Die neue europäische Trägerrakete hat auf der Startrampe in Kourou, Französisch-Guayana einen kompletten Flug der Hauptstufe simuliert.
Es war der letzte wichtige Bodentest vor dem Erstflug: der lange Heißlauf des Hauptstufentriebwerks der integrierten Ariane 6 am 23. November. Dabei wurde das Vulcain 2.1 gezündet und feuerte anschließend bei vollem Schub mehr als sieben Minuten lang. Bei einem echten Flug wäre die Ariane 6 dann im All und Haupt- und Oberstufe würden sich trennen.
Vor der Zündung wurde die Trägerrakete wie auf einen echten Start vorbereitet, inklusive Betankung der Haupt- und Oberstufe mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff. Fünf Minuten vor dem Start begann die sogenannte synchronisierte Sequenz, bei der die Rakete die Kontrolle übernimmt. Angesetzt war die Zündung für 21 Uhr MEZ, doch der Countdown wurde 2 Sekunden und 42 Sekunden vor dem theoretischen Lift-off wegen eines Problems für etwas mehr als eine halbe Stunde angehalten. Es habe sich um eine leichte Anomalie beim "transienten Schwellendruck" gehandelt, so Tony Dos Santos, technischer Manager am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, der die Live-Übertragung kommentierte.
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Beim zweiten Anlauf klappte (fast) alles wie geplant. Sieben Sekunden vor dem imaginären Abheben zündete das Vulcain 2.1 und lief dann so lange wie bei einem echten Flug. Dabei wurde die Schubdüse testweise auch hin- und hergeschwenkt. Das dient der Korrektur der Flugbahn. In den acht Testminuten wurden 150 Tonnen kryogener Treibstoffe verbraucht.
Geplant war eine Testdauer von 470 Sekunden, allerdings schaltete das Triebwerk nach 426 Sekunden ab. Grund dafür war ein fehlerhafter Sensor, wie Toni Tolker-Nielsen, ESA-Direktor für Raumtransport, eine Woche nach dem Test in einer Pressekonferenz mitteilte. Für den Test sei eine Logik implementiert worden, die in diesem Fall eine Abschaltung zum Schutz der Startrampe vornahm. "Alle Ziele des Heißlauftests wurden aber erreicht", so Tolker-Nielsen. Bei einem echten Flug sei die Logik eine andere, dann würde die Triebwerksabschaltung lediglich 1,5 Sekunden vor dem Ende der geplannten Brenndauer erfolgen.
Neue Startrampe im Höllenfeuer
Das Vulcain 2.1 hat sein eigenes Kühlsystem, aber die Startrampe und die Deflektoren musste bei diesem aufwändigen Qualifikationstest vor der lange andauernden Hitze um die 3000 Grad Celsius geschützt werden. Dafür wurde das Wasser-Schallunterdrückungssystem so angepasst, dass das Pad konstant gekühlt werden konnte. Die Deflektoren, die die heißen Abgase, hauptsächlich Wasserdampf, zu den Seiten ableiten, wurden mit Kohlefaser-Paneelen verstärkt.
Als sich das Triebwerk nach acht Minuten ausschaltete, fiel wohl allen Beteiligten ein Stein vom Herzen. Denn der Test sollte eigentlich schon am 3. Oktober stattfinden, wurde aber wegen einer Anomalie an der Hydraulikgruppe des Schubvektorsteuerungssystems der Hauptstufe verschoben.
Der lange Heißlauftest dient der Qualifikation der Trägerrakete und der Startrampe. Ein erster, kurzer Heißlauftest fand bereits am 5. September statt. In der Nacht auf den 24. Oktober wurde in einem 36-Stunden-Marathon eine komplette Startsequenz in Kourou simuliert. Im Dezember ist noch ein vierter und letzter Heißlauftest mit der Ariane-6-Oberstufe in Lampoldshausen in Baden-Württemberg geplant. Die Oberstufe hat bereits am 1. September den Erstflug am Boden durchlaufen.
Die europäische Raumfahrtagentur ESA hatte angekündigt, nach dem langen Heißlauftest in Kourou ein Zeitfenster für den Erstflug 2024 zu veröffentlichen.
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