ESA-Generaldirektor: "Falcon 9 ist eine Zwischenlösung"

ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher
:
„Falcon 9 ist eine Zwischenlösung“

© ESA

Nach dem Start von EarthCARE spricht der ESA-Generaldirektor im Interview über die Besonderheiten der Mission, den Stand der Dinge bei Ariane 6 und Vega-C und eine Verpflichtung für europäische Staaten, auch europäische Trägerraketen zu nutzen.

Kompletten Artikel anzeigen

In der Nacht auf Mittwoch brachte eine Falcon 9 von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien aus erfolgreich den europäisch-japanischen Forschungssatelliten EarthCARE ins All. Nach dem Start hat der ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher die Fragen der FLUG REVUE beantwortet.

Herr Aschbacher, was macht die Wissenschaftsmission EarthCARE so besonders?

EartCARE ist eine fantastische Mission. Auf der einen Seite adressiert EarthCARE Fragen der Wissenschaft, die wir heute noch nicht beantwortet haben. Vor allem, wie Wolken und Aerosole sich auf den Strahlungshaushalt auswirken und dadurch auf Klimaerwärmung und die Klimafragen. Und das sind wirklich noch Unbekannte, die wir besser studieren und kennenlernen müssen. Hier wird EarthCARE die wichtigen Daten liefern. Auf der anderen Seite ist EarthCARE auch ein Beispiel, wie neu entwickelte Technologie, die bisher nicht geflogen ist, einfach eingesetzt wird, um diese wissenschaftlichen Fragen zu beantworten. Wir haben vier Instrumente an Bord von EarthCARE, zwei aktive, die äußerst herausfordernd sind – ein Lidar und ein Radar. Das Radar wurde von Japan bereitgestellt. Das Lidar ist ein ähnliches wie wir auf Aeolus geflogen haben – ein Einzelstück bisher im Weltraum. Hier hat Europa Technologie entwickelt, die einzigartig ist. Die beiden anderen Instrumente, das MSI und das BBR, liefern die Hintergrundinformationen, um die aktiven Instrumente zu unterstützen. EarthCARE ist also technologisch einzigartig, herausfordernd, mit wissenschaftlich enorm interessant brennenden Fragen, die hier beantwortet werden. Es gibt eine dritte Dimension, die EartCARE speziell macht: die internationale Kooperation, gerade mit Japan. Japan hat einen sehr wesentlichen Teil beigetragen durch dieses Cloud Profiling Radar. Es ist eine ganz starke Kooperation, auch getestet durch Schwierigkeiten, die wir entlang der Entwicklung erlebt haben. Diese Partnerschaft hat sich noch verstärkt und so weit zementiert, dass wir bereits seit Monaten Diskussionen führen, welche anderen neuen Projekte wir initiieren könnten.

Wie fühlt sich das für Sie an, dass EarthCARE mit einer Falcon 9 von SpaceX gestartet ist?

Das fühlt sich gut an, Falcon 9 ist sehr zuverlässig und eine sehr gute Rakete. Ursprünglich hätte EarthCARE mit Sojus starten sollen. Dadurch, dass Sojus ausgefallen ist, haben wir jetzt Falcon 9 verwendet. Es hat perfekt funktioniert. Es ist eine sehr starke, sehr gute Kooperation oder kommerzielle Kooperation, die wir hier haben. Natürlich ist das eine Zwischenlösung. Wir wollen unseren eigenen Zugang zum Weltraum wiederherstellen und das werden wir dieses Jahr bewerkstelligen, indem wir Ariane 6 zum Erststart bringen. Das ist in der ersten Juli-Hälfte geplant. Ich werde das Datum auf der ILA in Berlin annoncieren. Zum anderen wird Vega-C zur Startrampe zurückkehren nach dem Fehler, den wir hatten. Wir hatten heute [Dienstag, 28. Mai; d. Red.] übrigens einen sehr wichtigen Test, diesen Hot-Firing-Test des Zefiro-40-Motors, der sehr gut verlaufen ist.

Darf ich fragen, was so ein Start mit SpaceX die ESA kostet? Ist es günstiger als eine Ariane oder als die ursprünglich geplanten Optionen Sojus und Vega-C?

Nein, der Preis ist der Listenpreis. Wir dürfen den Preis nicht nennen aufgrund von Confidentiality-Gründen. Aber der Preis liegt etwas höher als der Sojus-Flug, in einer ähnlichen Preisklasse wie ein Ariane-Flug. Insofern ist es ist keine preisliche Diskussion. Das ist einfach die Verfügbarkeit der Rakete, die Falcon 9 ist verfügbar. Und wir müssen den Satelliten ins Weltall bringen. Wenn wir ihn in das Ariane- oder Vega-Manifest einfügen würden – die sind mittlerweile ausgebucht über Jahre – würde das sehr lange dauern. Wir wollen ihn nicht am Boden behalten, sondern im Orbit haben. Dafür bauen wir Satelliten und insofern ist der Flug mit SpaceX Falcon 9 natürlich perfekt.

