Vor 90 Jahren kam der zu seiner Zeit berühmte Luftfahrtpionier Paul Bäumer bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Mit ihm verlor die Fliegerei nicht nur einen herausragenden Piloten, sondern vor allem einen Vordenker des modernen Flugzeugbaus.
Die tragischen Ereignisse des 15. Juli 1927 sind gut dokumentiert, denn die Anwesenheit des berühmten Fliegers Paul Bäumer beherrschte die Schlagzeilen der Kopenhagener Tageszeitungen. Zahlreiche Schaulustige waren in den Vorort Kastrup gepilgert, um Paul Bäumer und sein Rekordflugzeug B IV „Sausewind“ am damals noch kleinen Flughafen der dänischen Hauptstadt live zu erleben. Die rot lackierte Rekordmaschine mit der Zulassung D-1158 faszinierte die Menge, deren hohe Erwartungen der Hamburger Flugpionier mit halsbrecherischen Flugmanövern seines „Sausewinds“ nicht enttäuschte.
Paul Bäumer und Verkaufsleiter Schröck von der Bäumer Aero GmbH waren von Hamburg nach Kopenhagen geflogen in der Hoffnung, einige Exemplare der B IV dänischen Flugbegeisterten zu verkaufen. Zudem plante Bäumer, die in Entwicklung befindliche Ro IX Rofix zu testen – den Jagdeinsitzer der in Kopenhagen ansässigen Rohrbach Metal Aeroplan Co. A/S, einem Tochterunternehmen der Berliner Rohrbach Metallflugzeugbau GmbH. Und so stieg Bäumer am späten Nachmittag mit der Rofix in die Höhe – beobachtet von den leitenden Rohrbach-Direktoren Erhardt und Koch, dem Piloten Landmann, dem Flughafendirektor Leo Sørensen und Schröck sowie weiteren Zuschauern. Am Vortag hatte er die Rofix bereits ausgiebig auf ihre Flugeigenschaften hin getestet. Nun stand die Prüfung ihrer bekannt schlechten Trudeleigenschaften auf Bäumers Testprogramm. So stieg er immer höher, bis ihn die Beobachter nur noch als kleinen Punkt am Himmel ausmachen konnten. Nach Turns und Loopings leitete Bäumer das erste Trudeln ein, das er zunächst in rund 3000 Metern erfolgreich beendete.
Doch ein zweiter Trudelversuch sollte ihm zum Verhängnis werden. Ungeachtet aller verzweifelter Bemühungen des Piloten ließ sich das Flugzeug nicht mehr bändigen und stürzte mit hoher Geschwindigkeit rund einen Kilometer vor der Küste in das Wasser des Øresunds. Geschockt verfolgten die Beobachter die Tragödie. Unmittelbar nach dem Aufprall, der sich an Land nach Augenzeugenberichten wie ein Kanonenschlag anhörte, versank das Flugzeugwrack in den Fluten und konnte erst am nächsten Morgen bei Tagesanbruch geborgen werden.
Mit Paul Bäumer verlor die Luftfahrt nicht nur einen tollkühnen Jagdflieger, dessen aviatische Karriere bereits im Ersten Weltkrieg mit der Auszeichnung „Pour le Mérite“ einen Höhepunkt fand. Vielmehr war es sein Gespür für technologischen Fortschritt und seine Menschenkenntnis, die ihn zum Mentor von begabten Konstrukteuren wie Walter und Siegfried Günter werden ließ. Schon zu Beginn der 1920er Jahre entdeckte Bäumer das Talent der späteren Heinkel-Chefkonstrukteure und holte die Zwillingsbrüder direkt von der Universität zu seiner 1922 am Hamburger Flughafen gegründeten Bäumer Aero GmbH. Mit ihrem gebündelten Know-how und dem Geld seines vermögenden Freundes und Kriegskameraden Harry von Bülow-Bothkamp gelang es Bäumer, das erste kompromisslos auf aerodynamische Perfektion ausgelegte Flugzeug seiner Zeit zu entwickeln: den „Sausewind“.
