Das größte Passagierflugzeug der Welt steht vor einer unsicheren Zukunft. Die Corona-Krise scheint das Ende des Airbus A380 ein gutes Stück näher gebracht zu haben. Doch es gibt Airlines, bei denen der Riesenjet auch in Zukunft wichtiger Teil der Flotte bleiben dürfte.
Die nackten Zahlen sind ernüchternd – nicht nur für A380-Fans. Weniger als 20 der gut 240 ausgelieferten Exemplare des Superjumbos waren in der vergangenen Woche aktiv. Weltweit. Der weit überwiegende Teil ist entweder vorübergehend außer Gefecht gesetzt oder sogar ganz ausgemustert, so wie die neun A380 der Air France. Frankreichs Flag Carrier war Ende Juni der erste A380-Betreiber, der seine Teilflotte endgültig aus dem Dienst nahm. Und Beobachter fragen sich seither mit skeptischem Blick, welche Airline wohl die nächste sein wird.
Singapore Airlines will einen Weiterbetrieb der A380-Flotte sorgfältig prüfen. Lufthansa ebenfalls.
Schlechte Karten bei Lufthansa und Qatar
Ob zum Beispiel die A380 der Lufthansa je wieder Passagiere befördern, ist ungewisser denn je. Offiziell möchte die Kranich-Fluglinie zwar wenigstens acht der 14 aktuell eingelagerten Flugzeuge wieder ausmotten, sobald die Nachfrage nach Flugreisen einen solchen Schritt rechtfertigt. Doch nach Rekordverlusten im zweiten Quartal 2020 steht auch dieses Vorhaben gefährlich auf der Kippe. Auf der jüngsten Bilanzpressekonferenz kündigte Lufthansa-Konzernchef Spohr eine eingehende Untersuchung an, welche Jets man zum Kostensparen besser aussortieren sollte. Dass hierbei besonders die Langstrecke, und hier wiederum deren größtes Mitglied, die A380, im Fokus steht, ist ein offenes Geheimnis. Das Schicksal der A380 mit dem Kranich am Heck könnte sich schon im Herbst endgültig entscheiden. Singapore Airlines prüft nach eigenen Angaben ebenfalls eingehend, welche Zukunft man noch für die 19 A380 sieht. Bei Qatar Airways (zehn A380) ist der Superjumbo sowieso längst in Ungnade gefallen. Ein Einsatz des Vierstrahlers sei auf absehbare Zeit "wirtschaftlich und ökologisch unvertretbar", so Qatar-Chef Al Baker, der sich schon vor Corona als scharfer Kritiker der A380 profiliert hat.
Emirates hält die Fahne hoch
Insgesamt, so schätzt der Experte Nico Buchholz, dürfte die Krise den Bestand an A380 stark dezimieren. "Mindestens hundert A380 werden am Boden bleiben", so der frühere Lufthansa-Manager vergangene Woche in einem Interview. Allerdings wird es auch in Zukunft Airlines geben, die nur sehr ungern auf die Dienste ihrer A380-Flotte verzichten würden. Dazu zählt natürlich Emirates, mit 115 A380 größter Betreiber des Flugzeugs. Der Carrier aus Dubai ist derzeit eine von zwei Airlines, die die A380 schon wieder im Liniendienst einsetzt. Geht es nach Emirates-Chef Tim Clark, sollen möglichst alle 115 Jets eines Tages wieder für seine Airline abheben. Dass das der Fall sein wird, darf bezweifelt werden, dennoch wird die A380 bei Emirates mit Sicherheit noch eine ganze Weile fliegen.
Etihads Bekenntnis zur A380
Mit Etihad bekannte sich im August außerdem eine zweite Golf-Airline zum Superjumbo. Etihads Amerika-Chef Vincent Frascogna erklärte kürzlich im Gespräch mit dem Airwaysmag, man wolle alle zehn A380 wieder in Betrieb nehmen. Es gebe "keine Diskussionen" über ein dauerhaftes Grounding. Der Airbus A380 sei "nach wie vor ein wichtiger Teil der Etihad-Flotte" und eigne sich gut für diverse Schlüsselrouten, so Frascogna. Diese wolle man schrittweise wieder einführen, "sobald die internationalen Beschränkungen aufgehoben sind und der weltweite Reiseverkehr wieder zunimmt."
Die A380 von British Airways lagern derzeit im französischen Chateauroux, werden aber weiter fit gehalten und dürften über kurz oder lang zurück in den Dienst gehen.
British Airways hält seine A380 fit
Kein klares Statement zur Zukunft der A380 kam bislang von British Airways. Die Briten besitzen zwölf A380, von denen zehn derzeit im französischen Chateauroux geparkt sind. Zwei weitere befinden sich zur Wartung in Manila. British Airways hat wegen Corona bereits die Boeing 747 aussortiert, für die A380 gibt es aber berechtigte Hoffnung. Denn angesichts der knappen Slots am BA-Hauptflughafen London-Heathrow und der dortigen Absage an eine dritte Runway ist es sehr wahrscheinlich, dass die Airline künftig weiter auf die A380 setzt. Dafür spricht, dass in den vergangenen Wochen mehrere A380 aus ihrem Lager in Frankreich für Wartungs-Checks nach London geflogen sind. Zwar kehrten sie anschließend nach Chateauroux zurück, dennoch unterstreichen die Flüge, dass BA die sich weiter dafür bereithält, die A380 zurückzuholen, sobald sich auf der Langstrecke eine Erholung abzeichnet.
Gute Chancen in Ostasien
Weitere aussichtsreiche Kandidaten auf eine A380-Rückkehr finden sich in Asien. So hat ANA aus Japan noch immer die Absicht, ihre (bald) drei Superjumbos für Urlaubsflüge von Tokio nach Hawaii einzusetzen. Auch wenn die Japaner die Auslieferung der dritten "fliegenden Schildkröte" vom Frühjahr in den Herbst verschoben haben und es wegen der Einreisebeschränkungen vorerst keinerlei Flüge dieser Art geben wird, scheint die A380 für diese Rolle dauerhaft gesetzt – schließlich sind die dafür beschafften Flugzeuge brandneu. China Southern Airlines setzt seine fünf A380 bereits jetzt wieder regelmäßig ein und wird das sicher auch weiter tun. In Südkorea stehen derweil vor allem bei Korean Air die Vorzeichen für eine Rückkehr des Riesenvogels gut. Ob dagegen die in der Wüste Kaliforniens geparkten A380 von Qantas nach der verordneten Zwangspause von drei Jahren wieder an den Himmel zurückkehren, scheint weit weniger klar.
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