Mit Pegasus Airlines kommt eine türkische Niedrigpreisairline mit einem ehrgeizigen Wachstumskonzept vergleichsweise gut durch die Wirren der Covid-Pandemie. Was macht den Erfolg des Istanbuler Carriers aus?
"Die größte Herausforderung in einer Pandemie-Zeit ist, und das gilt auch für alle anderen Unternehmen und Branchen, die Liquiditätssteuerung", erläutert Güliz Öztürk, Chief Commercial Officer von Pegasus Airlines. Die türkische Niedrigpreisairline, vollständiger Name Pegasus Hava Tasimaciligi A.S. (Aktiengesellschaft), ist so etwas wie der Shootingstar in ihrem Marktsegment.
Meistverkehrende Lowcost-Airline am europäischen Himmel
Pegasus war bei Eurocontrol im Frühjahr 2021 mit Abstand die meistverkehrende Lowcost-Airline am europäischen Himmel. Selbst beim Gesamtverkehr aller Airlines in Europa lag Pegasus nach aktueller Eurocontrol-Messung auf Platz vier – und damit gleich hinter Lufthansa. Auffallend ist auch, dass Pegasus derzeit nur rund ein Drittel ihrer Flüge ausfallen lässt, während die Konkurrenten massiv streichen, oft zwei Drittel und mehr.
Kostensenken in der Flaute
"Wegen der Reisebeschränkungen können wir natürlich im Flugbetrieb nicht mehr soviel Geld generieren wie üblich. Deswegen haben wir durch Kostensenkungen, neu verhandelte Verträge mit Zulieferern und das Aufschieben nicht benötigter Investitionen den Mittelabfluss begrenzt", sagt die studierte Psychologin. Sie begann ihre steile Karriere 1990 in der Marketingabteilung von Turkish Airlines und arbeitet, nach einem Reisekonzern, seit 2005 bei Pegasus, wo sie bis zur kaufmännischen Geschäftsführerin aufstieg. Sie erwies sich als erfolgreiche Expertin für Personal, Kooperationen, Kundenbindung und Digitalisierung.
Pegasus wechselt von einer ursprünglich reinen 737-800-Flotte bis Mitte der Dekade komplett zur A320neo-Familie.
Effiziente Flugzeugmuster
"Unsere ‚4C-Strategie‘ optimiert alle Kosten: 1. Cask (Kosten pro angebotenem Sitzkilometer), 2. Cash (Mittelbestand), 3. Capacity (Kapazität), 4. Customer (Kunde). Wir planen unsere Flotte so, dass wir die effizientesten Flugzeugmuster betreiben. Mit dem Leap-1A von CFM verbrauchen wir 15 Prozent weniger als die Vorläufer, fliegen leiser und sauberer", schwärmt die Geschäftsführerin von ihren neuesten Airbus A320neo.
Größter Auftrag der türkischen Airlinegeschichte
Schon im Dezember 2012 hatte Pegasus nicht weniger als 100 neue Flugzeuge der neo-Familie bei Airbus bestellt. Mit einem damaligen Listenwert von zwölf Milliarden Dollar war es der bis dahin größte Auftrag der türkischen Airlinegeschichte: 57 A320neo und 43 A321neo, davon 25 als Optionen. Bis 2025 sollen 50 neue Flugzeuge geliefert werden, so dass die bisherige Flotte von Boeing 737-800, aktuell durchschnittlich nur 5,0 Jahre alt und damit eine der jüngsten in Europa, dann durch eine reine Airbus-Flotte ersetzt werden kann.
Nach-Corona-Markterholung
"Gegenüber anderen europäischen Niedrigpreisairlines hatten wir den Vorteil, dass wir auch 36 Inlandsziele bedienen. Das hat uns geholfen, denn dieser Markt hat sich schon 2020 wieder deutlich erholt", blickt Öztürk zurück. "Wir erwarten, dass wir 2021 im Inlandsverkehr wieder insgesamt die Kapazität von 2019 anbieten werden, das ist der Schlüssel, um auch in schwierigen Zeiten robust zu bleiben. Im internationalen Verkehr rechnen wir damit, dass wir 2021 auf 65 bis 70 Prozent der Kapazität von 2019 kommen werden, unserem bisher besten Jahr, betrieblich und finanziell. Wenn wir also von ‚wieder auf 2019er-Niveau kommen‘ reden, heißt das schon was für uns." Auch weil die Nach-Corona-Markterholung auf den von Pegasus bedienten Kurz- und Mittelstrecken zuerst beginnen werde, rechne man mit einer frühen Erholung.
Digitalisierungsprogramm
Seit 2018 senkt Pegasus mit einem Digitalisierungsprogramm ihre Kosten. Die gesamte Reise soll aus einem Guss digital verwaltet werden. Auch seitens der Kunden, die Pegasus gezielt über digitale Kanäle und nicht mehr mit herkömmlichen Marketingkampagnen umwirbt. Betrieblich sieht die Geschäftsführerin eine intensive Flugzeugnutzung rund um die Uhr sowie hohe Auslastungen als Schlüssel für den Erfolg: "Vor der Pandemie, 2019, lag die Auslastung in unserem internationalen Linienverkehr bei 83,9 Prozent, im Inland sogar bei 91,7 Prozent", berichtet Öztürk. "Der Direktverkehr zwischen wichtigen Regionalstädten und mehr Umsteigeverkehr an unserem Drehkreuz Istanbul-Sabiha Gökçen hat dabei entscheidend geholfen. Deshalb bauen wir auch Drehkreuze in Izmir, Ankara und Antalya auf."
