Die Erholung der Lufthansa entwickelt sich weit schleppender als im schlechteren der beiden Szenarien, welche die Bundesegierung im Juni für möglich hielt. Laut "Spiegel" schließen manche Führungskräfte deshalb ein Schutzschirmverfahren nicht aus.
Der Vorteil läge zumindest für Großaktionär Heinz Hermann Thiele auf der Hand: drei Monate nach Einleitung des Verfahrens wäre kein Arbeitsplatz mehr geschützt und teure Tarifverträge, die CEO Carsten Spohr schon lange vor der Coronakrise ein Dorn im Auge waren, verlören ihre Gültigkeit. Wie der "Spiegel" berichtet, sollen nach dem Willen Thieles 30.000 Stellen gestrichen werden, um Kosten zu sparen. Angebote der Pilotengewerkschaft, mit Teilzeimodellen und Einschnitten beim Gehalt Kosten zu sparen: nicht genug.
Lufthansa fährt einen monatlichen Verlust von 350 Millionen Euro ein. Im Winter wird die Boeing 747-8I auf Langstrecken großteils vom Airbus A350 ersetzt.
350 Millionen Euro Verlust pro Monat
"Ich habe den Einstieg bei Lufthansa nicht bereut", zitiert das Magazin den Großaktionär, der seit dem Frühjahr 12,4 Prozent an der Lufthansa hält. "Aber wir sind an einem toten Punkt angekommen, wo dringend ein tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt und umgesetzt werden muss." Einigen sich Vorstand und Gewerkschaften nicht im Rahmen bestehender Vereinbarungen auf einen sozial verträglichen Stellenabbau, muss die Lufthansa nach Ansicht Thieles die Tarifverträge kündigen. Auch die Bundesregierung müsse sich fragen, "wie lange es vertretbar ist, dass mit öffentlichen Mitteln Jobs erhalten werden, für die es keinen Bedarf mehr gibt." 350 Millionen Euro verliert der Konzern nach wie vor jeden Monat. 410 der 763 Flugzeuge stehen am Boden – mit dem neuen Lockdown im November könnten über hundert weitere dazukommen. Statt der im schlechteren Szenario der Bundesregierung angenommenen 35 Prozent Auslastung lag die Auslastung im Oktober bei 25 Prozent.
Wohl ein Bild aus vergangenen Tagen: Die Zukunft der A380 bei Lufthansa ist rabenschwarz.
Weitere Finanzhilfe nötig?
Auch Regierungsvertreter sind ob dieser Zahlen offenbar der Ansicht, dass die Lufthansa schleunigst deutlich schlanker werden muss. Die Personalkosten würden die Airline "auffressen, wenn nicht etwas dagegen unternommen werde", zitiert der "Spiegel" einen Regierungsvertreter. Bislang sind lediglich Flugbegleiter und Konzernführung zu einer Einigung über Sparbeiträge gelangt. Ähnliche Fortschritte mit Piloten und dem Bodenpersonal stehen aus. Selbst der Verkauf von Airlines der Konzerngruppe oder der renommierten Technik-Sparte scheint in der aktuellen Lage kein Tabu mehr zu sein. Dreht sich die Situation auf dem internationalen Reisemarkt nicht innerhalb kürzester Zeit – was angesichts weltweit hoher Infektionsraten unwahrscheinlich ist – könnte die Lufthansa im nächsten Jahr sonst, nach den neun Milliarden Euro im Juni, eine weitere Finanzhilfe des Staates benötigen.
Schutzschirm als bessere Alternative
Dies würde nicht nur ein persönliches Horrorszenario für Carsten Spohr bedeuten, sondern für den Konzern auch die Gefahr einer Überschuldung und in der Folge einer harten Insolvenz bergen. Attraktiver erscheint einigen Mitgliedern der Führungsriege da laut "Spiegel"-Informationen ein Schutzschirmverfahren. Im Zuge einer Insolvenz in Eigenverwaltung könnte das Management die Airline ohne langwierige Verhandlungen mit Gewerkschaften drastisch verkleinern – alles im Sinne des Gläubigerausschusses.
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