In den 1920er Jahren machten alliierte Beschränkungen den Flugzeugbau in Deutschland schwierig. Junkers gründete daher Werke im Ausland, in denen auch Militärmaschinen wie die K 30 gebaut wurden. Sie kam auf abenteuerliche Weise in die Sowjetunion.
Am 28. September 1925 gingen in Limhamn nahe Malmö eigenartige Dinge vor sich: Eine große, hölzerne Kiste wurde vorsichtig auf das Deck des dänischen Schiffs M/S "Maagen" verladen, welches dann still und heimlich mit seiner brisanten Frach ablegte. Zehn Tage später berichtete die Zeitung "Arbetet", dass es sich bei der geheimen Ladung um ein Flugzeug handelte, das militärischen Zwecken dienen sollte und dafür extra in Limhamn gebaut wurde. Weiterhin vermutete man, dass es von Spanien im Krieg gegen Marokko eingesetzt würde. Weitaus umfangreicher spekulierte eine andere Zeitung. Sie schrieb, dass die Ladung für Russland bestimmt sei, und berief sich auf ein Gespräch mit dem Kapitän des Schiffs.
Ein Flugzeug für Russland
Dieser soll die Entladung und Verzollung in Stettin und nicht in Kopenhagen bestätig haben. Wenige Tage später dementierte Friedrich Treitschke, ein Junkers-Repräsentant in Schweden, die Gerüchte und sagte, dass die Maschine auf dem Weg nach Spanien für Demoflüge gewesen sei. Am Ende waren die Zeitungen nah dran, doch sie schafften es nicht, das Geheimnis zu lüften.
Die für den Bau verantwortliche Junkers-Tochtergesellschaft AB Flygindustri verkündete der Presse lediglich, dass man eine Exportlizenz für Spanien besäße. In Wirklichkeit erreichte die M/S "Maagen" Stettin am 30. September, und die Fracht wurde schnell auf ein anderes Schiff in Richtung Leningrad (heute St. Petersburg) verladen. Spanien war eine Verschleierungstaktik, die von der Junkers-Führung ersonnen worden war und eigentlich als Codewort für die Sowjetunion diente. Zuvor hatte die AB Flygindustri noch den Überbegriff "Sendung Leningrad" in der schriftlichen Korrespondenz mit Junkers verwendet. Schweden hatte jedoch, wie auch die meisten anderen europäischen Länder, den Export von Kriegswaffen an die Sowjetunion untersagt. Daher wurde vorher über die Verschiffung nach Kopenhagen und viele weitere Stationen nachgedacht, um das Ziel zu verheimlichen.
Dreimotoriger Bomber
Bei der Fracht handelte es sich um die erste Junkers K 30, einen dreimotorigen Bomber für die russischen Streitkräfte. In das Geschäft war auch die Junkers-Fabrik in Fili bei Moskau involviert, die man 1922/23 eröffnet hatte mit dem Ziel, dort im Geheimen Flugzeuge und Motoren für die UdSSR und Deutschland zu bauen.
Im April 1924 fragten russische Abgesandte bei Junkers, ob diese nicht einen dreimotorigen schweren Bomber für die Luftstreitkräfte der Roten Armee bauen könnten. Die Designer in Dessau stimmten zu und planten, das neunsitzige Passagierflugzeug G 24 für diesen Zweck umzurüsten. Die mittlere Rumpfsektion, hinter dem Motor und vor der Hecksektion, wurde dafür durch ein geändertes Bauteil ersetzt. Dieses bot die Möglichkeit, MGs und Bomben mitzuführen. Damit wurden die Anforderungen zwar nicht völlig erfüllt, aber in Ermangelung einer Alternative überzeugte Junkers die Sowjets, dass es sich hierbei um die beste Lösung handle. Man schickte nach dem Besuch eines sowjetischen Abgesandten in Dessau im April 1925 sogar eine G 24 (Kennung D-543) zu einer Vorführtour nach Moskau. Die erste Bestellung über drei K 30 erfolgte am 1. Juli 1925. Hinzu kam zwei zusätzlichen L-5-Motoren zu Versuchszwecken sowie Schwimmer für eine Maschine. Als Preis wurden 744000 Goldrubel pro Flugzeug vereinbart.
Fertigung in Schweden
Mitte 1925 waren die Entwürfe vollständig, und die Maschine erhielt ihre neue Typenbezeichnung. Aus G 24 wurde K 30 (Designbüro- und Fabrikkennungen: J 30). Die Produktion konnte wegen der Verbote natürlich nicht in Deutschland stattfinden. Die Verantwortlichen entschieden sich daher für die Abwicklung beim neuen Tochterunternehmen AB Flygindustri. In Schweden konnten die nötigen militärischen Einbauten ohne Probleme vorgenommen werden. Die Motoren, der hintere Rumpf, Ruder und andere Bauteile der K 30 stammten aber aus deutscher Fertigung in Dessau. Diese Baugruppen unterlagen nicht dem bestehenden Verbot.
