Arado Ar 240: Deutscher Zerstörer-Flop war ein unbrauchbares Flugzeug

Arado Ar 240
:
Der deutsche Zerstörer-Flop

© Arado 8 Bilder

Beim Zerstörer Ar 240 verwirklichten die Arado-Konstrukteure viele neue Ideen, doch das Ergebnis war ein unbrauchbares Flugzeug, von dem nicht viel mehr als ein Dutzend Maschinen gebaut wurde. Einige gingen dennoch an die Front.

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Die Arado Flugzeugwerke in Brandenburg sind vor allem durch die Ar 234, den ersten einsatzfähigen strahlgetriebenen Bomber, bekannt geworden, doch schon zuvor hatten die Konstrukteure viele interessante Ideen. Obwohl der Entwurf eher konventionell anmutete, umfasste auch die Ar 240 eine Reihe technischer Innovationen. So war die Aerodynamik extrem hochgezüchtet, mit einer sehr hohen Flächenbelastung von etwa 330 kg/m2, dem Dreifachen des sonst üblichen. Um die Landegeschwindigkeiten beherrschbar zu machen, wurden sogenannte "Arado-Wanderflügel" installiert, welche die Flügelfläche vergrößerten. Auch die Querruder waren in das System einbezogen.

Besondere Konstruktion

Eine weitere Besonderheit war das doppelwandige, druckbelüftete Cockpit für die zweiköpfige Besatzung, das einer Ermüdung bei Höhenflügen entgegenwirkte. Dies erforderte auch die Installation von fernbedienten, hydraulisch betätigten Waffenständen zur Selbstverteidigung, an denen Arado zunächst in Kooperation mit Rheinmetall-Borsig schon mehrere Jahre lang gearbeitet hatte. Der Bordschütze zielte dabei mit einem Periskopvisier. Letzteres hatte allerdings lange die Problematik, in größeren Höhen zu beschlagen, was erst durch eine Überdruckfüllung mit vorgetrockneter Luft gelöst werden konnte. Diese wurde mit einer Saugpumpe in Verbindung mit einem Chlorkalziumfilter in die Anlage gedrückt. Für die Motorkühlung wurde ein ringförmiger Kühler verwendet, der seine Luft durch eine Öffnung in der Propellerhaube erhielt. Obwohl Daimler-Benz-Reihenmotoren verbaut waren, entstand so der Eindruck eines Sternmotors. Für die gewünschten Sturzflugeigenschaften installierte man eine Luftbremse im Heck, die sich wie ein Blütenblatt öffnete. Schließlich gab es noch ein Sicherheitssystem, das die Aufgabe hatte, die durch harte Steuerausschläge hervorgerufenen Überbeanspruchungen des Flugzeugs bei hohen Geschwindigkeiten zu verhindern. Dafür war zwischen Steuerknüppel und Ruder ein vom Staudruck gesteuertes Untersetzungsgetriebe installiert.

© Arado

Die Sturzflugbremse im Heck wurde mit einem speziellen Mechanismus wie ein Blütenblatt aufgeklappt.

Entwürfe entstanden 1938

Die Entwurfsarbeiten an der Ar 240 begannen unter der Projektnummer E652 im Herbst 1938 parallel, aber nicht in Konkurrenz zur Messerschmitt Me 210, die vom Reißbrett weg bestellt worden war. Leiter der Entwurfsabteilung für Landflugzeuge bei Arado war Diplomingenieur Wilhelm van Nes, der schon für Heinkel und Albatros gearbeitet hatte. Die Detailkonstruktion leitete Hans Rebeski. Im Oktober übermittelte das Reichsluftfahrtministerium die genauen technischen Vorgaben. Die geforderte Reichweite für die Zerstörerausführung sollte 2500 Kilometer betragen,die Höchstgeschwindigkeit etwa 700 km/h und die Dienstgipfelhöhe 6000 Meter. Im November wurde mit dem Attrappenbau und im Februar 1939 mit dem Bau des ersten V-Musters begonnen. Eine formelle Beauftragung für sechs Versuchsflugzeuge folgte erst im Mai 1939.

