Im Ringen um die Luftherrschaft spielten im Zweiten Weltkrieg Jagdflugzeuge die entscheidende Rolle. Beide Seiten befanden sich im ständigen Wettbewerb. Der technische Wettlauf zwischen der Messerschmitt Bf 109 und der Supermarine Spitfire macht dies deutlich.
Keine anderen Jagdflugzeuge standen sich vom Anfang bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs so häufig gegenüber wie die Messerschmitt Bf 109 und die Supermarine Spitfire. Darüber, welcher der Jäger denn nun der bessere gewesen sein mag, wurde nach 1945 recht Widersprüchliches geschrieben. Je nachdem, welche Quellen die Autoren nutzten, favorisierten sie mal die Spitfire, mal die Bf 109. Tatsache ist jedoch, dass sowohl die Spitfire als auch die Messerschmitt ganz individuelle Vorteile und Defizite aufwiesen, die wir hier einmal aufzeigen wollen.
Erstes Aufeinandertreffen
Die Bf 109 G-14, hier eine Aufklärerversion R2, war nach der G-2 die meistgebaute Bf-109-Version. Sie wurde von dem DB 605 AM antgetrieben und besaß unter anderem ein vergrößertes Holzleitwerk. Die sogenannte Erla-Haube war bei ihr Standard. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Zum ersten Aufeinandertreffen der Opponenten kam es bereits über Dünkirchen im Frühjahr 1940. Es war der Auftakt zu einem Wettlauf um immer höhere Kampfleistungen der damaligen Topjäger auf britischer und deutscher Seite, der dann während der Luftschlacht um England noch klarer zutage trat. Schnell wurde klar, dass beide auf Augenhöhe kämpften. Die Unterschiede in den Flugleistungen waren gering. Oftmals entschied ein Höhenvorteil oder wer den anderen zuerst entdeckte über Wohl und Wehe der Piloten. Und doch hatten die damals aktuellen Bf 109 E wie auch die Spitfire Mk. I/II aufgrund ihrer generellen Konzepte, der aerodynamischen Auslegung und der Motorentechnik ganz spezifische Vor- und Nachteile.
Unterschiedliche Philosophien
Die Spitfire Mk. II und Bf 109 E standen sich während der Luftschlacht ständig gegenüber. Beide Jäger wiesen spezifische Vor- und Nachteile auf. Die Spitfire besaß Vorteile im Handling. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Grundsätzlich als Tiefdecker mit Einziehfahrwerk konzeptionell gleich, werden bei näherem Hinsehen Unterschiede ihrer Auslegungsphilosophien deutlich. Der Messerschmitt-Jäger war kompakter und leichter als die größere Spitfire. Doch der fast ein Drittel größere Flügel des britischen Jägers kompensierte sein höheres Gewicht mehr als genug. Zudem bot sein elliptischer Grundriss aerodynamische Vorteile, während der Trapezflügel der Bf 109 einfacher zu produzieren war. Die Flächenbelastung der Spitfire war erheblich geringer als die der Bf 109 E. Konsequenz war, dass die Spitfire langsamer fliegen und auch bei engen, mit hohem Anstellwinkel geflogenen Manövern im Luftkampf Vorteile verbuchen konnte. Doch trotz ihrer höheren Flächenbelastung waren die nach der Papierlage zu erwartenden entsprechenden Werte der Bf 109 nicht so eklatant schlechter als die der Rivalin.
Zum Ausgleich verwendeten die Messerschmitt-Ingenieure automatische Vorflügel im äußeren Tragflächenbereich. Je nach Anströmung fuhren sie automatisch aus und verbesserten so die Strömung am Flügel bei hohen Anstellwinkeln und damit die Langsamflugeigenschaften. Auch wenn die automatischen Vorflügel, die übrigens keine Messerschmitt-Erfindung, sondern ein Patent von de Havilland waren, zuverlässig arbeiteten, so hatten sie doch auch Nachteile. Flog ein Pilot in Grenzflugbereichen schiebend, konnten sie aufgrund ungleichmäßiger Anströmung unterschiedlich weit ausfahren. Resultat waren dann unterschiedliche Auftriebsverhältnisse, die den Jäger aus der gewünschten Bahn bringen konnten.
