Revolution im Flugzeugbau - Metallbauteile aus dem Drucker

Revolution im Flugzeugbau
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Metallbauteile aus dem Drucker für die Luftfahrt

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Additiv gefertigte Metallkomponenten halten immer mehr Einzug in die Luftfahrt. Es geht aber keineswegs so schnell wie beim 3D-Druck mit Kunststoffen.

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Rohrkrümmer für den Airbus A400M, Einspritzdüsen des LEAP-Triebwerks, Sensorhalterungen für das Bugfahrwerk der A350: Es gibt immer mehr Beispiele für 3D-gedruckte Metallteile, die in Flugzeugen und Triebwerken eingesetzt werden. Auch die Komplexität und Belastung der Teile nimmt zu. Mittlerweile sind zum Beispiel sogar die Schaufeln der Niederdruckturbine des GE9X-Triebwerks, wo Temperaturen um 500 bis 600 Grad Celsius herrschen, additiv aus Titanaluminid hergestellt.

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In einem 3D-Drucker werden Bauteile Schicht für Schicht aus Metallpulver gefertigt.

Schrittweise Entwicklung

Dennoch geht es in der Luftfahrt in Sachen 3D-Druck von Metallen nicht ganz so schnell wie beispielsweise in der Raumfahrt. "Dafür gibt es einen einfachen Grund, und der hat mit Sicherheit zu tun", sagt Erik de Zeeuw, Market Manager Aerospace beim belgischen Unternehmen Materialise, das 3D-Drucklösungen anbietet. Bei der Luft- und Raumfahrt liegen unterschiedliche mechanische Anforderungen zugrunde. "In der Luftfahrt müssen Teile 30 Jahre überleben, sie sind Materialermüdung ausgesetzt", sagt de Zeeuw. Zudem gilt die additive Fertigung als sehr prozessintensive Herstellung. "Das bedeutet, dass die Eigenschaften des Bauteils während des Druckvorgangs entstehen", so de Zeeuw. Man startet zwar mit einem Draht oder einem Pulver, die bestimmte Eigenschaften mitbringen. Aber letztlich wird die Beschaffenheit des Endprodukts maßgeblich vom Drucker und seinen Einstellungen beeinflusst. Doch die Luftfahrtindustrie arbeitet mit Nachdruck daran, den Prozess des 3D-Drucks so zu kontrollieren, dass wiederkehrend Bauteile mit denselben Eigenschaften herauskommen. Denn das Herstellungsverfahren hat unbestrittene Vorteile: Es können Komponenten gedruckt werden, die mehrere Funktionen übernehmen, topologieoptimierte (an den Lastpfaden orientierte) Formen haben und damit, das ist für die Luftfahrt besonders interessant, leichter sind als konventionell gefertigte Teile. Zudem ist der Materialverbrauch geringer.

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ITP Aero stellt Schaufeln der hinteren Triebwerksstruktur des TP400-D6 der A400M additiv her.

Serienbauteile und Ersatzteile aus dem Drucker

Die eingangs genannte Einspritzdüse des LEAP-Triebwerks ist ein gutes Beispiel: Das Vorgängermodell im CFM56 bestand aus 18 gegossenen und zusammengeschweißten Teilen, die gedruckte Einspritzdüse nur aus einem. Ein weiteres Beispiel ist der sogenannte Flexshaft von Liebherr-Aerospace. Es handelt sich dabei um ein Teil des Hochauftriebssystems des Airbus A350; es ist in das aktive Differenzialgetriebe des Landeklappensystems integriert. Es überträgt die Drehbewegung auf einen Positionssensor und gleicht einen Winkel- und Achsversatz zwischen Getriebe und Sensor aus. Der Flexshaft wird aus Titanpulver additiv gefertigt, ersetzt eine Baugruppe aus zuvor sieben konventionell hergestellten Teilen und ist dadurch deutlich leichter. Neben der Herstellung von Serienbauteilen ist die additive Fertigung auch für Ersatzteile interessant. Die Airbus-Tochter Satair hat 2020 das wohl erste zugelassene 3D-gedruckte Metall-Ersatzteil ausgeliefert, das auch fliegt: Wingtip Fences für die Flügelspitzen der A320ceo. Die Gussbauteile wurden nicht mehr vom ursprünglichen Zulieferer hergestellt, also kümmerte sich Satair um eine Alternative. Durch 3D-Druck konnten die einmaligen Gesamtkosten im Vergleich zu konventionellen Fertigungslösungen um 45 Prozent gesenkt werden, zudem sei die Vorlaufzeit kürzer, so Satair. Auch die US Air Force hat bereits im Jahr 2020 Ersatzteile für das TF33-Triebwerk gedruckt, das die betagten Boeing B-52, E-3 und Northrop Grumman E-8 antreibt. Es handelte sich um eine Dichtung der Enteisungsanlage. Das Projekt war aus der Not heraus entstanden. Eine neue Richtlinie hatte das Wartungspersonal angewiesen, die Dichtungen nicht wiederzuverwenden, was zu einem Versorgungsengpass geführt hatte. Lufthansa Technik hat bereits 2018 ein Additive Manufacturing Center in Hamburg eingerichtet, wo zunächst vor allem Kunststoffbauteile für die Kabine per 3D-Druck hergestellt wurden. 2022 gelang es dem Instandhaltungsunternehmen und der Airbus-Tochter Premium Aerotec, erstmals von der EASA eine Zulassung für ein lasttragendes Ersatzteil aus Metall zu erhalten. Der aus Titan gefertigte A-Link ist Bestandteil des Eisschutzsystems des V2500-Triebwerks der A320ceo. Vorteile der additiven Fertigung sind aus Sicht der beiden Unternehmen, dass keine Vorrichtungen oder Formen für die Herstellung benötigt werden. Zudem könne durch den 3D-Druck Material eingespart werden. Auch die Bauteileigenschaften überzeugen in diesem Fall: Nach Angaben von Lufthansa Technik übertrifft das gedruckte Teil bei der Zugfestigkeit sogar das Original.