© Arado

Der Prototyp 2 wurde gründlich umkonstruiert und erhielt das Cockpit im Bugbereich.

Der Erstflug

Mit Kriegsbeginn wurde das Programm beinahe gestoppt; jedenfalls gab es mangels Zulieferteilen eine erhebliche Verzögerung. Der Erstflug war somit erst am 25. Juni 1940 mit Walter Kröger im Cockpit. Die V2 folgte im September. Beide Flugzeuge entsprachen einem vereinfachten Standard, ohne Druckkabine, wobei die V2 jedoch mit nach vorn feuernden MG 151 (20 mm) und MG 17 (7,9 mm) ausgerüstet war. Die Spann- weite lag bei etwas über 12 Metern und die Außenflügel waren leicht gepfeilt. Schnell zeigten sich inakzeptable Flugeigenschaften (Instabilität um alle drei Achsen) und eine Überhitzung der DB-601-Motoren beim Rollen.

Große Änderungen

Arado hatte in weiser Voraussicht bereits 1939 mit der Konstruktion von einigen wesentlichen Änderungen begonnen. So wurde beider V3 die Druckkabine in den Bugbereich verlegt und die Schiebehaube durch ein zur Seite klappendes, abwerfbares Kabinendach ersetzt. Der Rumpf wurde deutlich verlängert. Hatten die V1 und die V2 noch 11,80 Meter in der Länge gemessen, so brachte es die V3 auf 12,38 Meter. Das Rumpfheck erhielt anstelle der Sturzflugbremse einen Konus mit Kielflosse. Die Vorflügel entfielen. Die Leermasse war von 5425 auf 5970 Kilogramm angewachsen. Als Antrieb dienten zwei DB-601-E-Motoren mit 1200 PS Steig- und Kampfleistung.

In der V3 war auch erstmals die ferngesteuerte Waffenanlage FA 13 installiert, die Arado gemeinsam mit der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt konstruiert hatte. Vorangegangen waren umfangreiche Vorversuche. Praktisch erprobt worden war die Anlage zunächst in einer Bf 110. Erstflug der Ar 240 V3 war am 9. Mai 1941. Zuvor war die V1 bei einem Absturz verloren gegangen. Das vierte Versuchsmuster (erstmals mit arbeitender Druckkabine) entstand als Sturzkampfbomber. Es verfügte über die Waffenanlage der V3, dazu die Sturzflugbremse im Heck und unter dem Rumpf über acht Tragevorrichtungen für 50-Kilogramm-Bomben. Erstflug war im Juni 1941, doch schon im August ging das Flugzeug bei einem Unfall verloren. Mögliche Sturzkampfeinsätze mit der Ar 240 wurden so nicht weiter verfolgt.

Version V5-V8

Die nachfolgenden Versuchsmuster V5 und V6 wurden für die bewaffnete Aufklärung gebaut. Im September 1941 beziehungsweise im Januar 1942 absolvierten sie ihre Erstflüge. Sie repräsentierten die ersten Flugzeuge der A-Nullserie. Diese beiden Flugzeuge unterschieden sich von den vorangegangenen durch neue Tragflächen, die bei gleichen Abmessungen eine größere Dickenrücklage hatten. Die Flugeigenschaften der Ar 240 verbesserten sich dadurch erheblich. Insgesamt aber war das Flugverhalten noch immer nicht voll zufriedenstellend. Die Versuchsmuster V7 und V8 flogen vor Ende 1942 erstmals und galten als Ausgangsbasis für die geplante B-Serie. Sie waren mit den flüssigkeitsgekühlten DB-605-A-Motoren ausgerüstet. Diese Zwölfzylinder-Reihenmotoren in hängender V-Form gaben eine Startleistung von 1475 PS ab. Durch MW-50-Einspritzung konnte die Leistung vorübergehend auf 1800 PS gesteigert werden. Bei Werkstattflügen erzielten diese Flugzeuge eine Höchstgeschwindigkeit von 630 km/h. Die nachfolgende Truppenerprobung führte aber wiederum zu einer kritischen Beurteilung.

