„Man spürt die Aufbruchstimmung nach der Pandemie“
Martin Sauerschnig ist seit 2019 CEO der FERCHAU Aviation Group. Im Interview spricht der gebürtige Österreicher darüber, warum der IT- und Ingenieursdienstleister den Entwicklungen immer einen Schritt voraus sein muss und wie Kompetenzen in neuen Bereichen aufgebaut werden.
Die FERCHAU Aviation Group ist der Zusammenschluss unserer spezialisierten Standorte in Deutschland, Frankreich, Spanien und UK und bündelt unser gesamtes Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsgeschäft als Entwicklungspartner für große Kunden aus diesen Branchen. Wir entwickeln für OEMs [Original Equipment Manufacturer, Flugzeug- und Triebwerkshersteller; d. Red.] und für Zulieferer Produktlösungen, von der kommerziellen Luftfahrt über Cabin and Cargo, Airframe, bis hin zu Avionik und Softwarelösungen. Was uns besonders hervorhebt: Wir entwickeln und fertigen auch Hardware, zum Beispiel Simulatoren und Trainer für die Luftfahrt sowie Ground Support Equipment für die Raumfahrt, also Anlagen, um Satelliten oder Komponenten zu fertigen, zu transportieren oder auch zu testen.
Welche Rolle spielen die aktuellen Programme der Flugzeughersteller für FERCHAU?Die großen Airbus-Programme – A321XLR oder A350 Frachter – treiben viele neue Entwicklungsthemen an. Sie sind aber auch programmatisch wichtig, weil sie viele dazugehörenden oder ergänzenden kleineren Entwicklungsprojekte mit anstoßen. Diese Vielfalt benötigen wir auch als IT- und Ingenieursdienstleister.
Momentan spürt man die Aufbruchstimmung nach der Pandemie. Viele Programme werden neu aufgelegt oder weiterverfolgt, in den unterschiedlichen Achsen. Konnektivität, aber auch Nachhaltigkeit werden eine große Rolle spielen in der Kabine. Das ist bis jetzt etwas stiefmütterlich behandelt worden.
Nachhaltigkeit beschäftigt die gesamte Luftfahrt. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?Für uns als IT- und Ingenieursdienstleister besonders wichtig sind die nachhaltigen Antriebssysteme. Wir haben uns schon vor einigen Jahren überlegt, welche Wette wir eingehen können. Denn es gibt ja viele Ansätze. Wir haben uns früh eine eigene, kleinere Strategie zurechtgelegt. Wir versuchen über unterschiedliche Programme, teilweise mit Förderprogrammen des Bundes, teilweise über Eigenentwicklungen, Kompetenzen aufzubauen und Technologie- und Produktbausteine zu entwickeln, die allesamt auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen.
Ein Programm bei uns ist das Verbundprojekt LiquiDrone. Das machen wir für das BMDV (Bundesministerium für Digitales und Verkehr) über den Projektträger BAV mit dem Projektpartner ZAL und weiteren kompetenten Partnern. Wir weisen damit nach, dass gewisse Subsysteme für künftige Antriebssysteme mit Flüssigwasserstoff im Kleinen funktionieren: der Leichtbau, die Miniaturisierung, das Smart Metering des Wasserstoffverbrauchs. Wir wollen damit einen Produktbaustein entwickeln, der später skalierbar wird und eventuell bei größeren Programmen zum Einsatz kommt. Im nächsten Schritt bekommt man das vielleicht schon in eine produktartige Plattform. Das ist die kleine Strategie, die wir für uns festgelegt haben, um der großen Strategie der OEMs zu helfen. Obgleich die Wette noch offen ist, ob es Flüssigwasserstoff oder nachhaltiger Flugkraftstoff wird.
Muss ein IT- und Ingenieursdienstleister den Entwicklungen immer einen Schritt voraus sein?Die Erwartungshaltung ist so, dass wir ein Stück weit antizipieren, wohin die Trends gehen und zum richtigen Zeitpunkt Kompetenzcluster vorhalten können. Das ist auch richtig so. Wir versuchen zudem, Know-how aus anderen Bereichen in die Luft- und Raumfahrt und Verteidigung zu transferieren – und umgekehrt. Zum Beispiel bei der Digitalisierung in der Produktion haben wir geschaut, welche Methoden wenden andere Industriezweige an und was können wir übertragen.
Wie auch unsere Kunden kämpfen wir um jeden Kandidaten und möchten unsere Mitarbeiter auch in ihren technischen Karrierepfaden konsequent weiterentwickeln. Dafür müssen wir als Entwicklungsdienstleister auch Möglichkeiten bieten. Neben spannenden Entwicklungsprojekten für die Programme unserer Kunden gehören dazu aber auch eigene Forschungsprojekte in den unterschiedlichsten Bereichen. Wir nutzen diese Forschungsprojekte ganz gezielt, um junge Leute zu inspirieren. Wir zeigen damit auf, dass wir eine eigene Roadmap verfolgen wollen, die uns als Unternehmen, aber auch unsere Mitarbeiter weiterbringen soll. Das ist ein wichtiger Faktor, den man als Dienstleister nie aus den Augen verlieren darf.
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