VFW 614: Regionaljet für Deutschland - vor 50 Jahren

Erstflug vor 50 Jahren
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VFW 614: Der Regionaljet für Deutschland

© 14 Bilder

Als schneller und wirtschaftlicher Regionaljet sollte die VFW 614, das erste in der BRD gebaute Verkehrsflugzeug, den Zubringerverkehr revolutionieren. Vor genau 50 Jahren startete die VFW 614 zum Jungfernflug – doch ihr Erfolg blieb überschaubar. Warum eigentlich?

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Die Werbebroschüren von VFW-Fokker könnten auch von heute stammen – obwohl sie fünf Jahrzehnte alt sind: Den kleineren Airlines bot das Unternehmen mit der VFW 614 einen modernen, wirtschaftlichen Jet unterhalb der Boeing 737 als Ersatz für Propellermaschinen an. Der 44-Sitzer war für den Zubringerverkehr mit hoher Frequenz ausgelegt und vereinte die Geschwindigkeit eines Düsenflugzeuges mit den Start- und Landeeigenschaften eines Props. Zudem galt er damals als das leiseste jetgetriebene Passagierflugzeug.

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Triebwerke auf den Tragflächen

Das augenfälligste Merkmal des ersten deutschen Jet-Airliners nach der Baade 152 war die Position der Triebwerke auf den Tragflächen. Das VFW-Entwicklungsteam in Bremen um Dr.-Ing. Rolf Stüssel wählte diese ungewöhnliche Anordnung, um den Einsatz von unbefestigten Flugfeldern aus zu ermöglichen. Sie verringerte die Gefahr des Ansaugens von Fremdkörpern und erlaubte ungeteilte und damit effizientere Landeklappen. Das robuste Fahrwerk mit seinem hoch wirksamen Bremssystem trug ebenfalls zu den guten Kurzstart- und -landeeigenschaften der 614 bei. Als angenehmer Nebeneffekt reduzierte die Triebwerksanordnung auch den Fluglärm am Boden, da die Flügel die Aggregate nach unten hin abschirmten. Ein weiterer Vorteil war die geringe Ladehöhe. Dank Hilfsgasturbine und integrierter Zugangstreppe konnte das Bremer Produkt somit autonom operieren. 

Zu Beginn der Konzeptphase besaß die spätere VFW 614 noch ein T-Leitwerk.

Ein Buschflugzeug als Ursprung

Ursprünglich hatten die Ingenieure der Vereinigten Flugtechnischen Werke nämlich ein universell einsetzbares Buschflugzeug projektiert. Mitte der 60er Jahre erschien den deutschen Flugzeugbauern jedoch das Risiko eines auf die Bedürfnisse von Entwicklungsländern zugeschnittenen Transporters in der DC-3-Klasse als zu groß. Die Strategen betrachteten stattdessen den internationalen Luftverkehr. Hier befand sich der Jet im Lang- und Mittelstreckensegment auf dem Vormarsch. Die Bremer erkannten, dass der Einsatzbereich von 150 bis 500 km nicht abgedeckt war, und schätzten den Gesamtbedarf in dieser Marktlücke auf 1100 Einheiten. Sie wollten als erster Hersteller mit einem guten Produkt auf dem Markt sein und rechneten mit einem Absatz von bis zu 330 VFW 614.

Kurze Flüge, schnelle Wartung

Die Konstrukteure optimierten ihren Entwurf daher für Kurzstreckeneinsätze und legten besonderen Wert auf kurze Bodenzeiten, minimale Wartung und einen niedrigen Geräuschpegel. Die für 60 000 Flüge ausgelegte Zelle zeichnete sich daneben durch ihren großen Rumpfdurchmesser aus. So betrug die maximale Kabinenbreite 2,66 m und die maximale Höhe 1,92 m.

Zusammenarbeit mit Fokker

Ab 1966 führte die Werksleitung Verhandlungen über einen Zusammenschluss mit Fokker, um die Vertriebserfahrungen der Holländer mit deren Verkaufsschlager F.27 Friendship zu nutzen. Die Niederländer wollten sich im Gegenzug an den umfangreichen deutschen Militärprojekten beteiligen. Drei Jahre später erfolgte die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Zentralgesellschaft VFW-Fokker mit je 50-prozentiger Beteiligung. Der Programmstart verlief nicht ohne Hindernisse. Das Marketing fiel in den Bereich von Fokker, das jedoch eher die eigene F.28 Fellowship förderte. Hinzu kam 1968 eine Finanzkrise, in der das Programm nur durch massive finanzielle Unterstützung der Bundesregierung gerettet wurde.

Erster Prototyp und weitere Probleme

Der zweite Prototyp startete am 14. Januar 1972 zu seinem Erstflug. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Schließlich begann am 1. August 1968 der Bau des ersten Prototyps. Rumpfbug und Mittelteil kamen von VFW, MBB steuerte das Rumpfheck bei. Der Bau von Flügel und Triebwerkspylonen oblag Fokker, während die belgischen Firmen SABCA und Fairey für die Landeklappen beziehungsweise für Spoiler und Querruder zuständig waren.

Britisch-französisches Triebwerk

Doch die Probleme nahmen kein Ende. Auf der Suche nach einem neuen sparsamen und leisen Zwei-Wellen-Triebwerk wandten sich die Bremer an Rolls-Royce, nachdem sich entsprechende Pläne mit Lycoming und General Electric nicht hatten verwirklichen lassen. Nach harten Verhandlungen einigte man sich mit den Briten auf die Verwendung des M45H Mk 501 als zivile Ableitung eines später nicht verwirklichten militärischen Triebwerks. Der französische Hersteller Snecma produzierte dabei den Bläser sowie die Mittel- und Niederdruckeinheit.

