Südkorea arbeitet daran, seine Luftfahrtindustrie voranzubringen. Ein prestigeträchtiger Schritt ist die Entwicklung eines Kampfjets der "Generation 4.5". Die KF-21 hatte im Frühjahr ihren Roll-out und wird auf den Erstflug vorbereitet. Der ist für 2022 angesetzt.
Südkoreas Präsident Moon Jae-in war mächtig stolz "auf unser Team, das Zweifel in Überzeugung verwandelt und das Unmögliche möglich gemacht hat", um "den Traum unserer Vorfahren zu verwirklichen: Lasst uns unseren Himmel mit unseren Händen schützen". In seiner Rede beim Roll-out des Kampfflugzeugs KF-21 am 9. April bei KAI im Hauptwerk in Sacheon belobigte Moon auch "20 Mitwirkende, die besondere Beiträge zur Entwicklung der KF-21 geleistet haben", wie den Chefingenieur Il-Woo Lee, der auf seine Erfahrung bei der T-50 aufbaute, den Teamleiter Seonghan Park, zuständig für das Fly-by-Wire-Flugsteuersystem, den leitenden Forscher Seung-Hee Seo, der das AESA- Radar vorangebracht hat, oder den leitenden Forscher Park Ki-young von Hanwha Systems, der die elektrooptischen Systeme entwickelte.
Historischer Meilenstein
Der nun mit dem Namen Boramae (Habicht) versehene Fighter der "Generation 4.5" ist laut Moon ein "historischer Meilenstein in der Entwicklung unserer Luftfahrtindustrie". Die Geschichte des Programms reicht dabei zurück bis ins Jahr 2001, als der damalige Präsident Kim Dae-jung "die Vision für die Entwicklung eines eigenen Hightech-Kampfflugzeugs" vorstellte. Die konkreten Anforderungen wurden im folgenden Jahr durch den Generalstab der Streitkräfte definiert. Es folgten eine Reihe von Studien und auch Diskussionen, ob ein solches Projekt nicht zu ambitioniert und teuer für das Land ist.
Korea Aerospace Industries
Erst nach 2010 wurden die Arbeiten intensiviert, wobei die Agentur für Verteidigungsentwicklungen (ADD) verschiedene Vorentwürfe vorlegte, auch mit Canards wie bei den europäischen Kampfjets. Parallel dazu untersuchte KAI ein leichteres, einstrahliges Muster, das jedoch verworfen wurde. Auch die Idee, dass ADD selbst als Programmführer agieren sollte, wurde zeitweise verfolgt. Letztlich wurde aber im März 2015, wie erwartet, Korea Aerospace Industries als Hauptauftragnehmer ausgewählt – ein Gegenangebot von Korean Air/Airbus hatte keine Chance.
Am KF-21-Programm sind über 700 Firmen beteiligt. Die wichtigsten wurden beim Roll-out aufgelistet.
Vertrag 2015 unterzeichnet
Nach langwierigen Verhandlungen wurde der KF-X-Vertrag schließlich am 28. Dezember 2015 unterzeichnet, so dass im Januar 2016 ein erster Abgleich mit den Anforderungen durchgeführt werden konnte. Im Mai wurde dann das GE-Triebwerk ausgewählt. Mitte 2018 schloss KAI die vorläufige Entwurfsüberprüfung ab. Anfang September 2020 begann schließlich die Endmontage des ersten Prototyps.
Unabhängige Verteidigungsfähigkeit
Laut Präsident Moon leitet die KF-21 "eine neue Ära der unabhängigen Verteidigungsfähigkeit" ein. Dabei ist man allerdings noch nicht am Ziel, denn zu den über 700 Unternehmen, die am Programm (früher KF-X) beteiligt sind, zählen auch eine ganze Reihe von wichtigen ausländischen Lieferanten. So half Lockheed Martin bei der Entwicklung – als Gegenleistung für die Bestellung von 40 F-35 Lightning II. Als Triebwerk wurde das F404 von GE Aviation gewählt, für das Hanwha Techwin diverse Teile baut und die Endmontage durchführt. Beim Schleudersitz kam Martin-Baker mit seinem Mk.18 zum Zug, und Raytheon steuert die Klimaanlage, die Zapfluft- und Kabinendruckregelung sowie die Flüssigkeitskühlung für die Elektronik bei. Insgesamt sollen aber 65 Prozent der Bauteile aus koreanischer Produktion stammen.
Aerodynamische Konzeption
Von der aerodynamischen Konzeption her ähnelt die KF-21 wenig überraschend den Lockheed-Mustern F-22 und F-35, mit einer für geringe Radarrückstrahlfläche optimierten Formgebung. Extreme Stealth-Eigenschaften hat der koreanische Fighter aber nicht, es fehlt ein interner Waffenschacht, und auch die elektrooptischen Sensoren müssen bis auf eine IRST-Kugel vor dem Cockpit in einem Behälter getragen werden. Die Leistung des AESA-Radars von Hanwha Systems, insbesondere hinsichtlich der Software, ist schwer einzuschätzen. Es besteht aus rund 1100 Sende-/Empfangsmodulen.
