EASA gehen die 737 MAX-Updates nicht weit genug

Nachbesserungen gefordert
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EASA gehen die 737 MAX-Updates nicht weit genug

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Europas Luftfahrtbehörde macht ernst: Die EASA fordert von Boeing weitere Nachbesserungen an der 737 MAX, bevor sie einer Wiederzulassung dauerhaft grünes Licht erteilt. Aus Kanada sind ähnliche Töne zu hören. Mit Software-Updates allein sei es nicht getan.

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Gerade erst hat eine Boeing 737 MAX 7 eine Reihe von Testflügen unter den gestrengen Augen der US-Luftfahrtbehörde FAA absolviert. Die FAA wollte sich damit ein Bild darüber machen, wie die von Boeing vorgenommenen Änderungen an der Software des Flugsteuerungssystems MCAS, dessen Fehlfunktion mutmaßlich zu zwei Abstürzen geführt hat, sich künftig auf den Betrieb der 737 MAX auswirken. In Kürze sollen weitere Flugtests folgen – mit regulären Linienpiloten am Steuer. Doch kaum wähnt sich Boeing bereits auf der Zielgeraden für eine weltweite Wiederzulassung seines Krisenjets, da steht auch schon neuer Ärger ins Haus.

EASA beklagt fehlende Redundanz

Denn den Luftfahrtbehörden der EU und Kanadas, den entsprechenden Pendants der FAA also, gehen die Vorkehrungen, die Boeing bei der 737 MAX getroffen hat, nicht weit genug. So fordert die EASA einem Bericht der Seattle Times zufolge auch konstruktive Änderungen am Flugzeug, die das vorgenommene Software-Update fürs Flugsteuerungssystem flankieren sollen. Dabei geht es vor allem um die Anstellwinkelsensoren, die das MCAS im Flug mit Daten versorgen, und von denen die 737 MAX zwei besitzt. Nach Meinung der EASA ist das genau ein Sensor zu wenig, insbesondere deshalb, weil die Sensoren auch andere Systeme der Flugsteuerung mit Daten füttern. Die EASA befürchte, dass die Flugsteuerungscomputer bei Fehlfunktion eines Sensors nicht erkennen können, welcher Messwert korrekt ist, schreibt die Seattle Times.

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Wann die Boeing 737 MAX wieder Passagiere befördern darf, ist weiter unklar. Experten rechnen mit einer Wiederzulassung frühestens im September.

"Synthetic Airspeed" oder dritter Sensor

EASA-Sprecherin Janet Northcote verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass etwa der Airbus A320 aus diesem Grund über drei solcher "Angle-of-Attack"-Sensoren verfüge. Die EASA wünscht sich von Boeing ein ähnlich redundantes System auch in der 737 MAX. Sprecherin Northcote verwies jedoch darauf, dass dies "nicht unbedingt" ein dritter Sensor sein müsse. Die Seattle Times verweist in diesem Zusammenhang auf die "Synthetic Airspeed"-Anzeige, die Boeing in der 787 serienmäßig nutzt. Diese sammelt während des Fluges Daten aus verschiedensten Quellen und errechnet daraus ebenfalls die Fluglage des Jets. Sie erfüllt damit eine wichtige Kontrollfunktion. In der Vergangenheit sah sich Boeing immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, bei der 737 MAX aus Kostengründen bewusst auf ein solches System verzichtet zu haben, weil ansonsten ein separates Simulatortraining für MAX-Piloten notwendig geworden wäre.

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Verwirrende Warnmeldungen als Problem

Die EASA bewertet das Fehlen eines dritten Sensors oder einer entsprechenden Alternativlösung nicht zwangsläufig als sicherheitskritisch, wie die Seattle Times Janet Northcote weiter zitiert. In kritischen Fällen könnten fehlerhafte Sensorwerte aber sehr wohl "ein großes Problem" darstellen. Des Weiteren fordert Europas Luftfahrtbehörde eine Überarbeitung der Warn- und Alarmsignale im 737 MAX-Cockpit. Bei der Untersuchung der beiden Abstürze habe man festgestellt, "dass die Piloten auf beiden Absturzflügen durch eine Kakophonie gleichzeitiger Warnmeldungen verwirrt wurden".

Die kanadische Behörde Transport Canada störte sich derweil an der "Stick Shaker"-Warnung vor einem Strömungsabriss, die sich nicht abschalten ließe – auch dann nicht, wenn sie eindeutig auf fehlerhaften Daten beruhe. Einzige Möglichkeit, den Stick Shaker zu deaktivieren, ist derzeit offenbar ein Leistungsschalter unter der Deckenverkleidung des Cockpits. Dieser sei allerdings eher für Wartungszwecke gedacht denn für die Betätigung im Flug, so ein namentlich nicht genannter FAA-Sicherheitsingenieur. Als Übergangslösung fordert Transport Canada dennoch, im Pilotenhandbuch explizit auf diese Möglichkeit hinzuweisen – solange, bis Boeing eine bessere Alternative präsentiert.

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Bis zur Zulassung der 737 MAX 10, hier beim Roll-out im November 2019, sollen die geforderten Änderungen umgesetzt werden.

Änderungen erst nach Wiederzulassung

Wie die Seattle Times weiter schreibt, hat die FAA die Bedenken der beiden ausländischen Luftfahrtbehörden an Boeing weitergeleitet, mit dem Hinweis, diese auch selbst zu erörtern. Boeing soll bereits an Lösungen arbeiten. Für eine Wiederzulassung der 737 MAX scheinen die drei Probleme – zumindest vorerst – jedoch nicht entscheidend zu sein. Darauf haben sich FAA, EASA und Transport Canada offenbar geeinigt. Gut unterrichtete Kreise gehen jedoch davon aus, dass Boeing nach Aufhebung des Groundings sämtliche 737 MAX rasch entsprechend nachrüsten müsse. Spätestens zur Zulassung der größten MAX-Version, der 737 MAX 10, soll es demnach soweit sein. Diese wird für Ende 2021 erwartet.

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