Welche weiteren Missionen müssen auf Falcon 9 ausweichen, weil die Sojus ausgefallen ist, weil Ariane 6 noch nicht bereit ist, weil Vega-C einen Fehlstart hatte?

Wir hatten letztes Jahr Euclid mit der Falcon 9 gestartet. Wir haben zwei kleine Missionen, die wir unter sogenannten Transportermissionen mitfliegen. Das ist AWS, Arctic Weather Satellite, und Φsat-2. Aber das sind relativ kleine Missionen, wo sie einer von 99 Passagieren sind und das bietet sich an. In Zukunft haben wir Ariane, Vega, aber auch die neuen Mikrolauncher, die ja auch irgendwann, also sprich vielleicht die erste dieses Jahr, vielleicht zwei dieses Jahr, zur Verfügung stehen. Das ist eine neue Quelle an Startmöglichkeiten, die wir haben und auf die wollen wir uns auch verlassen.

Wird die Ariane 6 wettbewerbsfähig sein gegen Falcon 9 oder auch das Starship, wenn es verfügbar ist?

Starship kann ich schwer beurteilen, wir kennen hier die Preislage nicht und zuerst muss das Starship erfolgreich fliegen. Falcon 9 fliegt viel öfter, da sie wiederverwertbar ist. Das ist natürlich ein Vorteil, den Falcon 9 anbietet. Die Ariane wird eine sehr attraktive Rakete werden. Sie wird vergleichbar sein in den Kosten, sie wird sehr flexibel sein, vielleicht sogar flexibler als die Falcon-Rakete. Durch die Oberstufe, die mehrmals gezündet werden kann, können wir Satelliten in verschiedenen Orbits aussetzen und deshalb gezielter gewisse Kunden betreuen. Das ist ein Vorteil, den die Ariane 6 anbieten wird. Sie wird sicher effizienter, billiger sein als die Ariane 5. Insofern wird Europa ein neues Arbeitspferd bekommen, um diese Satelliten in der Weltraum zu bringen und an die lange, gute Historie von Ariane 5 anschließen.

Bräuchte es eine Verpflichtung, dass europäische Mitgliedstaaten und deren Unternehmen und Institutionen auch europäisch starten?

Es ist europäisches Steuergeld, das investiert wird in die Entwicklung von Ariane und Vega. Und es wäre natürlich angebracht, dass europäische Satelliten, die zum Beispiel auch durch Steuergelder finanziert werden, die heimischen Raketen verwenden. Es gibt keine zwingende Vorschrift heute. Ich weiß, das wird in der Europäischen Kommission diskutiert als Teil des EU Space Law. Wir sind in die Diskussion nicht involviert, das ist in den Händen der Europäischen Kommission. Ich sehe als Generaldirektor der ESA die Notwendigkeit, die europäischen Raketen zu verwenden für europäische Satelliten. Das macht Amerika, das macht China, das machen Japan und andere Länder und da hat Europa eine kleine Ausnahme, wo wir diese Verpflichtungen nicht haben. Das ist die Freiheit, die Europa sich selber gönnt. Aber ich kann nur dafür plädieren, dass Europa auch mit europäischen Raketen starten sollte.

Nochmal zurück zu EarthCARE. Die Missionsdauer ist auf drei Jahre Minimum ausgelegt. Gibt es schon Ideen für Anschlussmissionen?

Es gibt jetzt keine Mission EarthCARE-2, die in Vorbereitung wäre. Erstens müssen wir sehen, wie die EarthCARE-1-Mission funktioniert und was die Daten liefern. Es ist auch bei Aeolus so gewesen, dass wir die Mission gestartet haben, wir haben die Daten verwendet. Wir haben sehr viel gelernt in der Eichung der Daten, in den Instrumenten. Wir haben einige Verbesserungsvorschläge für uns selber abgeleitet. Und bei Aeolus sind wir jetzt dabei, eine Mission vorzuschlagen, Aeolus-2, die eine ähnliche, aber sicher nicht die gleiche Mission ist. Wir werden viele Neuerungen, Verbesserungen einführen, weil wir aus der Mission Aeolus-1 sehr viel gelernt haben. Und bei EarthCARE wird es ähnlich sein. Wir müssen lernen, wie die Daten genutzt werden, aber auch wie die Instrumente funktionieren und ob es hier Verbesserungen gibt, die wir einbauen könnten. Wir brauchen diese Zeit, um dann zu entscheiden, wie weit eine Folgemission entwickelt werden könnte.

Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen FLUG REVUE eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.

Meist gelesen 1 Operation Rising Lion Warum Irans Luftwaffe keine Chance gegen Israel hat 2 55. Aérosalon in Le Bourget Erste Bilder aus Paris - Europas größte Luftfahrtmesse 3 Embraer-Militärtransporter So fliegt es sich in der KC-390 4 Triebwerke machen schlapp Russischen Mi-8-Hubschraubern geht die Puste aus 5 Erster Totalverlust einer Boeing 787 Air India-Absturz - viele offene Fragen