Nach wochenlanger Pause nahm Airbus im Juli die Flugerprobung mit der A320neo wieder auf. Der erste Auslieferungstermin, noch vor Jahresende, soll gehalten werden, obwohl die Triebwerke modifiziert werden mussten.
Trotz der in Frankreich „heiligen“ Sommerferien und nur einen Tag nach dem französischen Nationalfeiertag hob der Airbus A320neo-Prototyp F-WNEW, ein Flugzeug mit CFM-Triebwerken, am 15. Juli endlich wieder zu einem Testflug ab. Damit war, erstmals im gesamten Monat Juli, wieder ein Airbus A320neo der neuen Generation in der Luft. Die beiden anderen A320neo, beide mit Getriebefan-Triebwerken von Pratt & Whitney, stehen dagegen schon seit Monaten am Boden und waren in den Monaten Mai, Juni und Juli bis Redaktionsschluss noch nicht wieder zu Testflügen unterwegs.
„Wir liegen im Plan, um mit den A320neo-Auslieferungen 2015 zu beginnen“, bekräftigt A320neo-Programmsprecherin Marie Caujolle auf Nachfrage der FLUG REVUE, Ende Juli. „Die A320neo mit CFM-Triebwerken fliegt wie vorgesehen und hat seit dem 19. Mai 2015 bei über 40 Flügen gut 130 Flugstunden geschafft, was in Anbetracht der kurzen Zeitspanne einen Rekordwert darstellt.“
Die beiden A320 mit PW1110G-JM-Triebwerken warten dagegen auf Austauschantriebe. Ende Mai hatte Airbus-Programmvorstand Didier Evrard nur sehr allgemein eingeräumt, dass diese Triebwerke ein „Reifeproblem“ an einer Dichtung in der Nähe des Hochdruckkompressors aufwiesen. Einige Produktionslose zeigten dadurch „leichte Abweichungen“ im Betrieb. Man arbeite mit dem Triebwerkshersteller zusammen und habe vorläufig die Flugtests mit diesem Triebwerk gestoppt. Eine Lösung erwarte er binnen weniger Tage, hoffte Evrard Ende Mai.
Verbesserte Getriebefans sind schon unterwegs
„Die verbesserten Triebwerke sind bereits von PW versandt worden, und sie werden jetzt in die Triebwerksgondeln integriert“, sagt Marie Caujolle. „Ende Juli werden sie bei Airbus eintreffen, dann montieren wir sie und nehmen die Flugtests so schnell wie möglich wieder auf.“ Bisher seien die beiden PW-Testflugzeuge, F-WNEO und D-AVVA, bei über 170 Flügen gut 540 Stunden in der Luft gewesen.
Im Flugprogramm habe Airbus bereits einige wichtige Meilensteine geschafft: So habe die A320neo am 30. April in Istres ihre VMU-Tests absolviert. Bei diesen Starttests wird der Bug absichtlich schon bei viel zu niedriger Geschwindigkeit vom Boden genommen, das Flugzeugheck schleift dabei auf einem eigens installierten Hecksporn funkensprühend über die Piste. Anschließend muss die A320neo abheben und sich aus dieser gefährlichen Langsamfahrt, bei stark erhöhtem Widerstand wegen des extrem erhöhten Anstellwinkels und bei verminderter Ruderwirkung wegen des Langsamflugs, erst einmal in den normalen Flugbereich „zurückkämpfen“ und Fahrt gewinnen.
Schon vom 8. bis 17. April war die A320neo (D-AVVA) auf dem spanischen Luftwaffenstützpunkt Morón de la Frontera, wo sie Außenlärmtests absolvierte. Kurz davor konnte, diesmal nahe Toulouse, auch das Kapitel „Flattertests“ erfolgreich abgeschlossen werden. Bei diesen Versuchen geht das Flugzeug mit vollem Schub in einen Sinkflug, um seine absolute Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Sie liegt weit oberhalb der späteren Betriebsgrenzen. Hier wird praktisch nachgewiesen, dass bei extrem schnellem Flug keinerlei zerstörerische Flatterschwingungen auftreten können. Bei Hochgeschwindigkeit fangen die Flügelspitzen erst an, leicht zu wippen, und könnten sich dann schlimmstenfalls zu immer stärkeren Schwingungen aufschaukeln, bis der Flügel bricht.
Diese dramatischen Höhepunkte liegen bereits hinter den Test-Besatzungen. Für die A320 mit CFM-Triebwerken schien Ende Juli, mit typischerweise gleich zwei Testflügen pro Tag, schon wieder Routine eingekehrt zu sein.
Insgesamt muss der Hersteller sechs Flugzeugversionen testen und zulassen: Die A320neo mit beiden Triebwerksvarianten (insgesamt vier Flugzeuge, jeweils einmal mit schwerer und einmal mit leichter Testausrüstung), die A321neo und die A319neo jeweils mit beiden Triebwerksvarianten. Neben diesen acht Testflugzeugen wurden für die Erprobung der Sharklets, der nach oben gebogenen Flügelenden, bereits vorab 250 Flugstunden mit herkömmlichen A320ceo absolviert. Auch ein A380-Prototyp half als fliegender Teststand bei der Erprobung der hinteren Triebwerkspylone der A320neo.
Mehr Zuladung bei weniger Startstrecke
Grafik: FLUG REVUE
Für die A320neo wagte Airbus einen ehrgeizig knappen Entwicklungszeitplan. Es dauerte weniger als vier Jahre vom Programmstart bis zum Erstflug, und binnen 36 Monaten vom Bau der ersten neo an will der Hersteller zu Fertigungsraten von 46 Flugzeugen pro Monat kommen. Dank ihrer verbesserten Aerodynamik, stärkerer Triebwerke und Bremsen sowie einer optimierten Flugsteuerung soll die A320neo von extrem kurzen Pisten wie auf Rios Flughafen Santos Dumont mit rund 35 Passagieren zusätzlich gegenüber herkömmlichen A320 starten können. Für die größere Version, A321neo, verspricht Airbus für beim Betrieb im extrem heißen Wüstenklima in Phoenix, USA, rund 25 zusätzliche Fluggäste an Bord. Dabei werde die neue Generation 15 EPNdB unter den Lärmgrenzen von Chapter 4 liegen.
Während Airbus die ersten beiden A320neo in Toulouse auf die Rückkehr ins Flugprogramm vorbereitet, werden in Hamburg schon die ersten beiden A321neo endmontiert. D-AVXA, Werknummer MSN6673, ist bereits lackiert und erhält gerade ihre PW-Triebwerke. Danach folgt ihre Schwester D-AVXB, MSN6839, mit CFM-Antrieben.
FLUG REVUE Ausgabe 09/2015
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