Abschlussbericht zur Eurofighter-Learjet-Kollision
Bei einer Abfangübung kollidierten im Juni 2014 ein Eurofighter aus Nörvenich und ein Learjet 35A der GFD. Die Crew des Geschäftsreisejets, die beim Absturz ums Leben kam, hatte die Situation falsch eingeschätzt.
Zunächst lief bei der Renegade-Übung, bei der das unbekannte zivile Luftfahrzeug abgefangen, identifiziert und zu einem Militärflugplatz geleitet werden sollte, alles normal: Einer der beiden Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 aus Nörvenich setzte sich links neben den Learjet.
Nach einigen Minuten positionierte er sein Flugzeug erneut leicht erhöht vor dem Learjet und begann laut den Aufzeichnungen des FDR um 14:38:10 Uhr wiederum wechselseitig um die Längsachse zu rollen und ging dann um 14:38:16 Uhr in eine Linkskurve über, als Zeichen, dass der Learjet ihm folgen solle.
Dieser reagierte diesmal wie vorgesehen, wobei die Schrägentfernung der beiden Flugzeuge zu Beginn des Kurvenfluges ca. 30 m betrug. Problem dabei allerdings: zunächst steuerte der Copilot auf dem rechten Sitz. Er verlor den Sichtkontakt zum Eurofighter, als der Learjet eine linke Querneigung von etwa 4 Grad hatte. „Kannst du mal nehmen, ich kann den nicht mehr sehen,” so seine Aufforderung an den links sitzenden Pilot in Command.
Bei der Übernahme der Steuerung unmittelbar vor der Kollision war der PIC des Learjet durch den portablen Computer auf seinem Schoß abgelenkt. Zum Kollisionszeitpunkt hatte der Learjet einen Steuerkurs von 358° und eine Querneigung von 46° nach links und der Eurofighter einen Steuerkurs von
001° und die Querneigung 26° nach links.
Der Learjet 35A der GFD schlug nach der Kollision am Ortsrand von Olsberg-Elpe in einen Hang (Foto: Polizei).
Die erste Berührung erfolgte zwischen der Oberseite des Rumpfes des Learjet und der in Flugrichtung rechten Seite der Startschiene an der Outboard Wing Station des Eurofighter und dann mit dessen rechtem Außentank. Die Verkleidung des rechten Triebwerks des Learjet kollidierte dann mit der Rumpfunterseite des Eurofighter im Bereich des rechten Triebwerks
Der Learjet wurde durch die Kollision zerstört und geriet im Flug in Brand. Er stürzte auf einen grasbewachsenen Hang bei Olsber-Elpe auf. Der Eurofighter wurde bei der Kollision schwer beschädigt, der Pilot konnte das Luftfahrzeug jedoch auf dem Heimatflugplatz landen.
Laut LBA wurden Mängel im Bereich des Crew Resource Management der Besatzung des Learjet festgestellt. Bei der Durchführung der Übung berücksichtigte die Besatzung des Learjet in ihrer Entscheidung über die Aufgabenverteilung nicht hinreichend die Risiken infolge möglicher Sichteinschränkungen sowie einer Ablenkung durch die Nutzung des Computers.
Aufgrund unzureichenden Situationsbewusstseins während der Intervention setzte die Learjet-Besatzung den Kurvenflug trotz Verlust des Sichtkontakts zum an der Kurveninnenseite fliegenden Eurofighter fort und nahm dabei eine exzessive Querneigung ein. Der PIC des Learjet hatte in den letzten dreieinhalb Jahren keine Renegade-Übungen geflogen. Für den Copiloten war der Unfallflug erst der insgesamt zweite Flug einer Renegade-Mission.
Im Luftfahrtunternehmen waren keine detaillierten Vorgaben gemacht, wie die Aufgaben in der Besatzung bei einer Renegade-Übung verteilt werden sollten. Das Training für das Abfangen eines unbekannten Luftfahrzeuges (Renegade) war weder bei dem mit der Flugzieldarstellung beauftragten Luftfahrtunternehmen noch bei der Luftwaffe ausreichend beschrieben und durch entsprechende Risikoanalysen betrachtet worden.
Der Eurofighter aus Nörvenich wurde auch an der Schubdüse beschädigt (Foto: BFU).
Zur Vorbeugung weiterer Flugunfälle hat die BFU die folgenden Sicherheitsempfehlungen herausgegeben:
# Das Luftfahrtunternehmen sollte sicherstellen, dass bei Flügen zur Flugzieldarstellung ein hohes Flugsicherheitsniveau erreicht wird. Dazu sollten diese Flüge im Hinblick auf latente Flugsicherheitsrisiken untersucht und Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen werden.
# Das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) sollte sicherstellen, dass … das Renegade-Verfahren hinreichend beschrieben und dahingehend präzisiert werden, dass für die beteiligten Luftfahrzeuge das Kollisionsrisiko auch für den Fall unerwarteter Manöver des abgefangenen Luftfahrzeuges minimiert wird. Die Anforderungen an Piloten bezüglich der Aufmerksamkeits- und Aufgabenverteilung in den einzelnen Phasen des Verfahrens sollten präzisiert und der Pilot des zweiten Abfangjagdflugzeuges zur Unterstützung stärker einbezogen werden.
# Das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) sollte sicherstellen, dass Unternehmen, die als zivile Vertragspartner der Bundeswehr Flugzieldarstellung durchführen, hinsichtlich ihres Flugbetriebes und ihrer Flugsicherheitsorganisation höchsten Standards der Bundeswehr genügen.
# Das Luftfahrt-Bundesamt sollte Luftfahrtunternehmen, die als Dienstleister für die Streitkräfte tätig sind hinsichtlich ihres Betriebes effektiv beaufsichtigen. Dabei sollte das LBA zum besseren Verständnis der militärischen Besonderheiten mit dem Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) zusammenarbeiten.
# Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) sollte sicherstellen, dass Luftfahrtunternehmen über ein effektiv arbeitendes Safety Management System verfügen. Dabei sollte insbesondere gewährleistet werden, dass durch das Safety Management System die wesentlichen Betriebsarten des Luftfahrtunternehmens im Hinblick auf Flugsicherheitsrisiken analysiert werden und wenn erforderlich Maßnahmen zur Risikominderung getroffen werden.
Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen FLUG REVUE eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.