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Airbus setzte erstmals 2017 eine gedruckte Titanhalterung an einem Teil des A350-Pylons ein.

Chancen und Herausforderungen

In Zeiten von anhaltenden Lieferkettenproblemen hat die additive Fertigung von Metallbauteilen noch mehr Aufmerksamkeit in der Luftfahrtbranche gewonnen. "Einerseits können wir vielleicht schneller liefern als die aktuelle Lieferkette. Andererseits ist es eine Möglichkeit, das Risiko von Abhängigkeiten zu verringern", sagt de Zeeuw. Allerdings sind bei gedruckten Metallbauteilen sowohl die nötige Nachbearbeitung als auch die Zulassung aufgrund der weiter oben genannten prozessintensiven Herstellung Aspekte, die Kosten verursachen. Der reine Druckprozess nimmt je nach Bauteil 10 bis 40 Stunden in Anspruch, die Nachbearbeitung – zum Beispiel Wärmebehandlung, Weiterverarbeitung, heißisostatisches Pressen, physikalische Tests, CT-Scannen – kann Tage oder Wochen dauern. Entsprechend macht das Drucken nur etwa 30 Prozent der Kosten aus. Eine weitere Herausforderung ist bei bestimmten additiven Fertigungsprozessen aktuell noch die Größe der Bauteile, die durch den Bauraum des 3D-Druckers begrenzt ist. Doch auch hier werden Fortschritte gemacht. Zum einen ermöglichen Technologien wie beispielsweise die Directed Energy Deposition (DED) bereits heute die additive Fertigung größerer Komponenten oder auch die Reparatur bestehender Bauteile. Dabei wird Metallpulver oder Draht mithilfe einer fokussierten Energiequelle, beispielsweise einem Laser, Elektronenstrahl oder Plasma, geschmolzen und mit einer Düse aufgebracht. Doch auch die Bauräume von Pulverbettfusionsdruckern werden größer. Eines der bisher größten mithilfe des direkten Metall-Laserschmelzens hergestellten, aber bisher nicht im Flug erprobten Metallteile ist ein Turbinenzwischengehäuse für ein Triebwerk eines Standardrumpfjets. Es hat einen Durchmesser von einem Meter und wurde aus einem Nickellegierungspulver (Inconel 718) hergestellt. Entstanden ist es im Clean-Sky-2-Projekt MOnACO (Manufacturing of a large-scale AM component), das von 2019 bis 2022 von GE Aerospace Advanced Technology in München geleitet wurde.

© Materialise

Diese gedruckte Kunststoffblende für die Gepäckfächer der A320 fliegt bei Finnair.

3D-gedruckte Kunststoffteile

Während sich aus Metallpulver gedruckte Bauteile also erst langsam ihren Platz in der Luftfahrt erobern, sind in vielen Passagierflugzeugen additiv hergestellte, nichttragende Kunststoffteile schon Standard. Materialise hat beispielsweise in Zusammenarbeit mit Airbus eine Kleinserie von Blenden für die Gepäckfächer der A320 von Finnair aus dem Hochleistungskunststoff Ultem hergestellt. Nach Angaben von Airbus sind die Blenden dank der von der Natur inspirierten Strukturen 15 Prozent leichter als mit konventionellen Verfahren. Gerade 3D-gedruckte Kunststoffteile sind wirtschaftlich interessant. "Man kann sie schnell beschaffen, man braucht kein Werkzeug und es gibt Vorteile in der Lieferkette", sagt de Zeeuw. Zusammen mit dem Ingenieurdienstleister Expleo hat Materialise für Sockelpaneele der Boeing 737 eine Verstärkungsplatte entwickelt, die Brüche verhindert. Dadurch muss das Paneel, das sich in der Seitenwand zu Füßen der Passagiere befindet, nicht mehr so häufig ausgetauscht werden. Das spart Zeit und Wartungskosten. Die Forschung beschäftigt sich zudem mit dem 3D-Druck von kohlefaserverstärkten Kunststoffen. "Man kann Kohlenstofffasern extrudieren und sie platzieren. Das geschieht so ähnlich bei der konventionellen Kohlefaserproduktion, da gibt es riesige Roboter, die Kohlefasermatten legen. Wenn man das herunterskaliert und noch mehr Freiheitsgrade einbaut, bekommt man ein 3D-gedrucktes Objekt mit hoher Komplexität", sagt de Zeeuw. Interessant könnte das zum Beispiel für Teile von Flugzeugsitzen oder kleinere Strukturelemente sein. Was größere 3D-gedruckte Strukturbauteile aus Metall angeht, ist de Zeeuw allerdings zurückhaltend. "Die Größe der Bauteile wird beim Metall-3D-Druck weiter zunehmen", sagt er. Flügel, Rümpfe und Leitwerke seien aber nicht komplex genug, als dass die additive Fertigung hier ihre Vorteile ausspielen könne.

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