Das Ende naht, die Wachablösung ist vollzogen: Kroatien ersetzt seine MiG-21 durch Rafales aus Frankreich. Doch ganz ohne Feier ließen die Kroaten ihre alten MiGs nicht gehen. In Zagreb zeigten sich Europas letzte "Fishbeds" noch einmal von der Schokoladenseite.
Das schönste Flugzeug auf dem Areal kann gar nicht mehr fliegen – für die Fotografen ist es trotzdem der Superstar. Als sich am 11. Mai um kurz nach 11 Uhr Ortszeit im alten Terminal des Flughafens von Zagreb die Türen Richtung Vorfeld öffnen, sprinten die ersten Fans, ihre Kameras im Anschlag, zielstrebig direkt zu "Kockica". Die rot-weiß karierte MiG-21UMD mit der Kennung 165 und dem niedlichen Kosenamen – "Kockica" heißt auf Deutsch so viel wie "Würfelchen" – ist binnen weniger Minuten von einer Traube Planespotter umringt. Alle wollen sie die knallige Doppelsitzer-MiG bestmöglich in Szene setzen.
Rot-weiß karierter Publikumsmagnet: Die MiG-21UMD "Kockica" war der Star im Static Display bei der AirVG24.
Vergangenheit trifft Zukunft
Die Voraussetzungen dafür sind perfekt, denn auch wenn "Kockica" aus technischen Gründen schon vor Jahren stillgelegt wurde und sich seitdem in einem Hangar im Militärbereich des Flughafens das Fahrwerk in den Bauch steht, wirkt sie von außen fast wie neu. Stolz lässt sie sich die wärmende Sonne auf ihren rot-weißen Schachbrettrücken brutzeln – flankiert zu ihrer Linken von einer kaum weniger berühmten Artgenossin: Die MiG-21R, mit der Kroatiens Jagdfliegerheld Rudolf Perešin 1991 aus der jugoslawischen Armee nach Klagenfurt desertierte, parkt gleichsam auf dem Vorfeld, genau wie eine kroatische Dassault Rafale F3R. Sie ist, zusammen mit fünf Schwesterjets, erst seit wenigen Wochen in Zagreb zu Hause. Sechs weitere Rafales sollen noch kommen. Mit den Fightern aus Frankreich lösen die Kroaten ihre letzten noch aktiven MiG-21 ab.
Superstar MiG-21
Noch aber sind diese MiG-21, die letzten in ganz Europa, weiter quicklebendig. Und die rund 10.000 Gäste, die heute zur Flugschau AirVG24 auf den Airport strömen, wollen nicht nur irgendwelche ausrangierten "Fishbeds" am Boden bewundern. Sie wollen die MiG-21 fliegen sehen! Tatsächlich ist für den Nachmittag – als Höhepunkt eines kleinen, aber feinen Flugprogramms – die Darbietung einer kroatischen MiG angekündigt. Es ist das vielleicht letzte "Hurra!" der altehrwürdigen MiGs, deren Ausmusterung kurz bevorsteht. Und das möchten sich die Fans, die aus aller Herren Länder angereist sind, keinesfalls entgehen lassen.
Rund 10.000 Besucher strömten am 11. Mai zum Flughafen Zagreb, um Europas letzten MiG-21 ganz nahe zu sein.
"Sunshine Reggae" und Ćevapčići
Die verbleibende Zeit bis dahin lässt sich auf dem Gelände auf vielfache Weise vergeuden. Die Stimmung vor Ort ist beschwingt, fast euphorisch, das Wetter perfekt. 20 Grad Celsius, keine Wolke zu sehen. Kurzehosenzeit! Über das Gelände schallt "Sunshine Reggae" von Laid Back aus den Lautsprechern, von irgendwoher wabern sanfte Grillfleischdüfte. Zum Mittag gibt's Ćevapčići.
