Dieter Verbarg flog einst Starfighter für die Luftwaffe, konstruierte Ultraleicht Flugzeuge und flog zu Bohrinseln. Heute lässt er es etwas ruhiger angehen und bewegt hauptsächlich seine Bell 47G.
Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Sieg über die Achsenmächte schreiten die Entwicklungen in den USA rasant voran. Neue Muster stehen in den Startlöchern. So auch bei Bell in Niagara Falls, New York. Am kalten Wintermorgen des 8.Dezember 1945 besteigt dort Cheftestpilot Floyd William Carlson den ersten Hubschrauber des Typs 47. Basierend auf dem früheren Modell 30, beginnt für die 47 an diesem Tag eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält.
Zweiblattrotor mit zyklischer Blattverstellung
Arthur M. Younghatte bereits viele Jahre vorher das Modell 30 entwickelt, dessen Erstflug im Sommer 1943 stattfand, und damit den Grundstein für die 47 gelegt. Der Zweiblattrotor mit zyklischer Blattverstellung, die rechtwinklig zu den Blättern angeordnete Stabilisatorstange und das wohl bekannteste Merkmal der frühen Bell-Helikopter, die nur zum Teil verkleidete Gitterrohrkonstruktion, werden fast unverändert übernommen. Die erste Bell 47 hat eine Gesamtlänge (über drehenden Rotoren) von etwas über 12 Metern, der Hauptrotor misst im Durchmesser 10,20 Meter.
5,4-Liter-Franklin-Motor
Angetrieben wird der voll beladen 953 Kilogramm wiegende Hubschrauber von einem 5,4-Liter-Franklin-Motor. Mit dessen 178 PS sind immerhin 121 km/h zu erzielen. Am 8. März 1946 erhält die Bell als erster Hubschrauber, der auch für den zivilen Markt bestimmt ist, seine Flugzulassung. Nach der Erprobung läuft 1946 die Produktion im New Yorker Stammwerk an. Später ausgelagert nach Fort Worth, Texas, wird die Bell stetig weiterentwickelt und bis 1974 produziert. Die meistgebaute Variante ist die G-Version.
Legendär: Die Cessna Bird Dog wurde wie auch die Bell 47 noch im Vietnamkrieg eingesetzt. Hier fliegen sie friedlich über dem Havelland.
Echter Verkaufsschlager
Die US-Streitkräfte haben von den knapp 6000 gefertigten Bell insgesamt 1565 im Bestand, und auch außerhalb der Staaten entwickelt sie sich zu einem echten Verkaufsschlager und beliebten Einsatzmuster bei Armeen auf der ganzen Welt – etwa in Deutschland. Dort erhalten die Heeresflieger 1957 ihre ersten G-2. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass der damals 19-jährige Dieter Verbarg mit dem Hubschrauber mit der riesigen Kanzel, die gern als "Goldfischglas" bezeichnet wird, in Berührung kommt und sein Faible für den Drehflügler entdeckt.
Pilotenausbildung bei den Heeresfliegern
1964 einberufen, landet Verbarg in Faßberg, Niedersachsen, und wird dort auf der Bell zum Hubschrauberpiloten ausgebildet. Später folgen die Taktiklehrgänge I und II in Bückeburg auf der Heeresfliegerwaffenschule. Die Stammeinheit führt den auf Sylt geborenen Piloten erstmals ans andere Ende der Republik. Bei der Gebirgsheeresfliegerstaffel 8 in Oberschleißheim fliegt er bis 1971 Alouette II, Bell UH-1D und Sikorsky H-34.
Wechsel der Truppengattung
Doch dann wird es dem blonden Strahlemann etwas zu eintönig: Er möchte nicht nur Hubschrauber fliegen, daher bewirbt er sich für einen Wechsel der Truppengattung. Verbarg kommt zur Luftwaffe. Was ihn dort erwartet, ist etwas ganz anderes: Er wird zur Ausbildung auf die Sheppard Air Force Base geschickt und sitzt plötzlich im Cockpit einer T-37 und später auch einer T-38. Nach der sehr gründlichen Ausbildung soll es jedoch noch weitergehen. Höher hinaus will er und das ultimative Flugzeug fliegen. Damals führt kein Weg am Starfighter vorbei.
Umschulung auf Topmuster der Luftwaffe
Auf der Luke AFB erfolgt die Umschulung auf das verschriene Topmuster der Luftwaffe. 1978 fliegt er für eine kurze Zeit die Fiat G.91, doch für ihn ist sie nichts. Auf dem Starfighter kann er dagegen mit 1600 Stunden ebenso viel Gesamtflugzeit vorweisen wie auf der Bell UH-1D.
Pensionierung
Nach seiner Rückkehr bleibt Dieter Verbargim Süden Deutschlands und fliegt bis zu seiner Ausmusterung, der Pensionierung bei der Bundeswehr, im Jahr 1983 für die Jagdbombergeschwader 34 und 32 im Memmingen beziehungsweise Lechfeld. Wie soll es nun weitergehen für den frisch in das zivile Leben entlassenen Piloten? Eines ist klar: Er will weiterhin fliegen. Mit gerade 38 Jahren sollte das auch kein Problem sein. Bereits vor der Pensionierung bei der Bundeswehr hatte Verbarg seine Helikopterscheine reaktiviert und nebenher noch die Berufspilotenlizenz für Flächenflugzeuge erworben. Doch der erste Golfkrieg und der daraus resultierende Einstellungsstopp bei den Airlines machen ihm einen Strich durch die Rechnung.
