Die Convair F-106 Delta Dart gilt als eines der elegantesten Kampfflugzeuge und war bei ihren Piloten als "Cadillac der Lüfte" sehr beliebt. Fast drei Jahrzehnte sorgte sie bei US Air Force und US Air National Guard für die Luftverteidigung der USA.
Die Convair F-106 Delta Dart gilt als eines der erfolgreichsten Muster der berühmten Century-Series der US Air Force (die Kampfflugzeuge mit Typennummer ab 100), obwohl sie in kleineren Stückzahlen als die anderen Mitglieder der 100er-Serie produziert wurde. Fast 30 Jahre lang war sie für die Luftverteidigung der USA im Einsatz – und damit länger als die anderen Century-Jets. Die Wurzeln des schnittigen Klassikers gehen auf die deutschen Deltaflügelforschungen während des Zweiten Weltkriegs zurück. Die US Army Air Forces hatten nach Kriegsende das Potenzial der erbeuteten Entwürfe erkannt und noch 1945 die in San Diego ansässige Firma Convair mit dem Bau eines Delta-Prototyps beauftragt. Resultat war das Versuchsflugzeug XF-92A, das am 9. Juni 1948 zum ersten Mal flog.
Aus Delta Dagger wird Delta Dart
Im Januar 1950 schrieb die US Air Force zur Bekämpfung sowjetischer Bomber den Wettbewerb MX-1179 für ein automatisches Abfangjäger-Feuerleitsystem aus. Als Träger des neuen Systems wählten die Luftwaffengeneräle den Convair-Entwurf Model 8, im Wesentlichen eine vergrößerte XF-92, aus der später die YF-102 wurde. Bald zeigte sich jedoch, dass die Schätzungen hinsichtlich der Einsatzreife des neuen Jägers zu optimistisch waren. Ohne ein neues Flugzeug zum Ende der 50er Jahre hätte das Air Defense Command aber bestenfalls die North American F-86D Sabre zur Verfügung gehabt, die den Anforderungen in keiner Weise gerecht wurde. Daher sahen die Planer als Übergangslösung die F-102A vor, während letztlich als der gewünschte Abfangjäger, die F-102B, parallel entwickelt werden sollte. Die ersten F-102A Delta Dagger wurden im Juni 1956 in Dienst gestellt. Das Muster erwies sich als brauchbarer Allwetter-Abfangjäger, aber das anspruchsvolle MX-1179-Projekt konnte mit ihr nicht verwirklicht werden. Dennoch fertigte Convair von der Übergangslösung dreimal mehr Einheiten als von der späteren Wunschlösung.
Weil für das neue Flugzeug bis auf das nur geringfügig modifizierte Tragwerk keine Komponenten der F-102A unverändert übernommen werden konnten, erhielt der neue Delta-Jäger am 17. Juni 1956 die Bezeichnung F-106A. Bereits im April 1956 hatte die Air Force 17 Maschinen zur Erprobung geordert. Bei der "Six" setzten die Ingenieure die aus der Entwicklung der Delta Dagger gezogenen Lehren um und formten den Rumpf von Anfang an gemäß der Flächenregel wie eine Cola-Flasche. Im Bereich des schallnahen und des Überschallflugs ist nämlich der Widerstand eines Flugzeugs stark von dessen Querschnittsverteilung abhängig. Daher kann ein Rumpf mit Wespentaille, das heißt einer Einschnürung im Bereich der Tragflächen, den Luftwiderstand erheblich reduzieren. Die erzeugten Expansions- und Kompressionswellen von Rumpf und Flügel heben sich, vereinfacht ausgedrückt, weitestgehend auf, und der Gesamtquerschnitt entlang des Flugzeuges bleibt annähernd konstant. Weitere Änderungen im Vergleich zur Delta Dagger umfassten die Vergrößerung und Verlegung der Lufteinläufe nach hinten. Um die Aerodynamik so sauber wie möglich zu halten, fanden wie bei der F-102 alle Waffen im internen Schacht Platz.
Laut ihren Piloten war die F-106 ihren US-Zeitgenossen durchweg überlegen.