Am anderen Ende des Platzes hat sich derweil die komplette Typenpalette der von Kroatiens Luftwaffe eingesetzten Hubschrauber versammelt: Jet Ranger, Kiowa, Black Hawk, Mi-171. Ein slowenischer Cougar-Helikopter komplettiert als einziges Fluggerät aus dem Ausland die Reihe.
40 Stunden für die MiG
Etwas abseits parkt, mit offenem Cockpit und Leiter davor, die MiG-21 Nummer 133, eine der letzten noch flugbereiten. Wer schon immer eine "Fishbed" anfassen, ihr in den Fahrwerkschacht kriechen oder gar in ihrem Cockpit Probesitzen wollte, kommt hier auf seine Kosten. Die kroatischen Fernsehreporter wundern sich währenddessen über die vielen Verrückten aus dem Ausland, die stundenlange Anreisen auf sich genommen haben – nur um Kroatiens letzte MiGs zu sehen. Den Rekord in dieser Disziplin dürfte ein junger Südkoreaner halten, der in Moskau studiert und mit dem Fernbus von dort in 40 Stunden nach Zagreb pilgerte. Sieben Stunden Wartezeit an der russisch-lettischen Grenze inklusive. Dagegen muten unsere 20-Stunden-Hardcore-Auto-Tagestrips aus dem Süden Deutschlands fast wie Kaffeefahrten an.
Die MiG-21bisD Nummer 116 zeigte am blauen Himmel über Zagreb, dass sie auf ihre alten Tage noch jede Menge Feuer hat.
Ein grandioser Auftritt
Aber egal, ob 40 Stunden Anfahrt oder zehn Minuten, ob Profi-Spotter oder Zagreber Familie: Als um kurz nach 16 Uhr die Rafale Nummer 150 aus ihrem Shelter Richtung Runway rollt, dicht gefolgt von der MiG-21 Nummer 116, schlagen alle Herzen höher. Die Vorfreude kribbelt in den Fingern, die Hand legt sich um den Kameraauslöser. In kurzer Folge preschen Rafale und MiG Minuten später über die Startbahn. Mit gezündeten Nachbrennern heben sie ab und steigen in den immer noch fast wolkenlosen Himmel. Dann kehrt für einen kurzen Moment wieder Stille ein.
Die MiG kehrt als erste zurück, grüßt die Anwesenden abermals im Überflug mit fauchendem Nachbrenner – und setzt zur Überraschung zahlreicher Beobachter zu einem blitzsauberen Solo-Display an. Es donnert und feuert nur so dahin. Bis die MiG, mangels Zusatztank nach wenigen Minuten, ans Ende ihrer Kerosinreserven stößt. Es reicht für einen historischen Überflug im Verbund mit der Rafale, die symbolische Stabübergabe. Dann setzt die 116 auf der Runway 22 zur Landung an. Die Rafale kurvt in der Luft noch ein wenig weiter, aber das interessiert in diesem Moment vor Ort nur Wenige. Netter Versuch, vielleicht beim nächsten Mal... Diesmal jedenfalls richten sich sämtliche Blicke auf die MiG, die mit Bremsschirm im Schlepptau von der Runway rollt. Was für ein Ausstand für die alte Lady – Chapeau!
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Die allerletzte Gnadenfrist
Das endgültige Ende für die kroatischen MiG-21 war der letzte große Auftritt allerdings noch nicht. Einen offiziellen Termin dafür haben die Kroaten bislang nicht genannt. Von Militärs war während der Veranstaltung in Zagreb übereinstimmend zu hören, dass die MiGs wohl noch ein paar Monate Dienst vor sich haben, vielleicht sogar bis Jahresende – wenn auch ab sofort flugstundentechnisch in deutlich reduzierter Form. Für die allermeisten Gäste der AirVG jedoch dürfte es in der Tat das letzte Mal gewesen sein, dass sie eine leibhaftige MiG-21 in Aktion bestaunen durften. Und egal, ob 40 Stunden oder zehn Minuten: Ihr Weg zum Franjo Tuđman-Airport hat sich allemal gelohnt.
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