US Air Force testet fliegende „Toilette“ für Kampfjets
Egal ob scharfer Einsatz oder einfache Trainingsmission: Die Flüge moderner Kampfflugzeuge dauern immer länger. Aber was passiert, wenn man mitten in der Luft auf die Toilette muss? Pilotinnen der mit der A-10 Thunderbolt II ausgerüsteten 74th Fighter Squadron haben vor kurzem ein neues System zur Entleerung der Blase während des Fluges getestet.
Mit mehreren Luftbetankungen kann ein Flug schon mal bis zu sechs Stunden dauern. Das stellt für die Konstitution der Crews große Herausforderungen dar – und für die Blase. Wenn man dringend "mal muss" sinkt bekanntlich die Konzentration. Das ist schon ziemlich blöd, etwa während der Fahrt im Auto, aber in einem Kampfjet bekommt das Problem eine ganz andere Hausnummer. Trauriges Beispiel: Im Jahr 1992 versuchte sich ein Pilot einer F-16 Fighting Falcon der US Air Force im Flug zu erleichtern, steuerte sein Flugzeug allerdings dabei in eine Bergkette. Der Oberstleutnant konnte sich zwar noch mit dem Schleudersitz retten, aber mit dem Totalverlust seines Jets erwies sich der Toilettengang als ziemlich teuer.
Dank Luftbetankung können die Flüge mehrere Stunden dauern - ganz zu schweigen von Verlegungen über den Atlantik.
Umständliches Verfahren
Bis dato gibt es laut USAF vier Möglichkeiten zum Urinieren im Cockpit, die aber meist einige Nachteile haben: Das Einhalten des Urins kann langfristig zu Gesundheitsschäden wie Infektionen und geschwächter Blasenmuskulatur führen. Das aktuelle Beutelsystem besitzt innen einen Schwamm und lässt sich nach außen abdichten. Die Benutzung erfordert aber das komplette Abschnallen von Sitz und Ausrüstung – und natürlich vorher die Aktivierung des Autopiloten. Das Crewmitglied drückt sich vom Sitz hoch, entfaltet das Paket unter sich, schiebt die Unterwäsche aus dem Weg – und lässt es laufen. Idealerweise alles einhändig, denn die andere Hand sollte immer zum Bedienen der Steuerung frei sein. Der Schwamm bindet dann die Flüssigkeit, und anschließend wird das Ganze geschlossen und verstaut.
In einem Jet-Cockpit herrscht nicht viel Platz, um sich zu erleichtern.
Toilettengang wird zum Risiko
Der Vorgang dauert bis zu 45 Minuten und birgt das Risiko, dass ein nicht richtig befestigter Gurt in einem Notfall für fatale Konsequenzen sorgen kann. Einige Besatzungen praktizieren daher eine "taktische Dehydrierung", das heißt, sie nehmen Stunden vor dem Flug keine Flüssigkeiten mehr zu sich. Darunter leidet aber die Konzentration und Fitness: so reduziert sich die Fähigkeit, hohe g-Kräfte auszuhalten, um bis zu 50 Prozent. Die letzte und nicht sehr standesgemäße Variante sind einfache Erwachsenenwindeln.
Das Airus-System wurde speziell für Kampfpilotinnen entwickelt.
Neues System für Frauen
Frauen haben es dabei deutlich schwerer als ihre männlichen Kollegen. Ein neues Gerät soll jetzt Abhilfe schaffen: Beim Airus-System handelt es sich quasi um einen ummantelten Napf, der am Körper sitzt und unter der Unterwäsche getragen wird. Aus der Fliegerkombi läuft dann ein Schlauch zu einer Pumpe, die den Urin vom Körper weg in einen Sammelbeutel befördert. Die Vorrichtung hatte Airion Health entwickelt. Das US-Unternehmen aus Los Angeles konzentriert sich auf gesundheitsrelevante Produkte für die Streitkräfte wie spezielle Filtermasken.
Die Tests fanden im A-10-Simulator der 74th Fighter Squadron in Georgia statt.
Einsatz im kommenden Jahr?
Die US-Luftstreitkräfte hatten im Sommer 2020 eine entsprechende Ausschreibung gestartet und führen unter der Leitung der 46th Test Squadron und der 28th Test and Evaluation Squadron aus Eglin vier Testkampagnen am Boden durch. Nach Seymour Johnson ist die 74th Fighter Squadron die zweite Station. Die Einheit ist mit der Fairchild A-10 Thunderbolt II ausgerüstet und auf der Moody Air Force Base in Georgia stationiert. Als Nächstes sind Test auf den Fliegerhorsten Hill und Nellis geplant. Im Herbst 2024 soll das System dann in Serie gehen.
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