Die niedrigere Flächenbelastung ihrer Spitfire kam den britischen Piloten im Luftkampf insoweit zugute, als dass sie letztendlich enger kreisen konnten, um sich hinter den Gegner zu setzen. Etliche Vergleichsflüge wurden unternommen, je nach Flughöhe und Geschwindigkeit mit unterschiedlichen Ergebnissen. Doch immer lagen die Vorteile bei der Spitfire. In 12.000 Fuß Höhe betrug zum Beispiel der Kurvenradius der Mk. II bei Vollgas und ohne Höhenverlust 204 Meter, der der Bf 109 E dagegen 270 Meter. In 19 Sekunden flog die Spitfire dabei einen Vollkreis, die Messerschmitt benötigte 25 Sekunden. Dennoch gelang es Piloten der Bf 109 in vielen Fällen, im Kurvenkampf über eine Spitfire die Oberhand zu gewinnen. Ein Grund dafür war sicher, dass die Luftwaffe schon lange zuvor im Rahmen der Unterstützung des Franco-Regimes mit der Legion Condor hatte Kampferfahrung sammeln können. In den ersten Kriegsmonaten verfügte die Luftwaffe somit über eine größere Zahl erfahrenerer Jagdflieger.
Auf der anderen Seite hatten die Briten zunächst noch Probleme, überhaupt genügend Piloten in die Einsatzstaffeln zu bringen. Die weniger erfahrenen Piloten waren häufig noch nicht in der Lage, ihre Jäger voll an dessen Leistungsgrenzen zu fliegen. Dabei machte die Spitfire den Piloten enge Manöver im Grenzbereich zum Strömungsabriss eigentlich leichter. Der britische Jäger "sagte" ihnen durch deutliches Schütteln schon frühzeitig an, wenn die Strömung am Flügel abzureißen drohte. Das deutsche Gegenstück hatte einen kleineren Grenzbereich, und ein Strömungsabriss erfolgte plötzlicher.
Agilität
Glück im Unglück: Der Pilot dieser Bf 109 E konnte noch am Strand notlanden. Der deutsche Jäger litt an seiner geringen Tankkapazität, die bei der Luftschlacht um England nur kurze Kampfzeiten über der britischen Insel erlaubte. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
In Sachen Agilität gaben sich die beiden Jäger wenig. Nach dem Vergleich einer erbeuteten Bf 109 E mit einer Spitfire I stellte das Royal Aircraft Establishment (RAE)fest: "Bei 640 km/h kann ein Bf-109-Pilot bei größter Anstrengung nur etwa 20 Prozent Querruderausschlag geben. Die Rollrate beträgt dabei etwa vier Sekunden für 45 Grad." Damit war die Rollrate bei dieser hohen Geschwindigkeit gleich der der Spitfire I. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten galt die Messerschmitt jedoch als agiler um die Längsachse. Dafür wies die Spitfire wesentlich niedrigere Höhenruderkräfte auf. Manche Piloten bezeichneten sie in dieser Hinsicht als fast zu sensibel. Im Gegensatz dazu hieß es schon im Flughandbuch der Bf 109 E: "Die Höhenruderkräfte und Flossenbelastungen werden bei hoher Fahrt sehr groß." Bis zu etwa 400 km/h waren die Höhenruderkräfte und -wirksamkeit sehr gut. Doch darüber hinaus wurde es für die Piloten zunehmend schwierig, noch einen engen Abfangbogen zu fliegen. Bei etwa 640 km/h war der Kraftaufwand schon so hoch, dass dieses Manöver kaum noch machbar war. Das wurde manchem deutschen Piloten zum Verhängnis, der eine Spitfire im schnellen Sturzflug verfolgte und in zu niedriger Höhe sein Flugzeug nicht mehr rechtzeitig über dem Boden abfangen konnte.
Sichtverhältnisse
Die Spitfire Mk. XIV flogen mit leistungsstarken Griffon-Motoren. Ihre Kühler wurden automatisch von Thermostaten gesteuert. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Zu den wichtigen Kriterien eines Jägers gehören die Sichtverhältnisse für den Piloten. In der Spitfire saß er etwas weiter hinten über dem Flügel als in der Bf 109. Der Flügel schränkte seinen Blickwinkel nach vorn unten stärker ein als bei dem deutschen Jäger. Andererseits erleichterte die geblasene Haube der Spitfire die Luftraumbeobachtung ungemein. Der starke Haubenrahmen der Messerschmitt war in dieser Hinsicht nachteilig. Erst die spätere sogenannte Erla-Haube verbesserte die Sichtmöglichkeiten. Im Gegensatz zur seitlich klappenden Kabinenhaube der Bf 109 besaß die Spitfire eine Schiebehaube, die beim Rollen, Start und Landung zurückgeschoben werden konnte und es den Piloten erlaubte, etwas besser entlang der Motorhaube nach vorn zu peilen.
