Probleme der Bundeswehr-Rüstungsprogramme

Kampf an zwei Fronten
Bundeswehr-Rüstungsprogramme

Zuletzt aktualisiert am 19.03.2015

Dass bei Ausrüstung und Beschaffung der Bundeswehr einiges im Argen liegt, merkte auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schnell. Schon zwei Monate nach ihrem Amtsantritt entließ sie daher im Februar 2014 den zuständigen Staatssekretär Stéphane Beemelmans. Anschließend wurde eine „umfassende Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte“ an eine externe Unternehmensberatung vergeben. 1511 Seiten hat der Bericht, den ein Konsortium von KPMG, Ingenieurgesellschaft P3 und Kanzlei Taylor Wessing am 6. Oktober 2014 offiziell übergeben hat.

Laut KPMG bezieht sich die Untersuchung „ausschließlich auf die Beschaffungsorganisation des öffentlichen Auftraggebers im Verteidigungsbereich“. Mit der Industrie wurde nicht gesprochen. Trotz des etwas verengten Blickwinkels wurden bei den neun untersuchten Großprogrammen „140 Probleme und Risiken“ identifiziert und „180 konkrete und übergreifende Handlungsempfehlungen“ ausgesprochen. Deren Umsetzung würde ein „ambitioniertes Arbeitsprogramm“ bedeuten, „das mindestens für die kommenden zwei Jahre erhebliche Kräfte binden wird“.

Bei genauerer Betrachtung finden sich in dem KPMG-Bericht wenig neue Erkenntnisse. Dass der Pilotenhelm des NH90 Probleme macht, ist zum Beispiel genauso lange bekannt wie die Tatsache, dass in den politisch gewünschten und teils seit Jahrzenten laufenden internationalen Kooperationsprogrammen die „Prozesse komplex und nicht kongruent zu den nationalen Prozessen wie CPM (nov.) [Customer Product Management (novelliert) - Anm. d. Red.] sind“. Was die fliegenden Waffensysteme angeht, spricht KPMG eine Reihe von Empfehlungen für anstehende Maßnahmen aus.

Beim Airbus A400M, bei dem es „aktuelle Verzögerungen in Produktion und Abnahmeprozess“ des ersten Flugzeugs für die Luftwaffe gab, mussten die Unterstützungsverträge und der Auftrag für die Triebwerksinstandsetzung vergeben werden, um den Betrieb der ersten deutschen Luftfahrzeuge sicherzustellen.

Für den Eurofighter wird eine „Entscheidung über die Reparatur, Weiterentwicklung oder vorzeitige Außerdienststellung der 33 Flugzeuge der Tranche 1“ auf Grundlage einer detaillierten „Nutzungsstrategie" angemahnt. Das neue AESA-Radar soll bis 2021 entwickelt und integriert werden.

Was den NH90 betrifft, standen zum Zeitpunkt des Berichts die parlamentarische Befassung und die Vertragsunterzeichnung des im März 2013 ausgehandelten und von von der Leyen nochmals leicht geänderten „German Deal“ noch aus. Es geht um die Reduzierung der Beschaffung auf 82 NH90 und 18 NTH Sea Lion, für die mit Gesamtkosten von 4,4 Milliarden Euro zu rechnen ist. Aufgrund „bereits voll ausgeschöpfter Vertragsstrafen und Alleinstellungsmerkmalen auf der Anbieterseite“ mangelt es an Sanktionsmöglichkeiten, so KPMG.

Der Kampfhubschrauber Tiger von Airbus Helicopters ist ebenfalls Teil des „German Deal“ (Reduzierung auf 68 Hubschrauber), wobei die Preisermittlung immer noch aussteht. Empfohlen wurden eine „gegenseitige Verzichtserklärung (Verzicht des Auftraggebers auf den Erwerb zusätzlicher Ersatzteile bei gleichzeitigem Verzicht des Auftragnehmers auf den Rückerwerb von elf UH Tiger) sowie Prüfung weiterer vertraglicher Mechanismen zur Erreichung fristgemäßer Lieferzeiten“.

Beim Programm für die signalverarbeitende, luftgestützte weitreichende Überwachung und Aufklärung, SLWÜA (Euro Hawk), wurden nach dem Stopp des Euro Hawk acht Lösungsvorschläge erstellt. Diese weisen „einen unterschiedlichen Grad von Entscheidungsreife auf, sodass derzeit keine Grundlage für eine Auswahlentscheidung besteht“, meinte KPMG in ihrem Bericht. Da bemannte Lösungen teurer und weniger leistungsfähig sind, favorisiert das Verteidigungsministerium wohl derzeit die Global-Hawk-Version MQ-4C Triton als Träger der von Airbus Defence & Space entwickelten elektronischen Abhörsysteme. „Erwogen wird, einen neuen Zulassungsweg für unbemannte Luftfahrzeuge herbeizuführen, der die Kooperation inländischer und ausländischer Zulassungsbehörden voraussetzt. Ob ein solcher Zulassungsweg etabliert werden kann, ist jedoch noch nicht abschließend geprüft worden. Hierzu sind weitere zeit-intensive Voruntersuchungen anzustellen“, warnt KPMG.

Als Konsequenz des externen Berichts hat Verteidigungsministerin von der Leyen eine „Agenda Rüstung“ angekündigt, um das Management der Rüstungsprojekte zu optimieren, die Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit zu verbessern und die multinationale Kooperation zu stärken. Der Teufel wird dabei wie immer im Detail stecken.

Als gäbe es mit den Beschaffungsprogrammen nicht schon genug Ärger, mussten die Inspekteure der Teilstreitkräfte nun auch noch eingestehen, dass die Klarstandsraten bei einer ganzen Reihe von Mustern selbst nach militärischen Maßstäben sehr dürftig sind. Dazu trugen zuletzt auch Hiobsbotschaften bei, wie das Auftreten von Rissen in der Heckstruktur der Sea Lynx. Die fälligen Reparaturen werden dauern. Bei anderen Mustern wirken sich das zunehmende Alter und die schwierige Ersatzteillage auf die Verfügbarkeit aus. Bei Eurofighter und CH-53 wiederum sind jeweils über 30 Maschinen für geplante Umrüstungen beim Hersteller. Wie die „kritische Ausrüstungslage“ baldmöglichst behoben werden kann, sollen nun zwei „Task Forces" für Starrflügler und Drehflügler klären, die unter dem Vorsitz der Inspekteure von Marine beziehungsweise Luftwaffe stehen.

FLUG REVUE Ausgabe 12/2014