Hoher Wartungsaufwand
Probleme bei der Entwicklung der Delta Dart gab es zunächst nur mit dem neuen Pratt & Whitney-J75-Triebwerk, das 50 Prozent mehr Schub als das Pratt & Whitney J57 der F-102 besaß, und mit dem damals revolutionären Feuerleitsystem Hughes MA-1. Das MA-1 als Kernstück der F-106 sollte von dem bodengestützten Verteidigungssystem SAGE (Semi-Automatic Ground Environment) gelenkt werden. Der erste in Serie gebaute digitale Bordrechner "Digitaire" verarbeitete dabei die Signale der Bodenstation. Das MA-1 konnte so die Maschine schon nach dem Abheben direkt zum Ziel fliegen. Wenn das Radar das Ziel erfasst hatte, wurde die vom Piloten gewählte Bewaffnung zum günstigsten Zeitpunkt abgefeuert. Unmittelbar danach suchte das System nach neuen Zielen oder führte das Flugzeug zum Stützpunkt zurück. Der Pilot sollte daher eher als Aufseher dienen.
Die Ausrüstung war aufgrund ihrer Komplexität sehr wartungsintensiv, allein die Verkabelung hatte pro Flugzeug eine Länge von zwölf Kilometern. Der "Cadillac" unter den Jägern, wie die F-106 von ihren Piloten genannt wurde, durchlief daher ständig Modernisierungsprogramme, die die Wartung vereinfachen und die Leistung optimieren sollten. So rüstete die USAF Mitte der 60er Jahre sämtliche F-106 mit einem Infrarotsensor vor dem Cockpit und einem Luftbetankungsanschluss auf dem Rumpfrücken aus.
Allen Zeitgenossen überlegen
Mit ihrer großen Flügelfläche und hohen Leistung konnte die F-106 laut Aussage ihrer Piloten bis zum Auftreten der neuen Jagdflugzeug-Generation jedes Flugzeug im US-Inventar schlagen. Im "Six Shooter"-Programm wurde die F-106 zudem mit einer 20-mm-Kanone General Electric M61A im Waffenschacht ausgerüstet. Die typische Flugkörperbewaffnung der "Six" bestand aus je zwei radargelenkten AIM-4F und infrarotgelenkten AIM-4G Super Falcons sowie einer AIR-2A Genie mit Nuklearsprengkopf zur Bekämpfung größerer Bomberpulks.
Da die Zeit angesichts vertraglich vereinbarter Zwischenziele drängte, machten die Verantwortlichen keine Weihnachtspause: Die erste F-106A (56-0451) startete am 26. Dezember 1956 mit Richard Johnson am Steuer auf der Edwards Air Force Base in Kalifornien zum Erstflug. Sie unterschied sich äußerlich nicht von der späteren Serienausführung, verfügte aber nicht über das Feuerleitsystem. Sie steht heute im Museum auf der Selfridge Air National Guard Base.
Der zweite Prototyp flog erstmals am 26. Februar 1957. Bei der Flugerprobung in Edwards, die bis Mitte 1959 dauerte und zwölf Flugzeuge umfasste, kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. Dennoch musste Convair in einigen Bereichen nachbessern und änderte unter anderem die inneren Lufteinläufe und die Cockpitausstattung. Später wurde auch der Schleudersitz ausgetauscht. Aus finanziellen Gründen mussten die Militärs allerdings die geplante Beschaffung von 1000 Einheiten auf nur 340 Flugzeuge reduzieren. Daher ließ die USAF selbst die Erprobungsmaschinen auf den einheitlichen Standard der Einsatzmaschinen bringen. Convair produzierte auf dem Lindbergh Field in San Diego 277 F-106A und 63 Doppelsitzer F-106B. Die erste Maschine der Trainerversion startete am 9. April 1958 in Edwards zum Jungfernflug. Die F-106B verfügte über die gesamte Waffenanlage. Lediglich eine der vorderen Treibstoffzellen fiel weg. Die Produktion beider Versionen endete schon am 29. Dezember 1960.
Die Delta Dart bestach optisch durch ihre elegante Erscheinung.