Geschwindigkeit
Ein wesentlicher Faktor für die Kampfkraft der Jäger sind ihre erreichbaren Geschwindigkeiten im Horizontalflug. Messerschmitt-Protokolle weisen für die Bf 109 E-3 mit dem Daimler-Benz DB 601 A und automatischer VDM-Verstellluftschraube Höchstgeschwindigkeiten von 467 km/h in Meereshöhe und 550 km/h in 4.500 Metern aus. Andere Messungen ergaben 560 km/h als Top Speed.
Die Vergleichswerte der Spitfire I mit dem Rolls-Royce Merlin III und Rotol-Constant-Speed-Propeller: 455 km/h in Meereshöhe und 570 km/h in 5.760 Metern Höhe. Mit dem ebenfalls verwendeten Constant-Speed-Propeller von de Havilland wurden mit 463 km/h in Meereshöhe und 571 km/h in 5.400 Metern etwas höhere Werte erflogen.
"Höhenbereinigt" lagen die Geschwindigkeiten der Kontrahenten also recht eng beieinander, mit leichten Vorteilen für die Spitfire I. Beide Jäger erreichten ihre besten Geschwindigkeiten zwischen etwa 4.600 und 7.600 Metern Höhe. Dass die Geschwindigkeitsdifferenz angesichts des stärkeren Merlin III nicht größer ausfiel, dürfte an der etwas widerstandsärmeren kleineren Zelle der Bf 109 gelegen haben. Immerhin stemmte der Merlin III bereits bis zu 1.310 PS bei für fünf Minuten erlaubter Kurzleistung auf die Kurbelwelle. Der DB 601 A lieferte im gleichen Regime fast 300 PS weniger. Gegenüber dem Merlin bot der DB 601 jedoch einen manchmal lebenswichtigen Vorteil. Als Direkteinspritzer hatte er keine Probleme mit negativen g-Kräften. Die Merlins hingegen erhielten ihr Treibstoff-Luft-Gemisch über konventionelle Vergaser, die nicht für negative Belastungen geeignet waren. Das erlaubte einem Bf-109-Piloten, der einen Gegner hinter sich wusste, schlagartig aus dem Horizontalflug nach unten wegzutauchen. Versuchte der Verfolger das gleiche Manöver, blieb ihm kurzzeitig die Motorleistung weg. Wollte er mit voller Motorleistung folgen, musste er zunächst eine halbe Rolle drehen, um mit einer Art Abschwung an der Bf 109 dranzubleiben. So manches Mal reichte der kurze Vorsprung aus, dem Verfolger zu entkommen.
Bewaffnung
Ein großes Plus der Spitfire war, dass sie im Luftkampf enger kurven konnte. Dabei zeigte sie den Piloten durch Schütteln frühzeitig an, wenn ein Strömungsabriss drohte. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Deutlich unterschieden sich die Rivalen in ihrer Bewaffnung. Die Flügel der Spitfire Mk. I/II waren bestückt mit nicht weniger als acht Browning-MGs mit jeweils 300 Schuss vom vergleichsweise kleinen Kaliber .303. Die MGs waren zunächst so justiert, dass sich die Geschoßbahnen in etwa 360 Metern Entfernung kreuzten. Später wurden sie auf 180 bis 230 Meter justiert, womit sie sich als wirkungsvoller erwiesen.
Die Bf 109 E-1 war mit vier MG 17 ausgerüstet, zwei mit jeweils 1.000 Schuss Munitionsvorrat über dem Motor, zwei weitere in den Flügeln mit jeweils 500 Schuss. Damit war der Munitionsvorrat dieser E-Variante deutlich größer als der der Kontrahentin. Die E-3, -4 und -7 erhielten in den Tragflächen anstelle der MG 17 durchschlagskräftigere MG-FF- beziehungsweise MG-FF-/M-20-mm-Kanonen. Für die Kanonen konnten jeweils nur 60 Schuss mitgeführt werden. Ihre Durchschlagskraft war zwar groß, doch die Schussfolge relativ langsam.
