Eurofighter-Pilotin für 20 Minuten

Luftwaffe-Simulator in Nörvenich
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Eurofighter-Pilotin für 20 Minuten

© Bundeswehr/Joliet 7 Bilder

Wie fliegt sich ein Eurofighter? Die Flug-Revue-Redakteurin Ulrike Ebner durfte es ausprobieren – im Simulator des Taktischen Luftwaffenschwaders 31 "Boelcke" in Nörvenich.

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Piste 25 in Nörvenich. Fluglehrer Sebastian Rosenstock gibt mir noch ein paar Anweisungen. "Bei einer Geschwindigkeit von 145 Knoten ziehen Sie den Steuerknüppel etwas nach hinten und nehmen die Nase auf Fünf", sagt er. Fünf ist der unterste Wert auf der Steigleiter im Head-up-Display (HUD). Rosenstock löst die Parkbremse, einen Kippschalter zu meiner Linken, und sagt noch: "Den Eurofighter kann eigentlich jeder fliegen."

Anstatt mich zu beruhigen, macht mich dieser Satz nervös. In meiner Freizeit fliege ich Cessna 152, und selbst das viel zu selten. Es fühlt sich in etwa so an, als ob man vom Bobbycar auf einen Ferrari umsteigt. Immerhin ist das Jagdflugzeug der vierten Generation so konstruiert, dass der Pilot nicht außerhalb der Enveloppe fliegen kann. Falls doch, übernimmt der Eurofighter und gibt dem Piloten erst dann das Flugzeug zurück, wenn es wieder in einer kontrollierten Fluglage ist. Der Pilot kann diese Übernahme durch das Flugzeug auch selbst auslösen, indem er den prominent vor dem Stick platzierten DRF-Schalter (Disorientation Recovery Facility) drückt.

Mit der linken Hand schiebe ich die Schubhebel auf die erste Stufe, 145 Knoten sind schnell erreicht. Vorsichtig ziehe ich am Steuerknüppel zwischen meinen Knien, der Eurofighter hebt ab.

Eurofighter im Cessna-Modus

Ich sitze im Eurofighter-Cockpittrainer des Taktischen Luftwaffengeschwaders (TaktLwG) 31 "Boelcke" in Nörvenich. Zusammen mit dem größeren und komplexeren Full-Mission-Simulator bildet er das Pilot Synthetic Training System (PSTS). In diesen Simulatoren trainieren Luftwaffe-Piloten beispielsweise Notverfahren bei Triebwerksausfall oder Feuer an Bord, Anflüge bei schlechtem Wetter, aber auch Luftkämpfe. Sogar komplette Missionen können simuliert werden. Dafür lassen sich der Cockpittrainer und der Full-Mission-Simulator sogar untereinander vernetzen.

"Im Simulator lässt sich einsatznäher trainieren", sagt Rosenstock. "Auch bei den hochwertigsten Übungen müssen sehr viele Restriktionen beachtet werden, beispielsweise was den Luftraum, Geschwindigkeiten und Höhen angeht. Draußen geht es ja immer um die ultimative Flugsicherheit." Das fliegende Personal kann sich auf Manöver oder Auslandseinsätze vorbereiten und sich schon zuhause mit der fremden Umgebung vertraut machen.

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Ich habe noch nicht alle Infos auf dem HUD erfasst, als ich bemerke, dass ich zu steil steige. Die Fünf auf der Skala vor mir ist längst überschritten, das Flugzeug klettert auf die Zehn. Fragender Blick zum Fluglehrer. Auch ok, sagt Rosenstock. Unter der virtuellen Haube ist schließlich kein tuckernder Lycoming O-235, sondern zwei fauchende Eurojet EJ200 mit Nachbrenner. Jetzt noch das Fahrwerk einziehen. Auf etwa 5000 Fuß MSL gehe ich in den Reiseflug über. Rosenstock zeigt mir, wie ich die aktuelle Geschwindigkeit fest einstelle. 245 Knoten, ein für den Eurofighter recht gemächliches Tempo. Der Cessna-Modus sozusagen (auch wenn die 152 diese Geschwindigkeit nicht einmal mehr auf dem Fahrtmesser anzeigen könnte, geschweige denn damit fliegbar wäre).

Betrieben werden die Eurofighter-Simulatoren in Nörvenich, ebenso wie diejenigen Laage, Wittmund und Neuburg, von der Airbus-Tochter GFD im Auftrag der Bundeswehr. Das erklärt auch, warum die Simulator-Fluglehrer Zivilisten sind, sogenannte Civil Instructor (CI). Allerdings haben sie alle einen militärischen Hintergrund, wie Rosenstock, der selbst bis vor wenigen Jahren Tornado bei der Luftwaffe geflogen ist. In Nörvenich kümmern sich zwölf CIs um die Simulatorausbildung. Drei bis vier Slots à 1,75 Stunden stehen täglich auf dem Programm. Vom Towerlotsen über Controller bei der bodengeführten Abfangjagd bis hin zum Wettermacher: Die CIs schlüpfen in verschiedene Rollen, um die Simulation noch echter zu machen.