112 Totalverluste
Die erste operationelle Einheit der "Six" waren im Mai 1959 die "Geiger Tigers", die 498th Fighter Interceptor Squadron in Geiger Field bei Spokane, Washington. Am 30. Mai 1959 übernahm die 539th FIS auf der McGuire Air Force Base ihre ersten beiden Jets. Die Einheit konzentrierte sich jedoch zunächst auf Testaufgaben. Noch im selben Jahr erzielte eine F-106A einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord: Major Joe Rogers erreichte am 15. Dezember eine Geschwindigkeit von 2455,71 km/h. Wenig später machte eine weitere Delta Dart von sich reden, als sie automatisch von Palmdale nach Tyndall in Florida flog. Bis auf Start und Landung übernahm das MA-1-System die Steuerung. Der einzige Einsatz in Übersee erfolgte von 1968 bis 1970, als Kommandos verschiedener Staffeln angesichts von Spannungen in der Region nach Osan in Südkorea verlegten.
Im Lauf ihrer Einsatzzeit erwies sich die Delta Dart als zuverlässiges Flugzeug. Dennoch ging mit 112 Exemplaren rund ein Drittel der Flotte bei Unfällen verloren. Die F-106 flog bei 27 Staffeln der USAF und Air National Guard. Erst am 7. Juli 1988 wurde sie bei der 177th Fighter Interceptor Group der New Jersey ANG außer Dienst gestellt. Nachfolger waren die McDonnell Douglas F-15 Eagle und die Lockheed F-16A (ADF).
Ende der 60er Jahre schlug Convair eine verbesserte Version der Delta Dart vor. Die F-106X sollte eine Alternative zur Lockheed YF-12A darstellen und verfügte über Entenflügel, ein neues Triebwerk sowie ein leistungsfähiges Doppler-Radar. Sie verblieb aber ebenso auf dem Reißbrett wie die etwas abgespeckte Variante F-106E/F oder eine für Japan gedachte Mehrzweckversion.
Mit der Außerdienststellung bei der Air National Guard waren die Tage der Delta Dart aber noch nicht endgültig gezählt. Im 1985 begonnenen "Pacer Six"-Programm rüstete Tracor Flight Systems im kalifornischen Mojave 200 Maschinen zu Drohnen um. Diese QF-106 waren in Tyndall, Florida, und Holloman, New Mexico, stationiert. Ab Anfang 1998 übernahm die McDonnell Douglas QF-4 Phantom II diese Rolle. Außerdem flogen sieben Delta Darts im Zeitraum 1986 bis 1990 zur Unterstützung der Flugerprobung der Rockwell B-1B Lancer. Heute sind rund 30 Exemplare des "Cadillacs der Lüfte" in Museen erhalten geblieben. Einige außer Dienst gestellte Drohnen wurden sogar im Golf von Mexiko versenkt, um dort als künstliche Riffe zu dienen.
Forschung im Dienste der NASA
Im Eclipse-Projekt schleppte eine C-141 eine F-106. Foto und Copyright: NASA
Auch die NASA erkannte das Potenzial der F-106 und setzte ab 1961 verschiedene Delta Darts zu Forschungszwecken ein. Das spektakulärste Experiment war das Projekt Eclipse, bei dem die US Air Force und die Firma Kelly Space & Technology den Schleppstart von Raumflugkörpern erproben wollten. Dazu sollte ein Lockheed C-141 Starlifter eine F-106 an einem Kabel hinter sich herziehen und so in die Luft bringen. Am 20. Dezember 1997 fand der erste Flug statt. Um auf Notfälle reagieren zu können, lief das Triebwerk des Jägers mit einer Leistung von 60 Prozent. Das Abheben und der anschließende Steigflug auf eine Höhe von 3000 Metern verliefen problemlos. Der Pilot Mark Stucky klinkte – allerdings unabsichtlich – schließlich das rund 300 Meter lange Kabel aus und landete sicher in Edwards. Fünf weitere Einsätze folgten, bis das Programm Anfang 1998 abgeschlossen wurde.
