombers Bristol Beaufort, der Belvedere-Hubschrauber von Bristol mit Tandemrotoren sowie die einzige noch erhaltene Hawker Typhoon, von der insgesamt 3317 gebaut worden sind. Da die USAAF diesen Jagdbomber erproben wollte, verschifften ihn die Briten im Frühjahr 1944 in die USA. Die geplanten Flugtests in Dayton, Ohio, fanden jedoch nicht statt, die Maschine kam in verschiedene Lagerstätten der Smit-hsonian Institution, zuletzt nach Silver Hill, Maryland. Im Jahr 1967 tauschte sie die RAF gegen eine Hurricane, so dass die die Typhoon IB mit der Kennung MN235 wieder in ihre Heimat zurückkehren konnte.
Den nächsten Schritt der Expansion der Sammlung stellte die 1978 fertiggestellte „Battle of Britain“-Halle dar. Zahlreiche Flugzeuge, Ausrüstungsgegenstände, Schautafeln sowie die Show „Our Finest Hour“ beschreiben die Geschichte der Luftschlacht um England. Zu den Highlights zählen die deutschen Flugzeuge Heinkel He 111 H-20, Junkers Ju 87 G-2 (im Mai 1945 in Eggebeck erbeutet) und Ju 88 R-1 (mit der eine Besatzung im Mai 1943 nach Großbritannien geflüchtet war), Messerschmitt Bf 109 E-4 (im September 1940 bruchgelandet und für Flugtests bei Rolls-Royce 1941 wieder repariert) und Bf 110 G-2 (im Mai 1945 in Dänemark übernommen). Natürlich dürfen auch die britischen Jäger-Veteranen nicht fehlen. Die gezeigte Supermarine Spitfire Mk I hatte von Middle Wallop aus an der Luftschlacht teilgenommen und wurde schon im Jahr 1944 für museale Zwecke vorgesehen. Das Gleiche galt für die Hawker Hurricane Mk I. Im vergangenen Jahr ließ das Museum in der Halle eine neue Beleuchtung einbauen und versah die Seite neben der Short Sunderland mit einer Glasfront.
Dringend benötigte Hallenfläche schuf in Hendon ab 1983 die Bomber Command Hall. Hier finden die großen Flugzeuge Platz wie die Boeing B-17 (die nach ihrer Karriere bei der US Navy als Sprühflugzeug diente und im Oktober 1983 aus den USA überführt wurde) oder das Wrack der Handley Page Halifax. Letztere hatte auf ihrer ersten Mission am 27. April 1942 erfolglos das Schlachtschiff Tirpitz angegriffen und aufgrund von Flak-Treffern eine Notlandung auf einem zugefrorenen See in Norwegen machen müssen. Der Bomber sank wenig später ein und wurde erst 1971 wiedergefunden. Das RAF-Museum ließ das Wrack 1973 heben und konservierte es, da sich eine Restaurierung als zu aufwändig erwies.
Museumsturm als Luftschlachtdenkmal
Eine Messerschmitt Me 262, welche die Briten nach dem Krieg in Farnborough erprobten. Foto und Copyright: Hoeveler
Die Avro Vulcan musste aufgrund ihrer Größe vor der Fertigstellung des Gebäudes aufgestellt werden. Die Avro Lancaster mit dem Rufnamen „S for Sugar“ hatte als erster schwerer Bomber 100 Missionen absolviert. Sie führte insgesamt 137 Einsätze durch, bei denen sie 795 Stunden in der Luft war und 466 Tonnen Bomben abgewarf. Die B-24 Liberator hatte sich noch bis Ende 1968 bei den indischen Luftstreitkräften in Dienst befunden, kam als Geschenk der Inder nach Großbritannien und befand sich bis 2005 in Cosford. Sie kam im Tausch mit der Vickers Valiant nach Hendon. Aus der ehemaligen RAF-Sammlung in St. Athan stammen der rare Zweisitzer einer Focke-Wulf Fw 190 und die Heinkel He 162.
Für die ältesten Flugzeuge der Kollektion liefert die aus dem Jahr 1917 stammende Grahame-White Factory eine ideale Umgebung. Die Fabrikhalle wurde an ihren jetzigen Platz beim Museum verlegt und beherbergt originale Schätze wie Blériot XXVII, Caudron G3, Hanriot HD-1 oder Sopwith Triplane.
Anlässlich des Jubiläums des ersten Fluges der Gebrüder Wright eröffnete das Museum 2003 die „Milestones of Flight“-Halle. Umfangreiche Zeitleisten sowie eine Palette geschichtsträchtiger Flugzeuge - von einer Blériot aus dem Jahr 1909 bis zu einem Prototyp des Eurofighters - verdeutlichen die rasante Entwicklung der Luftfahrt. Aus Deutschland stammen die Fokker D VII, die berühmte Messerschmitt Bf 109 „Black Six“ und die Me 262.
Doch damit ist der Ausbau in Hendon noch nicht beendet. Ganz im Gegenteil, denn die Briten haben im wahrsten Sinne des Wortes Großes vor. Der „Battle of Britain Beacon“ soll als „Leuchtfeuer“ ein 107 Meter hohes Denkmal für die Luftschlacht um England werden. Der Turm besitzt eine architektonisch ausgeklügelte, geschwungene Form und enthält eine Gedenkhalle, Ausstellungen sowie einen Großteil der bisher in der „Battle of Britain“-Halle angeordneten Flugzeuge. Sie sollen wie im Luftkampf fliegend im Turm aufgehängt werden. Wann die Bauarbeiten beginnen, ist noch offen. Erst müssen die benötigten Geldmittel zur Verfügung stehen. Fast 100 Millionen Euro sind schließlich kein Pappenstiel.
Info: Museum Hendon
Info: Museum Hendon
Adresse: Grahame Park Way, London, NW9 5LL, Großbritannien
Telefon: 0044 - 20 8205 2266
Internet: www.rafmuseum.org.uk/london/
Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18 Uhr (Die Grahame-White Factory schließt um 12 Uhr) außer Weihnachten und Neujahr
Eintritt: frei (Parkgebühren: 2,50 Pfund bis zu drei Stunden, darüber 3,50 Pfund)
Fotomöglichkeit: Fotografieren ist erlaubt, in den dunklen Hallen aber schwierig
Flugzeuge (Auswahl):
Avro 504, Anson, Lancaster, Vulcan
Blériot XI, XXVII
Boeing B-17G
Bristol Beaufighter,
Beaufort, Belvedere, Bulldog, F.2B
Consolidated B-24L
de Havilland Mosquito, Tiger Moth, Vampire
English Electric Canberra, Lightning
Eurofighter Typhoon
Fiat CR42
Focke-Wulf Fw 190 A-8/U-1
Fokker D VII
Gloster Gladiator, Meteor
Handley Page Halifax
Hawker Hart, Hunter,
Hurricane, Tempest, Typhoon
Heinkel He 111 H-20, He 162 A-2
Junkers Ju 87 G-2, Ju 88 R-3
MDD Phantom FGR 2
Messerschmitt Bf 109 E-3, Bf 109 G-2, Bf 110 G-2, Me 262 A-2a
North American P-51D, TB-25J
Panavia Tornado
Republic P-47D
Royal Aircraft Factory BE2b, FE2b, SE5A
Short Sunderland
Sopwith Camel, Pup, Strutter, Triplane
Supermarine Seagull, Spitfire, Stranraer
Vickers FB5, Vimy, Wellington
Westland Lysander, Wallace, Wessex, Whirlwind
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 01/2011
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