Programm-Aus

Die Fertigung der Nullserie sollte im AGO-Werk in Oschersleben erfolgen. Die Vorbereitungen zur Serienproduktion waren aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden; es fehlte an Material und Arbeitskräften. Im November 1942 kam somit das Aus. Bei einer Besprechung mit Generalluftzeugmeister Erhard Milch wurde angeordnet, sämt-liche Arbeiten an der Ar 240 und deren Weiterentwicklungen sofort abzubrechen. Insgesamt sind so wohl nur zehn V-Muster und vier oder fünf Ar 240 A-0 gebaut worden. Dazu zählen auch die V9 und V10, die noch nach der Programmabbruchentscheidung flogen. Die V9 besaß eine vergrößerte Spannweite und zwei DB-603-A-Motoren. Sie war als Zerstörer konzipiert und nahm im März 1943 die Erprobung auf. Die V9 verkörperte das erste Flugzeug der geplanten C-Reihe. Es folgte wohl noch die V10, die als Nachtjäger vorgesehen war. Deren Angriffsbewaffnung wurde um einen an der Unterseite angebrachten Waffentropfen erweitert. Die Versuchsmuster V11 und V12 galten als Prototypen für die geplante Kampfzerstörerausführung mit einer zusätzlichen Bombenlast von 1800 kg. Sie wurden aber wohl nicht mehr fertiggestellt.

© KL-Dokumentation

Einige Ar 240 A-0 schafften es doch noch an die Front, wie hier im Osten.

Sporadischer Einsatz

Die vorhandenen Ar 240 wurden der Luftwaffe übergeben, die sie für verschiedene Einsätze benutzte. So wurden die V4 bis V6 nach Umbauten (Rb 50/30 Kameras hinten in den Motor-gondeln) angeblich bei der Aufklärungsgruppe des Oberbefehlshabers der Luftwaffe (unter Kommandeur Theodor Rowehl) verwendet, unter anderem zu einigen Flügen über England. Weiterhin gibt es Berichte von der Ar 240 beim Jagdgeschwader 5 (Eismeergeschwader), wo sie zu Aufklärungsflügen über der Murmansk-Eisenbahn in Nordfinnland genutzt wurde (Flugzeuge A-01 und A-02). Mit der 2(F)/122 in Frosinone südöstlich von Rom wurde im Juli 1943 der erste und einzige Aufklärungsflug im Mittelmeerraum durchgeführt, der aber mit einer Bruchlandung endete, nach der die Arado (vermutlich die A-03) abgeschrieben werden musste. Im September 1943 erhielt diese Einheit eine weitere Ar 240, die aber wegen Triebwerksproblemen mit dem DB 603 A wieder an Arado zurückging. Schließlich wird noch von Einsätzen an der russischen Front mit der Aufklärungsgruppe 10 gesprochen.

Technische Daten

Arado Ar240 A-0

Besatzung: 2
Antrieb: 2 x Daimler-Benz DB 601 E
Startleistung: 2 x 1350 PS
Länge: 12,81 m
Höhe: 3,96 m
Spannweite: 14,34 m
Flügelfläche: 31,0 m²
Leermasse: 6350 kg
Kraftstoff: 1950 l
Zuladung: 1895 kg
Startmasse: 8690 kg
Startmasse maximal: ca. 10500 kg
Höchstgeschwindigkeit: 668 km/h
Marschgeschwindigkeit: 598 km/h
Dienstgipfelhöhe: 9300–10200 m
Steigzeit auf 6000 m: 10,5 min
max. Reichweite: ca. 2160 km
Bewaffnung: 2 x MG 17 (nach vorn feuernd), 2 x Zwillings-MG 81Z in ferngesteuerten Waffenständen oben und unten im Mittelrumpf

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