Die US Air Force prüft die AT-6, die A-29, die Scorpion und die AT-802L Longsword auf ihre Eignung als leichtes Erdkampfflugzeug. Eine Beschaffung ist aber alles andere als sicher.
Afghanistan, Irak, Syrien – überall muss die US Air Force schon seit Jahren die Flugstunden ihrer teuren Kampfjets verwenden, um Aufständische und Terroristen zu bekämpfen, die über keine wirkungsvolle Luftabwehr verfügen. In Beschaffung und Unterhalt deutlich preiswertere Turboprop-Muster wären für diese Aufgabe genauso geeignet, monieren Kritiker seit Langem. Obwohl die US Navy vor etwa zehn Jahren mit zwei OV-10G Bronco bei einem Test im Nahen Osten (Combat Dragon II) gute Erfahrungen gemacht hat, hat die USAF sich erst in diesem Jahr zu einem sogenannten „Light Attack Experiment“ durchgerungen. Sechs Millionen Dollar hat der Kongress Anfang März dafür bereitgestellt. Das Geld wurde für ein etwa vierwöchiges Testflugprogramm verwendet, das im August auf der Holloman Air Force Base in New Mexico stattfand.
Erfahrene Kampfflugzeugpiloten der Air Force sowie Wartungstechniker arbeiteten dabei ein umfangreiches Versuchsprogramm ab, um die Stärken und Schwächen der Kandidaten zu bewerten und objektive Daten für die Berichte zu den einzelnen Mustern zu sammeln. Die Berichte sollen bis Dezember vorliegen.
Sechs standardisierte Missionen am Tag und zwei in der Nacht mussten dafür von jedem Flugzeug absolviert werden, wobei diese ein Spektrum von einfachen Angriffen auf Bodenziele über Luftnahunterstützung von Truppen an der Frontlinie bis hin zum Begleitschutz von Rettungshubschraubern sowie Aufklärung abzudecken hatten. Unter anderem wurde auch die Kommunikationsfähigkeit bewertet, um zum Beispiel mit Joint Terminal Attack Controllers (JTAC) am Boden zusammenzuarbeiten. Außerdem standen Starts und Landungen auf einer unvorbereiteten Piste auf der Cannon AFB auf dem Plan. An dem Light Attack Experiment nahmen Flugzeuge teil, die von der USAF eingeladen worden waren. Dafür wurden Minimalkriterien hinsichtlich Wendigkeit, Fähigkeit zum Einsatz bestimmter Waffen, Sensoren und Kommunikationssystemen aufgestellt. Zudem waren eine Druckkabine und ein Zero-Zero-Schleudersitz gefordert. Diese Vorgaben erfüllten allerdings nur die AT-6 Wolverine von Textron Aviation (Beech) und die A-29 Super Tucano von Embraer (Hauptauftragnehmer in den USA ist Sierra Nevada).
Diese Muster kennt die USAF bereits aus dem LAS-Wettbewerb (Light Air Support) von 2009, der zur Lieferung von A-29 an Afghanistan führte. Neben diesen beiden Kandidaten „erster Ordnung“ wurden deshalb auch noch der Scorpion-Jet von Textron (keine Einsatzfähigkeit auf unvorbereiteten Pisten) und die auf einem Agrarflugzeug basierende AT-802L Longsword von L3 Platform Integration (kein Schleudersitz) zugelassen. Der Longsword-Konkurrent Archangel ist dagegen nicht dabei: IOMAX hat sich entschieden, keinen Vorschlag zu unterbreiten. Sowohl der Kommandeur der US Air Force, General David Goldfein, als auch Heather Wilson, Secretary of the Air Force im Pentagon, waren bei einer Präsentation des Light Attack Experiment Anfang August in Holloman AFB dabei. Laut Goldfein geht es darum, herauszufinden, „ob ein auf dem Markt verfügbares Flugzeug und Sensorpaket zum Kampf … gegen brutalen Extremismus beitragen kann“. Wilson betonte, dass man „experimentiere und neue Wege ausprobiere“, und zwar „in schnelleren Verfahren“ gegenüber den oft langwierigen Beschaffungsprogrammen, für die die USAF berüchtigt ist.
Test im Nahen Osten ist nächstes Jahr möglich
Wie es mit einem „OA-X“-Programm nach den Testflügen und den Berichten der Spezialisten weitergeht, ist jedoch offen. Generalleutnant Arnold Bunch von der Air-Force-Beschaffungsabteilung im Pentagon deutete an, dass man im nächsten Jahr mit Mustern, die vielversprechende Leistungen zeigten, ein Versuchsprogramm direkt im Nahen Osten durchführen könnte. Dies aber nur, wenn auch die Industrie entsprechende Ressourcen zur Verfügung stelle.
Ob es dann eine Auswahl und ein Beschaffungsprogramm geben wird, wird sich zeigen. Aus Sicht vieler Experten wäre eine kampftaugliche Turboprop mit Flugstundenkosten weit unter 5000 Dollar eine gute Ergänzung für die USAF-Flotte. Sie würde nicht nur die Abnutzung der alternden Kampfjets etwas verlangsamen, sondern böte auch die Möglichkeit, mehr Piloten zu günstigen Kosten im Training zu halten.
Laut Bunch kann ein solches Flugzeug nur mit zusätzlich bereitgestellten Mitteln beschafft werden, da man an den Prioritäten für die F-35, die KC-46 oder die B-21 nicht rütteln wolle. John McCain als einer der Befürworter eines OA-X-Programms hat deshalb als Vorsitzender des Senate Committee on Armed Services dafür gesorgt, dass im Budgetvorschlag für das nächste Jahr 1,2 Milliarden Dollar für ein neues leichtes Erdkampfflugzeug eingestellt werden. Eine solche Vorgabe gibt es im Haushaltsentwurf des Repräsentantenhauses jedoch nicht.
FLUG REVUE Ausgabe 10/2017
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