Die KF-21 behält ein klassisch-schmales Head-up-Display. Der Schleudersitz stammt von Martin-Baker.
7,7 Tonnen Zuladung
Mit einer maximalen Startmasse von 25600 Kilogramm liegt die KF-21 leicht über dem Eurofighter, aber unter der F/A-18E/F Super Hornet. An zehn Außenlaststationen lasen sich bis zu 7,7 Tonnen mitführen. Vier Luft-Luft-Lenkwaffen großer Reichweite passen dabei in Vertiefungen unter den Rumpf. Bezüglich der Bewaffnung bemüht sich Südkorea um eine Unabhängigkeit von den USA. So wird zum Beispiel die Meteor von MBDA integriert, und auch die Iris-T von Diehl Defence gehört zum Arsenal. Langfristig soll auch ein eigener kleiner Marschflugkörper entwickelt werden.
Südkorea fliegt noch Phantom
Nach der Roll-out-Feier laufen nun ausgedehnte Bodentests, um den Prototypen 001 bis zum Juli 2022 auf den Erstflug vorzubereiten. Insgesamt sechs Versuchsmaschinen (darunter zwei Doppelsitzer) sollen bis Mitte 2022 gebaut werden. Mit ihnen will KAI über vier Jahre ein etwa 2200 Flüge umfassendes Testprogramm durchführen. Ab 2026 würden dann die Lieferungen einer so genannten "Block-1"-Version beginnen, die noch nicht über die vollen Luft-Boden-Fähigkeiten verfügt. "Wir planen, 40 Einheiten bis 2028 und 120 Einheitenbis 2032 einzusetzen", so Präsident Moon Jae-in. Die KF-21 würde damit zu einem wichtigen Bestandteil der Kampfflugzeugflotte des Landes. Sie soll die noch vorhandenen etwa 60 F-4E Phantom II und die rund 175 F-5E Tiger II des Landes ersetzen sowie die F-35A und die F-15K Eagle ergänzen. Letztere könnten mit der neu erworbenen Technologie zum Beispiel im Bereich elektronischer Kampfführung nachgerüstet werden, so Moon.
Exportmarkt
Über den eigenen Bedarf hinaus hat Südkorea ab Ende des Jahrzehnts auch den Exportmarkt, insbesondere in Südostasien, im Visier. Argumente dabei sollen ein vergleichsweise günstiger Preis (65 Millionen Dollar) und geringe Betriebskosten sein. Ein Abnehmer ist bereits an Bord: Indonesien sagte im Juli 2010 eine Beteiligung von 20 Prozent am Programm zu. Das Land hat einen Bedarf von rund 50 Fightern. Seither ist die Regierung in Jakarta aber wohl ständig mit ihren vereinbarten Zahlungen im Rückstand – manche Berichte sprechen davon, dass erst zehn Prozent der Summe gezahlt wurde.
Im KAI-Hauptwerk in Sacheon entstehen sechs Versuchsflugzeuge. Der Erstflug wird bis Juli 2022 angepeilt.
Große Industriepläne
Für Südkorea ist diese Situation sicher ärgerlich, wird aber an der Entschlossenheit, das auf etwa 6,3 Milliarden Euro (Preisstand 2015) geschätzte Programm zum Erfolg zu führen, nichts ändern. 12000 hochwertige Arbeitsplätze wurden schon während der Entwicklung gesichert. Laut Präsident Moon werden mit Beginn der Serienfertigung viele weitere hinzukommen.
Die KF-21 ist ein wichtiger Baustein für das Ziel der südkoreanischen Regierung, in den 2030er Jahren die "siebtgrößte Nation in der Luftfahrtindustrie weltweit" zu werden. In Übereinstimmung mit dem im März festgelegten "3. Grundplan für die Entwicklung der Luftfahrtindustrie" soll die Unabhängigkeit bei Kerntechnologien wie Kampfflugzeugen gestärkt werden. "Langfristig werden wir auch in die Entwicklung innovativer neuer Technologien wie Elektro-/Wasserstoffflugzeuge und die urbane Mobilität in der Luft investieren. Wir werden die koreanische Luftfahrtindustrie einschließlich unbemannter Luftfahrzeuge systematisch und aktiv unterstützen", betonte Präsident Moon beim KF-21-Roll-out.
Die KF-21 Boramae ist etwas größer als der Eurofighter.
Korea Aerospace Industries KF-21 Boramae
Besatzung: 1
Antrieb: 2 x GE Aviation (Hanwha Techwin) F414-KI
Schub: 97,9 kN (22000 lbs) mit Nachbrenner, 57,8 kN ohne Nachbrenner
Länge: 16,86 m
Höhe: 4,72 m
Spannweite: 11,15 m
max. Zuladung: 7700 kg
max. Startmasse: 25 600 kg
Höchstgeschwindigkeit: 2200 km/h
Überführungsreichweite: 2900 km
Bewaffnung: bis zu 7,7 Tonnen Waffenzuladung an zehn Waffenstationen (davon 6 unter den Tragflächen und vier unter dem Rumpf), darunter MBDA Meteor, AIM-120
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