Ständiger Wettlauf
Die Bf 109 G-14, hier eine Aufklärerversion R2, war nach der G-2 die meistgebaute Bf-109-Version. Sie wurde von dem DB 605 AM antgetrieben und besaß unter anderem ein vergrößertes Holzleitwerk. Die sogenannte Erla-Haube war bei ihr Standard. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Um der Spitfire einen noch besseren Jäger entgegenzusetzen, entwickelte Messerschmitt schon ab dem Frühjahr 1940 die Bf 109 F. Aerodynamisch überarbeitet, mit stärkerem Motor und verbesserter Bewaffnung, markierte sie einen wichtigen Entwicklungsschritt. Von ihren nun gerundeten Randbögen versprachen sich die Ingenieure einen geringeren induzierten Widerstand. Die Spannweite gegenüber der E-Version war leicht vergrößert. Der Vorderrumpf war etwas widerstandsärmer gestaltet. Einen echten Leistungsschub brachte der neue DB 601 E, der nun 1.350 PS leistete und ab der F-3-Version zum Einsatz kam. Die Bewaffnung bestand aus zwei MG 17 und einem durch die Propellerwelle schießenden MG 151/20.
Auf der Gegenseite konterte Supermarine zunächst mit der Spitfire Mk. V, die sich vor allem durch ihre verbesserten Merlin 45 und 46 auszeichnete. Nicht lange darauf folgte die Mk. IX, die ab Juni 1942 eingesetzt wurde. Sie erhielt zunächst den Merlin 61 mit Zweiganglader, der bis zu 1565 PS leistete. Ab Anfang 1943 wurden dann die nochmals leistungsgesteigerten Merlin 63, 66 und 70 eingebaut, die sich vor allem durch technische Optimierungen unterschieden. Mit dem Merlin 63 (1.710 PS) kam die Spitfire IX nun auf 656 km/h in 2.600 Metern Höhe. Etwa zeitgleich mit der Spitfire IX erschien 1942 die Bf 109 G. Sie unterschied sich von der F-Version vor allem durch ihren DB 605 A, der 1475 PS leistete. Bei Nutzung einer MW-50-Einspritzanlage (Wasser-Methanol-Gemisch mit einem Mischungsverhältnis von 50:50) konnten sogar kurzzeitig 1.800 PS abgerufen werden. In 6.600 Metern Höhe erreichte die G-6 maximal 650 km/h, die spätere G-10 kam auf eine Höchstgeschwindigkeit von 685 km/h . Die Standardbewaffnung der G-6 bestand nun neben dem bereits in der Bf 109 F eingesetzten MG 151/20 noch aus zwei MG 131.
Dennoch blieb es auch bei den G-Versionen bei dem grundsätzlichen Manko, nicht so eng kreisen zu können wie die Spitfire.
Allerdings gibt es Berichte, nach denen die Bf 109 G im Sturzflug besser beschleunigte als ihre Gegnerin. Das Rennen um noch leistungsfähigere Jäger ging weiter. Der im Laufe ihrer Produktionszeit immer weiter verbesserten Bf 109 G setze Supermarine ab dem Herbst 1943 die Mk. XIV entgegen. Sie wurde von einem 2.200 PS starken Rolls-Royce Griffon angetrieben. Ihre Höchstgeschwindigkeit betrug nun 671 km/h in etwas über 6.500 Metern Höhe. Doch damit war das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Bf 109 K, ab Herbst 1944 noch ausgeliefert, erreichte nach den Aufzeichnungen des Messerschmitt-Projektbüros in 6.000 Metern Höhe an die 675 km/h, in 7300 Meter fast 700 km/h. Bei der Steigleistung blieb sie leicht unter den Werten der Spitfire Mk. XIV.
Fazit
Die Jäger-Kontrahenten Messerschmitt und Supermarine schaukelten sich bis 1945 auf ein immer höheres Niveau hoch. In ihrer realen Kampfkraft blieben die Unterschiede zwischen den beiden Jagdflugzeugen trotz aller Leistungssteigerungen jedoch marginal. Das zeigen zumindest die belegbaren Daten. Bf 109 und Spitfire waren vom Anfang bis zuletzt Rivalen auf Augenhöhe. In den Erprobungsberichten, auch denen von Luftwaffenpiloten, die Gelegenheit hatten, erbeutete Spitfire zu fliegen, wird deutlich, dass der britische Jäger entschieden einfacher zu handhaben war. Das galt für seine Flugeigenschaften genauso wie für das Verhalten bei Start und Landungen. Die Kommentare von Jagdflieger-Assen wie Werner Mölders, Günther Rall oder Adolf Galland zu dem gegnerischen Jäger gehen ebenfalls in diese Richtung. Dabei ist es eine Tatsache, dass die fliegerisch anspruchsvollere Messerschmitt Bf 109 in der Hand guter Piloten immer ein gefährlicher Gegner für die Spitfire blieb.
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