Fliegendes Zäpfchen mit Düsenantrieb: Businessjet Otto Phantom 3500

Otto Aviation Phantom 3500
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Das fliegende Zäpfchen mit Düsenantrieb

Otto Aviation aus den USA machte 2019 mit dem Diesel-Sparflugzeug Celera 500L von sich reden. Das Projekt ist Geschichte, der Dieselmotor gestrichen, die Tropfenform aber geblieben. Otto setzt jetzt auf Jet-Antrieb – und verzichtet bei der Phantom 3500 auf Fenster.

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Fenster? Im Flugzeug? Von gestern! Fenster bedeuten Löcher im Rumpf. Und Löcher sind gefährlich, da strukturelle Schwachstellen. Das jedenfalls ist die Meinung von Scott Drennan, Vizepräsident beim US-Unternehmen Otto Aviation und dort für das operative Geschäft zuständig. Außerdem sei ein Rumpf ohne Fenster einfacher und damit günstiger in der Produktion, argumentiert Drennan bei der Präsentation des Konzepts im Rahmen der Paris Air Show in Le Bourget weiter. Die Konsequenz: Bei seinem radikalen Entwurf "Phantom 3500", der als Geschäftsreiseflugzeug die Sparte der Super-Midsize-Jets aufmischen soll, lässt Otto Aviation die Gucklöcher weg – und setzt stattdessen auf großflächige Flachbildschirme, die den Fluggästen das Draußen-Panorama virtuell in die Kabine projizieren sollen.

Aber der Reihe nach: Otto Aviation aus Fort Worth in Texas war die Firma, die vor ein paar Jahren mit dem tropfenförmigen Sparflugzeug Celera 500L Furore machte. Das Konzept: ein tropfenförmiger Rumpf für optimale Aerodynamik, schmale Tragflächen und im Heck ein einzelner Diesel-Zwölfzylinder-Flugmotor mit maßgeschneidertem Propeller.

© Otto Aviation

Die Phantom 3500 von Otto Aviation soll den Flugzeugbau revolutionieren. Das zumindest ist der Anspruch.

Turbofans statt Diesel

Auf die Frage, was aus der Celera 500L geworden ist, gibt sich Otto-Mann Drennan betont bedeckt. Das sei vor seiner Zeit gewesen, unterstreicht er. Er und seine Firma seien aber überzeugt, dass der neue Ansatz, das Bizjet-Konzept Phantom 3500, deutlich zielführender sei als der Spar-Diesel. Das könnte unter anderem auch daran liegen, dass der Motorenbauer RED Aviation aus Deutschland, der den Flugdiesel für die Celera 500L lieferte, 2023 von einem heftigen Skandal erschüttert wurde: Wegen unerlaubter Exporte ins sanktionierte Russland verurteilte das Landgericht Koblenz RED-Firmenchef Vladimir Raikhlin zu fünf Jahren Gefängnis.

Wie dem auch sei, in Zukunft setzt Otto Aviation eben auf Jet-Antrieb. Für die Phantom 3500 hat man das bereits am Markt bewährte Williams FJ44 ausgesucht, das unter anderem diverse Citation-Modelle sowie die Pilatus PC-24 antreibt. Klingt ein wenig schwachbrüstig für einen Mittelklasse-Businessjet? Könnte man meinen. Otto Aviation argumnetriert allerdings, dass zum einen die spezielle Zäpfchenform, die auch die Phantom 3500 auszeichnet, zum anderen die fehlenden Fenster und zum Dritten die Vollcarbon-Auslegung des zuküftigen Flugzeugs derart viele Vorteile in Aerodynamik und Gewicht mitbrächten, dass die Phantom 3500 es mit den FJ44-Turbofans locker mit der Konkurrenz aufnehmen könne – und dazu im Vergleich zu Challenger 350, Citation Latitude oder Embraer Praetor 500 bis zu 61 Prozent weniger Treibstoff benötige.

© Otto Aviation

Die Phantom 3500 soll dank CFK-Bauweise leichter sein als vergleichbare Jets und deutlich höher fliegen.

Flughöhe 51.000 Fuß

Die Phantom 3500 ist ferner für Reiseflüge in großen Höhen konzipiert. Binnen 28 Minuten nach dem Start soll sie auf Flugfläche 510 klettern (51.000 Fuß, 15.545 Meter) und in der dünnen Höhenluft zusätzlich Treibstoff sparen. Die tropfenförmige Auslegung des Rumpfes erlaubt Otto Aviation nicht nur den Einbau einer großzügigen Kabine mit Stehhöhe, sondern soll außen – wie schon bei der Celera 500L – auch für laminare Luftströmung sorgen. Das bedeutet, dass die Luft schichtartig um die Außenhaut strömt, statt zu verwirbeln, was den Luftwiderstand erheblich verringert.

Um Laminarströmung zu erlangen, muss die Form vom Rumpf, den schlanken Flügeln und dem Leitwerk nicht nur genauestens berechnet und maßgenau gefertigt sein, sondern sie muss auch völlig glatt bleiben. Ein weiteres Argument gegen den Einbau von Kabinenfenstern – wenngleich Scott Drennan zugibt, dass der Effekt laut Berechnungen in 51.000 Fuß Höhe weniger ins Gewicht schlägt. Dafür produziere ein Flugzeug wie die Phantom 3500 dort oben etwa 90 Prozent weniger Kondensstreifen – was wiederum einen Segen fürs Klima darstelle. "Die Phanztom 3500 wird die Art, wie Flugzeuge gebaut werden, revolutionär verändern", ist sich der Otto-Manager deshalb sicher.

© Otto Aviation

Otto Aviation preist das Konzept Phantom 3500 als absolutes Sparwunder.

Ambitionierte Pläne

Als Leistungsprofil für seinen Phantom-Jet gibt Otto Aviation eine Reisegeschwindigkeit von Mach 0,78 sowie eine Reichweite von bis zu 6.480 Kilometern an. Die Kabine der Phantom 3500 werde 6,7 Meter lang, knapp 2,29 Meter breit und 1,96 Meter hoch sein. Das maximale Abfluggewicht soll 8.618 Kilogramm betragen. Den prognostizierten Listenpreis beziffert Otto Aviation derzeit mit 18 Millionen US-Dollar.

Scott Drennan legt Wert darauf, dass sich die Parameter der Phantom 3500 bei Bedarf bis zur Größe eines Kurz- und Mittelstreckenjets à la Boeing 737 skalieren lassen. Fürs erste aber konzentriert sich Otto Aviation ganz auf den Super-Midsize-Businessjet, dessen erster Prototyp planmäßig 2026 in die Endmontage kommen und 2027 erstmals fliegen soll – was, gelinde gesagt, ein sehr ehrgeiziges Unterfangen darstellt. Die Serienfertigung ist am Cecil Airport in Jacksonville (Florida) geplant – die entsprechende Fabrik muss jedoch noch gebaut werden. Militärische Ambitionen verfolgen die US-Amerikaner mit der Phantom 3500 aktuell nicht, wie mehrere Vertreter in Le Bourget auf Nachfrage der FLUG REVUE betonten.

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