Die Abnahme dauerte zwei Jahre
Als die Arbeiten an der mittleren Rumpfsektion für den ersten Bomber, K 30/1 (Werknr. 901) abgeschlossen waren, fand dessen Montage mit den restlichen, aus Dessau stammenden Baugruppen statt. Die Exporterlaubnis für die ersten drei als Zivilmaschinen deklarierten Flugzeuge wurde am 26. September erteilt. Die Lieferung sollte nach Dänemark erfolgen, und zwei Tage später verließ die K 30/1 Schweden in Richtung Kopenhagen. Wie bereits eingangs beschrieben, wurde sie jedoch nach Leningrad geschmuggelt.
Die K 30/2 (Werknr. 903) und die K 30/3 (Werknr. 906) nahmen noch demselben Weg. Alles wurde überwacht und durchgeführt von Personen, die für solche Manipulationen bestens geeignet waren. Dieses undurchsichtige Geschäft verschaffte der AB Flygindustri die nötigen finanziellen Mittel, um auf stabilen Füßen zu stehen. Als die schwedische Regierung neue Stellen schaffen wollte, kam die Neugründung eines weiteren Unternehmens gelegen, und die AB Flygindustri machte ihre Pläne für den Bau und Export von Flugzeugen aus schwedischem Stahl der Politik schmackhaft. Doch das war ein leeres Versprechen, wurden doch die Junkers Flugzeuge aus Duralumin gefertigt.
Ein Problemkind von Anfang an
Wenige Wochen später erwies sich der Schmuggel als unnötig, da AB Flygindustrie am 27. November 1925 die Erlaubnis zum Export von unbewaffneten Kriegsflugzeugen erhielt. Mitte November war eine zweite Bestellung von zwölf K 30 mit herkömmlichem Fahrwerk sowie Schwimmern und 18 zusätzlichen Motoren erfolgt.
Als nach Ankunft in Moskau die ersten Tests durchgeführt wurden, stellte sich schnell heraus, dass die K 30 mit etlichen Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte. Die Erprobung eines Prototyps hatte schließlich nicht stattgefunden, und als die erste sowjetische K 30 montiert war und mit Skiern ausgestattet in Fili flog, stellte sich die Maschine als schlechte Wahl heraus.
Eine ganze Reihe von schweren technischen Problemen musste erst behoben werden, bevor man überhaupt an weitere und ausgiebigere Tests denken konnte. Beispielsweise traten bei Höchstgeschwindigkeit Vibrationen auf, die zum Flattern der Ruder führten. Die Ingenieure versuchten diese Unruhe durch den Einbau eines Flettnerruders bei der Werknr. 906 zu beheben. Die Elastizität des Rudersystems stellte sich als Hauptursache für dieses Problem heraus und war der Kern für die Hindernisse bei der Indienststellung der K 30. Ein weiteres Problem lag im Gewicht der Maschinen, das um 120 Kilogramm überschritten worden war. Somit war die K 30 nicht mehr in der Lage, höher als 3500 Meter zu steigen. Die Geschwindigkeit in niedrigen Höhen betrug zwar 175 km/h, doch die L-5-Motoren wurden mit zunehmender Höhe schwächer. Bei einem Testflug mit einem sowjetischen Inspekteur gelang es nicht, höher als auf 2800 Meter zu steigen. Das war weit von den versprochenen 5000 Metern entfernt und führte dazu, dass die Ingenieure bei Junkers nervös wurden.
Bei Höhen über 3000 Meter erfolgte zudem eine Grenzschichtablösung an den Triebwerksgondeln, die gefährliche Schwingungen am Leitwerk verursachten. Als provisorische Lösung verstärkte man die Abstrebungen und entfernte die Ausgleichsgewichte am Höhenruder, was aber nur einen geringen Effekt hatte: Selbst der vordere Schütze bekam die Vibrationen noch zu spüren. Daraufhin verpflichtete man den Junkers-Werkspiloten Alfred Gothe aus Dessau, und eine aus der zweiten Bestellung stammende K 30 (Werknr. 932) wurde in Limhamn zu Testflügen herangezogen.
Die Abnahme dauerte zwei Jahre
Als Lösung für die Grenzschichtablösung wurde danach eine Klappe der sogenannten Hilfsflügel, an der Flügelkante zwischen Motorgondel und Rumpf, angebracht. Eine merkliche Verbesserung war die Folge. Aller Probleme zum Trotz wurde am 15. März 1926 die Werknummer 906 abgenommen und für die Auslieferung an die Truppen freigegeben. Es wurden noch einige Landungen, allgemeine Flugmanöver und Reichweitentests, in Anwesenheit von Junkers-Testingenieur Reginald Schinzinger, bei einem Acht-Stunden-Flug unternommen. Anschließend testete man die Wendigkeit, Kontrolle, Geschwindigkeit in Bodennähe und bis 2000 Meter und nahm die militärische Ausrüstung unter die Lupe. Es dauerte jedoch bis zum März 1927, bis auch der Rest der zuvor bestellten K 30 final von den Sowjets abgenommen und bei Bomber- und Torpedoeinheiten der Roten Armee in Dienst gestellt wurden.
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