Realitätsnähe dank Rechner-Power

Eine Rechtskurve (mit weniger Schräglage, als der Eurofighter vertragen könnte) leite ich mit einer leichten Linksbewegung des Steuerknüppels aus. Im Gegensatz zur Cessna 152 muss ich übrigens im Kurvenflug kein zusätzliches Seitenruder geben. Eine manuelle Trimmung gibt es im Eurofighter auch nicht. In diesem Sinne ist das Fliegen dieses Kampfjets fast idiotensicher. Das ist nicht despektierlich gemeint, aber ein Eurofighter-Pilot soll eben während eines Einsatzes nicht zu sehr mit dem reinen Steuern des Flugzeugs beschäftigt sein. Er oder sie muss sich auf die Mission konzentrieren, zum Beispiel ein anderes Flugzeug abzufangen oder Raketen abzuschießen.

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Von Südwesten kommend fliege ich auf Köln zu. Jetzt habe ich kurz Zeit, mir die Computerwelt genauer anzusehen, die um mich herum auf die Innenseite der nach hinten offenen Simulatorkuppel projiziert wird. Über mir blauer Himmel, unter mir Wälder, Wiesen, Ortschaften – und ein Verkehrsflugzeug, das vom Airport Köln-Bonn gestartet ist. Ich erkenne den Rhein. Den Kölner Dom suche ich aber vergeblich. Der sei nicht programmiert worden, erklärt Rosenstock. Andere Bauwerke sind dafür gut erkennbar, das Fußballstadion zum Beispiel. Ich drehe nach links ab, fliege über die A 1. Dort unten rollt der Verkehr. Durch die Bewegung des Horizonts sagt mein Hirn mir, dass ich wirklich fliege.

Dass ich mich im Cockpittrainer fast wie in einem echten Flugzeug fühle, liegt unter anderem am ausgeklügelten Sichtsystem. Zwölf Projektoren werfen die computergenerierte Umgebung auf die 300-Grad-Leinwand. Im Full-Mission-Simulator sind es sogar 18 Projektoren, die eine 360-Grad-Außenansicht erzeugen. Jeder dieser Sichtsystemkanäle bietet eine WQXGA-Auflösung (Wide Quad Extended Graphics Array) von 2500 x 1536 Bildpunkten – deutlich mehr als ein Full-HD-Beamer für den Heimgebrauch. Im Hintergrund sorgt ein Cluster aus mehr als 100 Computern mit High-End-Grafikkarten für die nötige Rechnerleistung.

Fast perfekte Täuschung

Endanflug, ich sinke auf 2000 Fuß. Was ich zunächst für die Piste des Fliegerhorsts halte, entpuppt sich als lange, gerade Straße. Plötzlich materialisiert sich die Landebahn aus einem grauen Pixelbrei. Ich schlingere nach rechts und links, bis der Eurofighter gerade ausgerichtet ist. Rosenstock übernimmt die Schubregulierung, ich darf mich aufs Abfangen konzentrieren. Die Bahn wird größer, ich nehme die Flugzeugnase etwas hoch. 160 Knoten. "Ausflaren. Und jetzt die Nase runter. Die Bremsen gleichmäßig drücken", so Rosenstock.

Ok, wow, ich habe einen Eurofighter sicher gelandet. Zugegeben mit Unterstützung. Den Moment des Aufsetzens habe ich aber verpasst. Das Gefühl im Hosenboden fehlt. Der Eurofighter-Cockpittrainer ist eben kein Full-Flight-Simulator, der auf einem Hexapod steht und sich wie das echte Flugzeug bewegt. "Das lässt sich für hochagile Flugzeuge wie den Eurofighter nicht darstellen. Wie wollen Sie eine Rolle im Simulator nachahmen?", fragt Rosenstock.

Eine Möglichkeit für mehr Hosenboden-Gefühl gibt es aber, jedoch nur im Eurofighter-Full-Mission-Trainer. Dort kommt ein sogenanntes Motion-Cueing-System zum Einsatz: ein beweglicher Sitz, der die wirkenden Kräfte simuliert. Bei positiven g-Kräften fährt der Sitz abwärts, damit der Blickpunkt nach unten wandert, das Polster wird hart, das Gurtzeug locker. So entsteht der Eindruck, dass der Pilot in den Sitz gedrückt wird. Bei negativen g-Kräften hebt sich der Sitz entsprechend nach oben, das Polster wird weich, die Gurte gestrafft. Ein spezieller Anti-g-Anzug kann die Simulation unterstützen.

Flugsimulatoren werden zwar immer besser, das reale Fliegen können sie aber nicht komplett ersetzen. "Simulatoren sind ein bereicherndes Trainingswerkzeug. Aber man muss draußen fliegen. Man muss die Beschleunigungskräfte und die Lage im Raum spüren", sagt Sebastian Rosenstock.

Ob ich die mit einem Eurofighter möglichen 9 g in Echt ausprobieren würde? Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich reichen mir schon 2 g in einer 60-Grad-Kurve mit der Cessna 152. Die möchte ich aber auch lieber im Realflug spüren als in einem Simulator.

© Privat

Normalerweise fliegt Ulrike Ebner eine Cessna 152. Ihre PPL(A) hat sie seit 2018.

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