Gescheiterte Übernahme: Boeing und Embraer im Rosenkrieg

Gescheiterte Übernahme
:
Boeing und Embraer im Rosenkrieg

© Patrick Zwerger

Seit dem Wochenende ist klar: Boeing und Embraer kommen doch nicht zusammen. Eigentlich wollte Boeing die Verkehrsflugzeugsparte des brasilianischen Konkurrenten mehrheitlich übernehmen. Daraus wird nun nichts – und beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld dafür.

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Mehr als zwei Jahre lang hatten Boeing und Embraer an dem Deal gefeilt: Ein Joint Venture für Airliner sollte es werden, "Boeing Brasil", mit Sitz in Brasilien und 80 Prozent Anteilen für die US-Amerikaner. Embraer hätte seinen Bereich Verkehrsflugzeuge aus dem Gesamtkonzern gelöst und in das Joint Venture überführt, die E-Jets der Brasilianer wären künftig unter der Ägide von Boeing gebaut worden. Aus der Politik hatte man grünes Licht erhalten, die Sache schien in trockenen Tüchern. Doch nun ist alles geplatzt. Boeing hat die bereits beschlossene Übernahme abgesagt, Boeing Brasil wird es nicht geben.

Boeing gibt Embraer die Schuld

Embraer habe auch nach langen Verhandlungen "gewisse Bedingungen nicht erfüllt", hieß es zur Begründung seitens des zuständigen Boeing-Managers Marc Allen. Deshalb habe Boeing zur vereinbarten Frist von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Vertrag zu kündigen. Die Verhandlungen seien zwar stets produktiv, aber "letztlich erfolglos" verlaufen. Das sei "zutiefst enttäuschend", sagte Allen – und gab damit gleichzeitig den Anstoß für einen regelrechten Rosenkrieg, der sich nun zwischen den beiden verhinderten Partnern entspinnt.

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Der geplatzte Vertrag beinhaltet nur das Verkehrsflugzeug-Joint Venture. Die gemeinsame Vermarktung des Militärtransporters C-390 ist davon nicht betroffen.

Embraer wehrt sich energisch

Denn Embraer lässt den Schwarzen Peter, den Boeing den Brasilianern zugeschoben hat, nicht einfach auf sich sitzen – im Gegenteil: Die Kündigung sei nicht rechtmäßig, Embraer sei sehr wohl allen Verpflichtungen des Vertrages nachgekommen, schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung. Vielmehr versuche Boeing, sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vor Zahlungspflichten zu drücken. Angesichts der eigenen Finanzlage, der Probleme mit der 737 MAX sowie "anderer Geschäfts- und Imageprobleme" sei Boeing wohl schlicht nicht mehr bereit, die vereinbarte Summe von 4,2 Milliarden US-Dollar in das Projekt einzubringen. "Wir glauben, dass Boeing ein systematisches Muster von Verzögerungen und wiederholten Verstößen gegen den Master-Transaktionsvertrag begangen hat", so Embraer. Die Brasilianer kündigten deshalb rechtliche Schritte an und fordern Schadenersatz. Man werde auf diesem Gebiet alle Möglichkeiten gegen Boeing ausschöpfen: "Unsere über 50-jährige Geschichte ist geprägt von vielen Siegen, aber auch einigen schwierigen Momenten. Alle davon haben wir überwunden. Und genau das werden wir wieder tun."

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