Die Türkei treibt die Erprobung ihres ersten Überschall-Jettrainers voran. Der Hürjet von TAI war seit dem Erstflug knapp ein Dutzend Male in der Luft. Diesen Rückenwind wollen die Türken nutzen – und der Konkurrenz aus den USA auf dem Exportmarkt den Rang ablaufen.
Die türkischen Flugzeugbauer strotzen aktuell vor Selbstvertrauen. Und das nicht aus purer Überheblichkeit. Die Türkei erkämpft sich Stück für Stück einen Platz im Kreise der Luftfahrtnationen, vor allem im militärischen Bereich. Wichtigstes Projekt ist selbstredend der hausgemachte Stealth-Fighter Kaan, der Anfang Mai sein Rollout feierte und nun auf den Erstflug vorbereitet wird. Doch auch zwei Nummern kleiner haben die Türken zukünftig ein Ass im Ärmel: den Überschalltrainer Hürjet. Und im Gegensatz zum Kaan ist der Hürjet bereits flügge.
Inzwischen trägt der Hürjet-Prototyo eine vollständige Lackierung in Rot-Weiß. Elf Flüge hat der Überschalltrainer bereits absolviert (Stand Mitte Juni 2023).
Tests laufen nach Plan
Die Flugerprobung des neuen Jet-Trainers geht allem Anschein nach planmäßig voran. Seit dem Erstflug sei der Hürjet elfmal in der Luft gewesen, gab Programmchef Atilla Doğan vom Hersteller TAI (Turkish Aerospace Industries) bei der Paris Air Show vergangene Woche zu Protokoll. Dabei habe der Prototyp unter anderem bereits das Fahrwerk eingefahren und sei in größere Geschwindigkeitsbereiche vorgedrungen, wenngleich der erste Ritt über die Schallmauer noch aussteht. Diverse Systemtests seien erfolgreich verlaufen, auch Flüge mit einem zweiten Mann im Cockpit habe man schon absolviert.
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100 Triebwerke von GE
Im Orderbuch für den Hürjet steht bislang einzig die türkische Luftwaffe, die 16 Vorserienflugzeuge bestellt hat. Das Auslieferungsziel liegt zwischen 2025 und 2028, und natürlich hofft TAI auf einen umfassenden Folgeauftrag der türkischen Regierung. Doch auch für den Export zurrt TAI derzeit ein Hürjet-Paket zusammen. Rund ein halbes Dutzend Interessenten sollen bereits angeklopft haben. Bei Triebwerkshersteller General Electric hat TAI bislang 100 F404-Turbofans für das Hürjet-Programm beauftragt. Türkische Analysten bezifferten den möglichen Absatzmarkt für den Hürjet auf insgesamt bis zu 1.000 Exemplare.
TAI sieht den Hürjet auf dem Exportmarkt in Konkurrenz zur Boeing T-7A (Foto). Das US-Muster kämpft mit Verzögerungen im Programmablauf.
Hürjet gegen Red Hawk
Bei ihren Exportbemühungen könnten die Türken nach eigener Ansicht von den Problemen profitieren, die US-Mitbewerber Boeing aktuell mit seinem neuen Jet-Trainer T-7A Red Hawk hat. Der designierte Nachfolger für die veralteten T-38 Talon der US Air Force kämpft mit Verzögerungen, vor 2027 dürfte er nicht einsatzfähig sein. Bis die T-7A in den Export geht, könnten noch weitere Jahre vergehen.
Hürjet-Programmchef Doğan wittert daher Morgenluft: "Wir haben die Verzögerung beim T-7-Programm bemerkt und sehen eine Chance, aufzuholen", sagte Doğan in Paris gegenüber dem Portal European Security & Defence. Für Kunden sei es "eine wichtige Frage", wie schnell ein Hersteller liefern könne. Angesichts der Verzögerung bei Boeing "hoffen wir, den Hürjet vor der T-7 auf dem internationalen Markt anbieten zu können." Ob das gelingen kann, hängt natürlich primär vom Fortschritt des eigenen Projekts ab – schließlich ist der Hürjet das erste in der Türkei entwickelte Überschallflugzeug und ebenso wenig wie die T-7A gefeit vor außerplanmäßigen Verzögerungen. Dennoch sieht Doğan das Projekt im Moment gut im Rennen: "Es scheint eine Chance für uns zu geben."
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