Die beiden für das Experiment vorgesehenen QF-106 wurden anschließend in die Wüste nach Davis-Monthan überführt. Am längsten flog jedoch ein Doppelsitzer bei der NASA: Die F-106B mit der Kennung 57-2516 kam am 31. Oktober 1966 zum Lewis Research Center in Cleveland, Ohio, und führte unter anderem Versuche für das Überschall-Airliner-Programm der USA durch. Dazu erhielt sie zwei J85-GE-13-Triebwerke in Gondeln unter der Tragfläche. Ab Januar 1979 nutzte die NASA-Abteilung in Langley, Virginia, sie zur Erforschung der Einflüsse von Gewitterstürmen auf Flugzeuge. Dabei flog der Jet bis zum Jahr 1986 fast 1500-mal in schwere Gewitter und erlebte dabei 714 direkte Blitzeinschläge. Anschließend diente die Maschine mit der NASA-Nummer 816 der Erprobung von Vortex-Klappen an den Vorflügeln. Am 17. Mai 1991 wurde die F-106B offiziell außer Dienst gestellt und ist heute im Virginia Air and Space Center in Hampton Roads ausgestellt.
Wer flog die Delta Dart?
Die Montana Air National Guard flog die F-106 noch bis ins Jahr 1987. Die Jets waren auf dem Great Falls Airport stationiert. Foto und Copyright: Doll
Hauptnutzer der Delta Dart war das Luftverteidigungskommando der US Air Force. 21 Staffeln des Air Defense Command (ADC) flogen die F-106:
2nd Fighter Interceptor Squadron (FIS): Wurtsmith AFB, Michigan, 1971-1973
5th FIS: Minot AFB, North Dakota, 1960-1985
11th FIS: Duluth, Minnesota, 1960-1968
27th FIS: Loring AFB, Maine, 1959-1971
48th FIS: Langley AFB, Virginia, 1960-1982
49th FIS: Griffiss AFB, New York, 1968-1987
71st FIS: Selfridge AFB, Michigan (später Richards-Gebaur AFM, Missouri, und Malmstrom AFB, Montana), 1960-1971
83rd FIS: Loring AFB, Maine, 1971-1972
84th FIS: Hamilton AFB, Kalifornien (später Castle AFB, Kalifornien), 1968-1981
87th FIS: Duluth, Minnesota (später Sawyer AFB, Michigan), 1968-1985
94th FIS: Selfridge AFB, Michigan, 1960-1969
95th FIS: Andrews AFB, Maryland (später Dover AFB, Maryland), 1959-1973
318th FIS: McChord AFB, Washington, 1960-1983
319th FIS: Bunker Hill AFB, Indiana, 1960-1963; Malmstrom AFB, Montana, 1971-1972
329th FIS: George AFB, Kalifornien, 1960-1967
437th FIS: Oxnard AFB, Kalifornien, 1968
438th FIS: Kincheloe AFB, Michigan, 1960-1968
456th FIS: Castle AFB, Kalifornien, 1959-1968
460th FIS: Oxnard AFB, Kalifornien (später Kingsley Field, Oregon, und Grand Forks, North Dakota), 1968-1974
498th FIS: Geiger Field, Washington (später McChord AFB und Paine Field, Washington), 1959-1968
539th FIS: McGuire AFB, New Jersey, 1959-1967
Zuletzt flog die Delta Dart bei der Nationalgarde der USAF:
California Air National Guard (ANG): 194th FIS, Fresno, 1974-1984
Florida ANG: Jacksonville, 1974-1987
Massachusetts ANG: 101th FIS, Otis AFB, 1972-1988
Michigan ANG: Selfridge Field, 1972-1978
Montana ANG: Great Falls, 1972-1987
New Jersey ANG: 119th FIS, Atlantic City, 1972-1988
Technische Daten
Convair F-106A
Hersteller: Convair, Lindbergh Field, San Diego, USA
Verwendung: Abfangjäger
Besatzung: 1
Triebwerk: 1 Pratt & Whitney J75-P-17
Schub: 109,37 kN mit Nachbrenner
Spannweite: 11,67 m
Länge: 21,56 m
Höhe: 6,18 m
Flügelfläche: 64,83 m²
Leermasse: 10 726 kg
max. Startmasse: 15 875 kg
max. Geschwindigkeit: Mach 2.25 in 12 190 m Höhe
Dienstgipfelhöhe: 17 680 m
Reichweite: 2400 km
Bewaffnung: eine 20-mm-Kanone M61A1, vier radar- oder infrarotgelenkte AIM-4 Falcon, zwei AIR-2 Genie mit Nuklearsprengkopf im internen Waffenschacht
Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen FLUG REVUE eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.