Plant Lufthansa rasanten Flottenabbau? Bei der Kranich-Airline droht neuer Streit mit den Piloten

Warum die „tote“ Germanwings wieder wichtig wird
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Plant Lufthansa rasanten Flottenabbau?

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Bei der Kranich-Airline droht ein neuer Streit mit den Piloten aufgrund einer drohenden, massiven Flottenverkleinerung. Ein Schiedsverfahren soll Klarheit bringen.

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Zwischen Lufthansa und Piloten reißen alte Gräben auf. Die Piloten der Kerngesellschaften ziehen vor eine Schiedsstelle – sie werfen Lufthansa eine "Missachtung vertraglicher Zusagen" bei der Bereederung vor. Lufthansa widerspricht. Die Sache hat viel mit grauer Tariftechnik zu tun – und mit Germanwings.

Die Meldung platzte in den Freitag: Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit strengt ein Schiedsverfahren gegen Lufthansa an. Eine unabhängige Stelle soll klären, ob Lufthansa beim Abbau der nach Kerntarif bereederten Flotte überzieht. "Lufthansa hält sich nicht an ihre vertraglichen Zusagen", sagt Cockpit-Präsident Andreas Pinheiro. "Selbstverständlich halten wir uns an alle geltenden Vereinbarungen", widerspricht Lufthansa gegenüber aero.de.

Garantien verletzt?

Dreh- und Angelpunkt dieses Meinungsstreits ist die Perspektivvereinbarung (PPV). In der 2017 geschlossenen Tarifklammer garantierte Lufthansa den Piloten mindestens 325 Flugzeuge für den Kernbereich. Im Gegenzug gab Cockpit ein Produktivitätsversprechen – 15 Prozent über sieben Jahre. Nur vier Jahre später, 2021, zog sich Lufthansa aus der PPV zurück. "Die PPV-Flottenzusage passt weder zur aktuellen Krise, noch zu den mittelfristigen Rahmenbedingungen", hatte der Konzern die Kündigung, wirksam Mitte 2022, in einem internen Schreiben verteidigt.

Nach einer zähen Tarifrunde gelten zwischen Lufthansa und Cockpit seit 2023 neue Verträge: Der Vergütungstarifvertrag sieht bis zum Ablaufdatum am 31. Dezember 2026 Tabellensteigerungen um 18 Prozent vor. Der neue Manteltarifvertrag, der die Dienstbedingungen regelt, gilt sogar bis Ende 2027. Das heiße Eisen PPV-Flottenzusage fassten die Verhandler nicht an. Die PPV-Flottenzusage war recht einfach modelliert: 103 Lang- und 174 Kurzstreckenflugzeuge bei Lufthansa, zehn Frachter bei Lufthansa Cargo und 38 Maschinen bei Germanwings – macht in Summe: 325 Maschinen.

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"Abschmelzungsphase" bis 2027

Durch die Kündigung der PPV fallen Lufthansa und Cockpit stufenweise auf die Basis des Konzerntarifvertrags (KTV) zurück. Die Flottenzusage löst sich nicht in Luft auf, Lufthansa kann aber einen Sinkflug einleiten. Der intern auch "Abschmelzungsphase" genannte Prozess sieht einen Abbau von 23 Kontflugzeugen in grob gleichen Schritten zwischen 2022 und 2027 vor. "2027 sind wir wieder genau dort, wo wir 2017 losgelaufen sind, nämlich im KTV", heißt es in einem internen Cockpit-Schreiben, das aero.de vorliegt. Laut Cockpit blutet die Kernflotte auf dem Weg dahin allerdings schneller – und mehr – aus als nach Lesart der Gewerkschaft vereinbart.