Pegasus setzt auf Standardrumpfflugzeuge und künftig nur die A320neo-Familie. Sie verbindet Ziele zwischen Marokko und Pakistan mit der Türkei.
Neue Märkte in Asien
"Die größte Wachstumsquelle sind aber unsere neuen Märkte, die wir gerade erst erobern: Russland, Nahost, Asien, Afrika, der Kaukasus und Osteuropa. Hier gibt es erst wenige Niedrigpreisflugangebote, die Visaregeln werden flexibel gehandhabt und der Handel der Türkei mit diesen Regionen befindet sich im Aufschwung", sagt Öztürk. Auch praktisch sei manches einfacher, so gebe es im Nahen Osten und Asien mehr Flughäfen ohne Nachtflugverbot, was die Flugzeugausnutzung erhöhe und mehr Kapazität ohne zusätzliche Flugzeuge schaffe. Das helfe beim Kostensenken.
Deutscher Markt legt zu
Die gelb-rot-weißen Pegasus-Jets sind auch in Deutschland schon längst ein vertrautes Bild. Seit 2007 bedient Pegasus deutsche Ziele. Alleine zwischen Berlin und Istanbul wurden seit 2009 über 1,3 Millionen Passagiere befördert. 2019 legte der Verkehr hier um 27,6 Prozent auf 241 000 Fluggäste zu. Aktuell steuert Pegasus neun deutsche Ziele an: Neben Berlin sind dies Köln und Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, München, Nürnberg und Stuttgart. Mit Umsteigen erreicht man Anschlussverbindungen zu 36 Zielen in der Türkei und 44 im Ausland. Zu den populärsten internationalen Umsteigezielen zählen laut Pegasus: Beirut, Tel Aviv, Hurghada, Sharm El Sheikh, Teheran und Dubai sowie Antalya, Dalaman und Bodrum innerhalb der Türkei.
Nach der Schließung des Terminals 5 in Schönefeld wird Pegasus jetzt am BER-Hauptgebäude im Süden abgefertigt.
Transit Desks
Beim Umsteigen helfen "Transit Desks" in Istanbul und– beim etwaigen Verpassen eines Anschlusses– das kostenlose Umbuchen auf den nächsten verfügbaren Flug. Die übliche Pünktlichkeitsquote liegt aber hoch und wird sogar stolz aktuell und online präsentiert. Für die Sommerferiensaison 2021 plante Pegasus bei Redaktionsschluss verdichteten Deutschlandverkehr mit täglichen Antalya-Flügen ab Köln, Düsseldorf, Stuttgart und Hannover, viermal wöchentlich ab Hamburg, dreimal wöchentlich ab Berlin, Leipzig, Nürnberg sowie zweimal wöchentlich ab Frankfurt, München und Paderborn. Saisonal wird auch Bodrum ab Köln zweimal pro Woche bedient.
Pegasus Pilot Training Program
Unterdessen kümmert man sich bereits um Piloten für die neuen Jets und bietet türkischen Staatsbürgern im "Pegasus Pilot Training Program" eine Ausbildung an, nach der "europäische" Gehälter locken, so Pegasus. Dabei sollen Frauen und Bewerber aus ethnischen Minderheiten gefördert werden. Seit diesem Jahr öffnete sich Pegasus auch für auswärtige Interessenten. Dabei winken, wie bei vielen Niedrigpreisairlines, relativ frühe Beförderungen zum Kapitän für geeignete Kandidaten.
Codeshare-Abkommen
Sicherheitstechnisch hat Pegasus keine ganz unbefleckte Vergangenheit. Mehrere Zwischenfälle mit insgesamt vier Todesopfern, zuletzt 2020, stehen in der Bilanz. Dass sich die Lage seitdem deutlich gebessert hat, beweist aber das aktuelle IATA-Sicherheitsaudit nach internationalen Prüfverfahren, das Pegasus gerade bis Ende 2022 bestanden hat. Dieses positive Urteil teilen auch renommierte Airlines: Unter den Partnern aus neun Codeshare-Abkommen für Langstreckenverbindungen sind KLM, Flynas, Alitalia, Qatar Airways, Pakistan Airlines und Delta.
„Wir behandeln unsere Passagiere wirklich als Gäste.“ Güliz Öztürk, CCO Pegasus Airlines
Daten Pegasus Airlines
Größte Lowcost-Airline der Türkei
IATA-Code: PC
ICAO-Code: PGT
Rufzeichen: Sunturk
Gründung: 1990 mit zwei Flugzeugen
Gründungsteilhaber: Aer Lingus Group, Silkar Yatırım ve Insaat Organizasyonu A.S. und Net Holding A.S. Übernahme 2005 durch private Unternehmensgruppe Esas Holding A.S.
Heutige Eigentümer: Esas 65,6 Prozent, Aktien in Streubesitz: 34,5 Prozent, Rest: Familie Sevket Sabanci
Flotte: (Ende Dezember 2020) Boeing 737-800: 34; Airbus A320ceo: 12; Airbus A320neo: 40; Airbus A321neo: 7; Total: 93
Bestellungen: A320neo: 42; A321neo: 58 durchschnittliche Sitze pro Flugzeug heute: 190; durchschnittliche Sitze pro Flugzeug 2025: 215
Umsatz 2020: 630 Mio. Euro
Passagiere 2020: 14,7 Mio.
Verlust 2020: 211 Mio. Euro
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