Ein V, das fliegt

Flying-V der TU Delft
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Ein V, das fliegt

© Joep van Oppen 5 Bilder

Nach Windkanaltests und Bodenerprobung in den Niederlanden war es kürzlich soweit: Ein Modell des Flying-V der Technischen Universität Delft hat seinen Erstflug in Deutschland absolviert. Auch wenn nicht alles glatt ging, denken die Forscher bereits darüber nach, wie künftige Langstreckenflugzeuge noch umweltfreundlicher werden können.

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"In der Luft, ich mache weiter", sagt der Pilot und PhD-Forscher Nando van Arnhem, nachdem das Flying-V abgehoben ist. Dem Team der TU-Delft ist in einem Video vom Erstflug die Erleichterung anzusehen. Berechnungen hatten im Vorfeld ergeben, dass die Rotation – der Moment, in dem das Bugfahrwerk abhebt – problematisch sein könnte. "Das Team hat das skalierte Flugmodell optimiert, um dieses Problem zu vermeiden, aber Probieren geht über Studieren. Man muss fliegen, um es sicher zu wissen", so Dr. Roelof Vos, Projektleiter des Flying-V an der TU Delft in dem Video. Der Erstflug fand mit Unterstützung von Airbus bereits Mitte Juli auf dem Fliegerhorst Faßberg in Niedersachsen statt, wie die TU Delft erst Anfang September mitteilte.

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Das Modell des futuristischen Nurflüglers hat eine Spannweite von rund drei Metern und ist 2,76 Meter lang. Es besteht aus Verbundwerkstoffen und wiegt 22,5 Kilogramm. Angetrieben wird es von zwei elektrischen Mantelpropellern mit je vier Kilowatt Leistung, gespeist von Lithium-Polymer-Akkus. Durch das V-förmige, aerodynamisch optimierte Design trägt der Rumpf zum Auftrieb bei, gleichzeitig wird der Widerstand verringert. Allerdings hat das Flying-V eine besondere, etwas unkonventionelle Eigenschaft: Bei Überschreiten eines bestimmten Anstellwinkels bäumt es sich auf und beschleunigt den Strömungsabriss.

Harte Landung

Der erste Testflug im Juli dauerte nur rund fünf Minuten, dann waren die Batterien fast leer. Insgesamt sind die Forscher und Ingenieure der TU Delft aber zufrieden mit dem Erstflug des Modells. Das Flugzeug sei sehr gut am Boden und in der Luft steuerbar, so Vos. "Es ist ein wichtiger Meilenstein für die Demonstration der flugphysikalischen Machbarkeit", sagt Daniel Reckzeh, Senior Manager R&T beim Projektpartner Airbus, in einem Webcast vom 1. September. Für eine solch unkonventionelle Flugzeugkonfiguration könne das aerodynamische Verhalten nicht einfach modelliert werden, vor allem nicht in einer so frühen Designphase. "Es ist auch ein sichtbarer Beweis für die Glaubwürdigkeit dieser Idee."

Allerdings lief bei der Landung nicht alles nach Plan. Das Modell setzte zuerst mit dem Bugrad auf, das dabei abbrach. "Es gab Schäden, aber definitiv nichts, worüber man sich zu große Sorgen machen sollte", so Vos. Der Flug habe bestätigt, dass das Design noch zu stark zur "Dutch Roll" neige, einem unerwünschten Verhalten, bei dem das Flugzeug um die Hoch- und Längsachse schwingt. Zudem liegt der Schwerpunkt des Flugzeugs noch etwas zu weit hinten. "Das bedeutet, dass der Pilot wirklich hart arbeiten musste, um gleichmäßig zu fliegen", erklärt Vos.

Nun werden die im Flug gesammelten Daten ausgewertet. Daraus wollen die Forscher ein aerodynamisches Software-Modell des Flying-V entwickeln, das für einen Flugsimulator und Verbesserungen der Flugeigenschaften verwendet werden kann. Das Team repariert das Modell und bereitet es für künftige Flugtests vor, die aber wahrscheinlich erst 2021 stattfinden werden. Die Projektpartner arbeiten nach Angaben der TU Delft an einem Forschungsplan für das Feintuning des Konzepts.

Neue Architektur für Wasserstoffantrieb?

Die V-Form könnte für künftige Langstreckenflieger geeignet sein. Ein Flying-V wäre kleiner, leichter und hätte eine geringe Anströmungsfläche bei gleicher Passagierkapazität wie die A350-900. Das würde nach Angaben der TU Delft den Kerosinverbrauch um rund 20 Prozent reduzieren. Die Kabine, der Frachtbereich und die Tanks wären in die Flügel integriert. "Das Flying-V stellt uns interessante Freiheitsgrade über die klassische Röhren-und-Flügel-Konfiguration hinaus zur Verfügung", so Reckzeh mit Blick auf künftige Antriebe und Energieträger wie beispielsweise flüssigen Wasserstoff.

Das Konzept des Flying-V geht auf eine Studienarbeit des Deutschen Justus Benad aus dem Jahr 2014 zurück. Der damalige Luft- und Raumfahrttechnikstudent und heutige Forschungsassistent an der TU Berlin entwickelte die anschließend patentierte Nurflügler-Variante im Rahmen eines Praktikums bei Airbus in Hamburg. Schon 2015 ließ Benad ein Modell aus der Hand fliegen, zunächst als Segler, später mit Motoren. Weiterverfolgt wird das fliegende V seit rund eineinhalb Jahren von der TU Delft, seit 2019 ist auch die niederländische Fluggesellschaft KLM als Projektpartner mit an Bord. Bis ein Nurflügler-Airliner in Dienst gestellt werden könnte, würde es aber noch viele Jahre dauern.

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