Lufthansa stützt dies laut Kreisen auf Tarifmechanismen, die aus Konzernsicht mehr Spielraum für interne Flottenverlegungen zulassen: Über ein Abfindungsprogramm hatten 389 Konzernpiloten Lufthansa in der Krise verlassen – rund 250 mehr als vorgesehen. Nach KTV-Logik bedingen weniger KTV-Piloten auch weniger KTV-Flugzeuge. Ein früherer Cockpit-Präsident hatte bereits Ende 2021 intern auf einen breiten Korridor hingewiesen, in dem sich Lufthansa durch eine überhohe Inanspruchnahme des Freiwilligenprogramms beim Flottenabbau bewegen kann: Neben der zähen, schrittweise Reduktion um 23 Flugzeuge sei ein Abbau "um bis zu 72 Flugzeuge" auf einen Schlag möglich. Der Lufthansa-Exit von 389 Pilotinnen und Piloten im Sommer 2022 übersetzt sich nach Lufthansa-Crewschlüssel in 33 Kurzstrecken- oder 20 Langstreckenflugzeuge, um die Lufthansa kurzfristig abschmelzen darf.

In dem Rundschreiben wirft Cockpit Lufthansa aber einen Rechentrick vor, der zu einem "doppelten Abschmelzen" führe – und den KTV-Personalkörper 16 weitere Flugzeuge kosten könnte. "Es wurden offensichtlich Flugzeuge bei der DLH (Lufthansa, Red.) aus der Zusage herausgerechnet, weil Kollegen der GWI (Germanwings, Red.) ausgeschieden sind", hält das Schreiben fest. "Bei der GWI seien 195,38 FTEs durch Ausscheiden ermittelt worden, was ein Äquivalent von gerundet 16 Flugzeugen ergeben würde."

Germanwings als AOC-Hülle

Das erscheint Cockpit "widersinnig" – schließlich fliegen die meisten Germanwings-Ausscheider inzwischen Lufthansa-Gerät. "Dadurch kann Lufthansa an zwei Stellen abgeschmolzen werden: Einmal bei der Lufthansa über das Freiwilligenprogramm und einmal bei der GWI." Denn zumindest als AOC-Hülle gibt es Germanwings immer noch – ein Flugzeug ist formal darin registriert. Den Flugbetrieb hat Germanwings im März 2020 zwar eingestellt. Für Lufthansa bleibt die lebende Tote aber offenbar strategisch wichtig – wenn der Konzern Germanwings abmeldet, müsste Lufthansa nach Tarifregeln die eigene Kurzstreckenflotte auf 197 Flugzeuge sogar über die PPV-Zusage hinaus aufstocken, heißt es von Cockpit. Mit Germanwings in der Gleichung kann der Konzern die Kurzstreckenflotte bei Lufthansa hingegen bis auf 139 Kurzstreckenflugzeuge abschmelzen – und die gesamte Kernflotte von 325 bis auf 274 Maschinen.

Lufthansa verlegt A320

Lufthansa macht davon Gebrauch. In der Mainline herrscht aktuell Schlechtwetter – nach neun Monaten weist die Passagiersparte mit dem Kranich am Heck 20 Millionen Euro Betriebsverlust aus. Der Mainline fehlen Geschäftsreisende, im Winter kann Lufthansa die Europaflotte bestenfalls mäßig auslasten. Ende Juli 2024 hatte Lufthansa deswegen angekündigt, die A320-Flotte bei Lufthansa netto um 15 Flugzeuge zu verkleinern. Die Maschinen sollen die jungen Konzerntöchter Discover Airlines und City Airlines verstärken, die billiger produzieren. "Die A320-Flotte bei der klassischen Lufthansa wird schrumpfen", hatte Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann den Kurs unterstrichen.

Cockpit ist laut einem Sprecher weiter an einer Lösung mit Lufthansa interessiert. Das Verfahren soll aber eine wichtige Vorfrage klären: "Aus unserer Sicht können Germanwingsler nicht zur Reduktion der Flugzeugzusage herangezogen werden", kreiste Cockpit die Fragestellung für das Schiedsgericht ein.

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