Auf der Paris Air Show nahm Embraer Reporter mit in der KC-390. Die FLUG REVUE war mit an Bord.
Sicherheitskontrolle. Laptop und Flüssigkeiten raus aus dem Rucksack, mein Gepäck wird durchleuchtet. Auch ich muss durch einen Scanner gehen, der bleibt zum Glück still und ich kann meinen Weg Richtung Boarding fortsetzen. Doch außer diesem bekannten Prozedere ist an diesem Tag nichts, wie ich es von einem "normalen" Flug kenne. Denn das Flugzeug ist kein ziviler Jet. Es ist eine KC-390 Millennium, Embraers Mehrzweck-Transportflugzeug.
Der brasilianische Hersteller hat die KC-390 ab den 2000er-Jahren entwickelt, der Erstflug fand am 3. Februar 2015 statt. Seit der Indienststellung beim Erstkunden, der Força Aérea Brasileira, im Jahr 2019 wurden mittlerweile zehn Exemplare ausgeliefert. Insgesamt hat Embraer aktuell mehr als 40 Bestellungen im Auftragsbuch: 19 der brasilianischen Luftwaffe (bislang 7 ausgeliefert), je 5 von Portugal (2 ausgeliefert) und den Niederlanden, je 4 von Österreich und Schweden, je 3 von Südkorea und der Slowakei sowie je 2 von Ungarn (1 ausgeliefert) und Tschechien. Trotz der jüngeren Verkaufserfolge in Europa ist Embraer weiter auf Kundenakquise. Härtester Konkurrent: Lockheed Martin mit der C-130 Hercules. Auch die deutsche Luftwaffe hat sechs Exemplare der modernsten Version C-130J bestellt und bereits erhalten.
Brasilianischer Tausendsassa
Das Boarding am Flughafen Le Bourget erfolgt über fünf Stufen, die in die nach unten klappbare Tür eingelassen sind. In der "Kabine" staunt man als Passagier ob der Geräumigkeit – und der fehlenden Isolierung. An der Decke liegen Kabel und Rohre blank, das erhöht den nutzbaren Raum, spart Gewicht und vereinfacht die Instandhaltung. Im vorderen Teil des Laderaums befinden sich der Arbeitsplatz des Lademeisters und sechs Transportliegen für Verletzte, dann folgen an den Seitenwänden und in der Mitte Sitze aus Stoff – allerdings nicht in Flugrichtung, sondern mit dem Blick zur Mitte bzw. zu den Seiten. Maximal 80 Menschen können in der KC-390 mitfliegen, in der Regel sind es Soldaten und keine Journalisten wie an diesem Tag. Ein Bordunterhaltungssystem gibt es natürlich nicht, aber immerhin eine Vakuum-Toilette für dringende Bedürfnisse.
Die KC-390 ist sehr wandlungsfähig. Sie kann als Truppentransporter oder Tankflugzeug genutzt werden, Fallschirmspringer absetzen, verschiedenste Arten von Fracht transportieren (darunter einen Black-Hawk-Helikopter oder zwei leichte Mehrzweckfahrzeuge), selbst zum Löschflugzeug lässt sie sich umrüsten. 2019 nannte Embraer die KC-390 in C-390 Millennium um. Die KC-390 wird weiter als Tankerversion vermarktet. Auf dem imposanten T-Leitwerk unseres Flugzeugs, es ist der dritte Prototyp, steht in großen Lettern KC-390.
An diesem Tag sind weniger als 80 Passagiere an Bord, wir sind ein Fliegengewicht für den Transporter. Entsprechend raketenartig fühlt sich der Start an. Die beiden V2500-Turbofans von IAE beschleunigen das Flugzeug schnell, auch der Steigflug verläuft zügig und steil. Die wenigen Fenster (es gibt im Frachtraum nur vier Stück) verhindern eine Orientierung, wohin wir fliegen. Es rauscht, pfeift und bläst: Aufgrund der fehlenden Isolierung ist es lauter als in einem Passagierjet. Nicht nur Embraer-Mitarbeiter, auch Journalisten an Bord beteuern allerdings, dass die KC-390 für die Mitfliegenden leiser sei als die Lockheed C-130 Hercules (in der ich noch nicht mitgeflogen bin).
Modernes Cockpit
Noch im Steigflug dürfen wir uns abschnallen und das Flugzeug erkunden. Besonders beeindruckend ist das Cockpit: Es geht ein paar Stufen hinauf, dann blickt man auf fünf große Monitore und Head-up-Displays, ähnlich wie in modernen Verkehrsjets. Die Avionik-Suite ist das Pro Line Fusion von Rockwell Collins (heute Collins Aerospace). Interessanterweise sitzen drei Männer im Cockpit – aber der dritte Mann ist weder Bordingenieur noch Navigator noch Funker. Je nach Mission ist der Platz hinter dem Co-Piloten reserviert für den Air-Refueling-Operator oder den Bediener von Elektrooptik/Infrarot-Pod bei Search-and-Rescue-Einsätzen oder Überwachungsflügen. Hinter der Cockpit-Besatzung befinden sich zwei weitere Sitze und darüber eine Liege zum Ausruhen.
Wir fliegen von Le Bourget aus einen Kreis Richtung Westen. Aus den Fenstern fällt der Blick auf die Triebwerke, die hoch unter den Tragflächen des Schulterdeckers hängen. Diese hohe Triebwerksaufhängung und ein spezielles Fahrwerk ermöglichen es der KC-390, auch auf unbefestigten Pisten zu landen.
Je nach Landegewicht reichen 500 m Piste
Nachdem die Passagiere aka Journalisten sämtliche Ecken des Flugzeugs ausgiebig inspiziert haben, gibt der Lademeister die Anweisung, uns wieder zu setzen und anzuschnallen. Ohne visuelle Referenz dauert der Landeanflug eine gefühlte Ewigkeit, die Geräuschkulisse verändert sich von rauschend zu rauschend und laut pfeifend. Das könnte die Treibstoffpumpe sein oder die Hydraulik, meint der Embraer-Mitarbeiter neben mir. Wir hören, wie sich die Fahrwerksklappen öffnen. Dann dauert es nicht mehr lang, bis die KC-390 sanft aufsetzt, um dann mit voller Kraft zu bremsen. Unsere Oberkörper werden nach vorne gedrückt. Es ist eine Demonstration, dass dem Transporter auch kurze Pisten genügen. Die Passagiere klatschen. Fast wie deutsche Urlauber bei der Landung auf Mallorca.
Als wir zur Parkposition rollen, öffnet sich die Laderampe am Heck. Wir sehen einen Airbus A400M hinter uns auf dem Rollweg, der europäische Konkurrent der KC-390. Embraer betont, dass 42 Prozent der Zulieferer des KC-390-Programms aus Europa seien. Darunter finden sich auch zwölf deutsche Unternehmen wie MTU Aero Engines und Rheinmetall.
Das Flugzeug steht, die Anschnallzeichen erlöschen. Das Deboarding erfolgt standesgemäß über die Laderampe. Vom Boarding bis zum Aussteigen: Bei diesem Flug ist einfach alles anders als "normal".
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