Vollblut-Flieger: Dieter Verbarg hat sein Leben der Luftfahrt gewidmet. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr konstruierte er Ultraleichts und versorgte Bohrinseln per Helikopter.
Nach dem Ende der Laufbahn lockt die zivile Luftfahrt
Was folgt, ist ein Zwischenspiel als Ultraleicht-Konstrukteur, doch er merkt schnell, dass es in der Luftfahrt als Tüftler und Flugschul-betreiber nicht leicht ist, Geld zu verdienen. Ein regulärer Job muss wieder her. Seine alte Leidenschaft kommt ihm dabei zugute, und er fliegt fortan Ambulanztransporte mit der Bell 412. Pünktlich zur Jahrtausendwende steht noch mal ein Jobwechsel an. Die Firma Rotorflug engagiert den erfahrenen Hubschrauberpiloten und versetzt ihn noch weiter in den Süden. Von Alexandria aus fliegt er nun Lotsen auf Schiffe im Mittelmeer. Die letzte berufliche Station markiert ein Einsatz für US Aid in Pakistan. 2009 geht er in den wohlverdienten Ruhestand, doch von Stillstand ist nicht viel zu spüren, und aufhören zu fliegen möchte er noch lange nicht. So erfüllt er sich einen Traum und kauft sich eine eigene Bell 47. Eine G-4 soll es sein, angetrieben von einem Lycoming-VO-540-B1B3-Motor. Die 305 PS auf der Welle reichen für die geplanten Einsatzzwecke, denn Verbarg möchte seine Leidenschaft mit anderen teilen.
Flugtage und Fly-ins
Wie genau dieses Teilen aussieht, durften bis heute Hunderte von Flugbegeisterten erfahren – nicht etwa am Boden als Zuschauer, sondern im Cockpit der D-HWAL. Seit einigen Jahren besucht Verbarg Flugtage und Fly-ins und nimmt zahlungsfreudige Interessenten für einen kurzen Hopser mit in die Luft. So auch beim diesjährigen Fly-in "Stearman & Friends" auf der Bienenfarm nahe Berlin. Bei dem von den Quax-Fliegern organisierten Treffen stehen die Besucher zum Teil in langen Schlangen vor dem Rundflugschalter und nehmen die lange Wartezeit gerne in Kauf, um ein paar ganz besondere Minuten in diesem Klassiker der Luftfahrt zu verbringen. "An einem solchen Tag kommen schnell sechs Stunden auf das Flugzeitkonto der Bell", schwärmt Verbarg.
Die großen Strecken legt die Bell auf der Autobahn zurück
Den Anfang der Saison markiert meistens die AERO in Friedrichshafen, wo die Bell zusammen mit anderen Hubschraubern ausgestellt wird. Wenn man sich nun fragt, wie der kleine Quirl immer quer durch Deutschland und auch ins Ausland transportiert wird, würde man natürlich vermuten: auf dem Luftweg. Doch weit gefehlt: Die großen Strecken legt die Bell auf der Autobahn zurück. Auf einem eigens dafür angefertigten Anhänger wird die 47 stilecht von einem großen Pick-up zu den verschiedenen Veranstaltungsorten transportiert. Das schont die in der Laufzeit begrenzten Bauteile wie Rotorkopf und manche Motorenteile und natürlich den Geldbeutel des Eigentümers. Die Betriebsstunde ist mit gut über 500 Euro anzusetzen. "Ich habe mit meinem Wanderzirkus in diesem Jahr die 95 000 Kilometer überschritten", erzählt der begeisterte Pilot.
Erhalt historischer Luftfahrzeuge
Vor 15 Jahren hat Verbarg angefangen, sich für den Erhalt historischer Luftfahrzeuge einzusetzen. Nun soll es noch einen Schritt weiter gehen: Ein weiterer Hubschrauber soll hinzukommen. Welcher dies genau sein wird, soll zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten werden. Man kann aber sicher sein, dass Verbarg keine halben Sachen macht und für eine Überraschung sorgen wird. Wer gerne einmal mitfliegen möchte in der für drei Personen zugelassenen Bell, hat auf verschiedenen Veranstaltungen die Gelegenheit dazu. Seit der vergangenen Saison gehört Dieter Verbarg offiziell zum Quax-Verein und war auf dessen Veranstaltungen wie dem Stearman&Friends – oder Quax-Fly-in in Bienenfarm vor Ort – natürlich stilecht angereist aus Süddeutschland mit der Bell auf dem Anhänger.
Kultig: Durch die Kult-Fernsehserie M.A.S.H. wurde die Bell 47 weltbekannt. Verbarg ist mit seiner 47 auch für private Veranstaltungen buchbar.
"M.A.S.H.-Feeling"
Ein Rundflug mit dem sympathischen und immer freundlichen Verbarg versetzt den Mitfliegerin ein gewisses "M.A.S.H.-Feeling", wenn man tief über das Gelände fliegt. Fehlt nur noch der originale Soundtrack der Kult-Fernsehserie.
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