Kurz vor dem Roll-out am 5. April 1971 konnte VFW-Fokker 26 Optionen verzeichnen. Optimistisch glaubte man, den "Break-Even"-Punkt von 175 Exemplaren erreichen zu können. Am 14. Juli 1971 war es dann endlich so weit: Vor einer Kulisse von 2000 Zuschauern startete die G-001 mit der Kennung D-BABA in Lemwerder zu ihrem Erstflug. Die Besatzung bestand aus Leif Nielsen und Hans Bardill.

Testflüge und ein Todesfall

Just zu diesem Zeitpunkt hatte sich Rolls-Royce mit dem RB211-Programm finanziell verausgabt und musste Konkurs anmelden. Erst 1972 konnten die Briten die Serienfertigung des M45 wieder aufnehmen. Am 14. Januar desselben Jahres flog auch der zweite Prototyp der VFW 614 zum ersten Mal. Die Freude über diesen Erfolg wurde aber wenig später durch einen tragischen Unfall getrübt. Bei einem Testflug mit der G-001 am 1. Februar 1972 traten plötzlich Vibrationen auf. Chefpilot Leif Nielsen gab den Befehl, das Flugzeug zu verlassen. Während Flugingenieur Jürgen Hammer und er sich mit dem Fallschirm retten konnten, starb Copilot Hans Bardill bei dem Absturz. Spätere Untersuchungen ergaben ein Flattern eines Hilfshöhenruders als Unfallursache.

Bei Piloten beliebt

Mit geänderter Flugsteuerung startete der dritte Prototyp schließlich am 10. Oktober 1972 zu seinem Jungfernflug. Anschließende Härtetests in der libyschen Wüste zeigten, wie gut die VFW 614 von unbefestigten Pisten operieren konnte. Nach der LBA-Zulassung am 23. August 1974 folgte der Start der ersten Serienmaschine (G-004) am 28. April 1975. Die Maschine war bequem zu fliegen, offenbarte keine Tücken und bot eine gute Sicht aus dem geräumigen Cockpit. Besonders hoben die Piloten die guten Kurzlandeeigenschaften des Regionaljets hervor. Davon konnte sich ab September 1975 auch die dänische Cimber Air als Erstkunde überzeugen.

Der Erfolg bleibt aus

Die fünfte VFW 614 war zugleich die erste Maschine, die an Air Alsace ging. Die französische Regionalfluglinie bediente unter anderem Strecken von Paris nach Belfort und Colmar. Foto und Copyright: KL-Dokumentation

Trotz guter Leistungen verkaufte VFW-Fokker aber nur 16 Maschinen der VFW 614. Neben den zwei Cimber-Exemplaren gingen drei Einheiten an die französische Air Alsace. Touraine Air Transport (TAT) orderte acht VFW 614, übernahm aber nur zwei, die ab April 1976 in Frankreich flogen. Letzter Kunde war die Flugbereitschaft der Luftwaffe, die von 1977 bis 1998 drei Jets mit besonderer Navigationseinrichtung und veränderter Kabinenauslegung betrieb.

Die Ölkrise als Sargnagel

Der mangelnde Absatz war die Folge der Rezession und der Ölkrise von 1973. Der Bedarf für die VFW 614 war einfach nicht groß genug. Pläne für eine gestreckte VFW 614-200 für bis zu 56 Passagiere konnten nicht mehr verwirklicht werden, da das Ende des Programms drohte. Hoffnungsschimmer wie ein Auftrag über 41 Jets für die US-Küstenwache oder ein Lizenzvertrag über 100 Flugzeuge mit Rumänien verflüchtigten sich.

Grundstein für den Airbus-Konzern

Die angeschlagene Fokker-VFW beschloss 1978 die Einstellung des Airliners. Angesichts der Entwicklungskosten von rund 650 Millionen DM waren die Proteste bei Belegschaft und Öffentlichkeit groß, aber die Politik betrachtete das Ende als Voraussetzung für die Sanierung von VFW in Hinblick auf das Airbus-Projekt. Trotzdem stellt die VFW 614 als Grundlage für die deutsche Airbus-Beteiligung einen neuen Abschnitt der Nachkriegsentwicklung des Flugzeugbaus in Deutschland dar, wie es Rolf Stüssel anlässlich des 30. Jahrestages des Erstflugs der D-BABA formulierte. "Wir waren mit der VFW 614 einfach 20 Jahre unserer Zeit voraus."

© Airbus (Stefan Kruijer)

Airbus-Azubis in Finkenwerder brachten die VFW 614 mit der Seriennummer G15 wieder auf Vordermann. Sie ist nun auf dem Werksgelände ausgestellt.

Technische Daten

VFW-Fokker 614

Typ: Kurzstrecken-Verkehrsflugzeug
Passagiere: 44
Antrieb: 2 Rolls-Royce/Snecma M45H Mk 501
Leistung: je 32,4 kN
Länge: 20,60 m
Spannweite: 21,50 m
Höhe: 7,84 m
Flügelfläche: 64 m2
max. Startmasse: 18,6 t
Höchstgeschw.: 735 km/h in 6400 m Höhe
max. Reisegeschw.: 722 km/h in 7600 m Höhe
Landegeschwindigkeit: 158 km/h
Startstrecke: 833 m bis 10,7 m Höhe
Landestrecke: 619 m aus 15 m Höhe
Reiseflughöhe: 7620 m
max. Reichweite: 2100 km

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