30.000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit
Die erste Bäumer B II „Sausewind“ startete Ende Mai 1925 zu ihrem Erstflug und wurde binnen kürzester Zeit zu einem der bekanntesten deutschen Flugzeugmuster. Kaum einen Flugtag in der Republik ließ Paul Bäumer aus, um sein rotes Rennflugzeug der staunenden Öffentlichkeit und Fachwelt zu präsentieren. Der offene, zweisitzige Tiefdecker hatte ein für damalige Verhältnisse revolutionäres Aussehen. Der stromlinienförmig gedrungene Rumpf und die saubere Oberfläche der elliptisch geformten Tragflächen verrieten, dass der „Sausewind“ – nomen est omen – für hohe Geschwindigkeiten konstruiert worden war.
Tatsächlich ging seine Entwicklung auf den von der Berliner Tageszeitung B.Z. initiierten Deutschen Rundflug 1925 zurück, der am 31. Mai des Jahres über eine Distanz von 5242 Kilometer startete. Paul Bäumer belegte den zweiten Platz in der Gruppe „B“ für Flugzeuge mit maximal 80 PS starken Motoren. Beim anschließenden Otto-Lilienthal-Wettbewerb, bei dem die technische Leistung der Flugzeuge von der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) bewertet wurde, war der „Sausewind“ 29 km/h schneller und flog 660 Meter höher als der nächstbeste Konkurrent. Dem „Sausewind“ B II folgte die nochmals schnellere B IV. Ausschließlich durch aerodynamische Finessen gelang es den Ingenieuren, die Höchstgeschwindigkeit der B IV, die ebenfalls mit dem 65-PS-Motor ausgestattet war, um nochmals 25 km/h auf maximal 210 km/h zu steigern.
Am 8. Juli 1927 verbesserte Paul Bäumer den Höhenweltrekord in der Kategorie „Einsitzer“ auf 6782 Meter. Und nur zwei Tage später stellte er den alten Geschwindigkeitsrekord in der Kategorie „Zweisitzer“ mit durchschnittlich 191,199 km/h ein. Seine herausragenden Flugleistungen hatten den „Sausewind“ über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht. Und so startete Bäumer nur wenige Tage nach den Rekorden zum schicksalhaften Flug Richtung Kopenhagen.
Nach Bäumers Tod stand Hamburg unter Schock, und Zehntausende verfolgten seine Beisetzung in einem Ehrengrab der Stadt. Nach diesem Schicksalsschlag setzte die Bäumer Aero GmbH zunächst ihre Arbeiten fort. Im September 1927 begann die Mannschaft mit dem Bau einer noch schnelleren, als B IVa bezeichneten Version des „Sausewinds“, mit der am 4. Oktober 1928 ein neuer Geschwindigkeitsweltrekord für Leichtflugzeuge mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 214,8 km/h aufgestellt wurde.
Das Fehlen Bäumers als treibende Kraft wirkte sich negativ auf die Geschäfte der Firma aus, und so wurde sie schließlich am 14. Oktober 1932 aufgelöst. Bereits 1931 hatte Ernst Heinkel die beiden kongenialen Günter-Zwillinge von Hamburg in sein Werk nach Rostock-Marienehe geholt. Dort, mit anderen Ressourcen ausgestattet, konnten Walter und Siegfried Günter nun in vollem Umfang ihr außergewöhnliches Talent beim Entwurf aerodynamisch ausgefeilter Flugzeuge entfalten. Bis zu seinem Unfalltod im Jahr 1937 stellten Walter Günter sowie sein Bruder Siegfried ihr ausgeprägtes Gespür für Aerodynamik und Ästhetik bei so legendären Mustern wie der He 70 und He 111 unter Beweis.
Lebenslauf: Paul Bäumer
11. Mai 1896: geboren in Duisburg
1915: Flugausbildung in der militärischen Flugschule Döberitz
1915: Feldpilotenprüfung in Berlin-Johannisthal
1915: Flugmeisterprüfung
September 1916: Einsatz bei einer Feldfliegerabteilung
Mai 1917: Versetzung zur Jasta 5
August 1917: Versetzung zur Jasta 2
März 1918: Beförderung zum Leutnant nach drei Abschüssen an einem Tag
2. November 1918: Auszeichnung mit dem „Pour le Mérite“-Orden nach insgesamt 43 anerkannten Luftsiegen
7. November 1922: Gründung der Bäumer Aero GmbH, Hamburg
Am 15. Juli 1927 in Kopenhagen gestorben
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 06/2017
Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen FLUG REVUE eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.