Italiens Kampfhubschrauber-Biest: Auge in Auge mit der AW249 Fenice

Leonardo AW249 Fenice
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Auge in Auge mit Italiens Kampfhubschrauber-Biest

© Patrick Zwerger 12 Bilder

Leonardo aus Italien baut den größten, schwersten und leistungsstärksten Kampfhubschrauber, der in Europa je entwickelt wurde. Bei der Paris Air Show in Le Bourget bot sich die Chance für ein erstes Rendezvous mit der neuen AW249 Fenice (deutsch: Phönix).

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Drohend kauert das mattschwarze Drehflügler-Ungetüm auf dem Freigelände des Pariser Aérosalons am Messestand von Leonardo: Zum ersten Mal haben die Italiener ihre neueste Hubschrauber-Schöpfung nach Le Bourget mitgebracht, die AW249 ist der (un)heimliche Star im Static Display. Mit dem Vorgängermodell A129 Mangusta aus den 1990er-Jahren hat die AW249 nichts mehr gemeinsam – sie ist eine komplette Neuentwicklung. Gegenüber der eher filigranen Mangusta und auch dem Eurocopter Tiger wirkt der kraftstrotzende Neuling wie ein schlafendes Biest, das nur darauf wartet, endlich entfesselt zu werden.

Das ist kein Zufall, denn die AW249 überragt alle bisher dagewesenen Kampfhubschrauber "made ein Europe" deutlich in ihren Dimensionen. Mit 8,3 Tonnen Abfluggewicht, 17,63 Metern Länge, einer Höhe von 4,26 Metern und 14,6 Metern Rotordurchmesser konkurriert sie eher mit Boeings Dauerbrenner AH-64 Apache. Der ist – wenngleich fortlaufend modernisiert – aber schon 50 Jahre alt, wohingegen Leonardo die AW249 von Grund auf neu entwickelt hat. Nicht ohne Stolz spricht der Italo-Konzern daher von seiner Fenice als dem modernsten und fortschrittlichsten Kampfhubschrauber weltweit.

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Die Leonardo AW249 Fenice ähnelt dem bewährten Design des Apache-Kampfhubschraubers aus den USA und spielt leistungstechnisch in derselben Liga.

Apache-Design, viele Waffen

Die AW249, entwickelt in enger Zusammenarbeit mit dem italienischen Heer und der Beschaffungsbehörde DAAA, soll alles mitbringen, um im Umfeld heutiger und zukünftiger Kampfszenarien siegreich bestehen zu können. In seiner Auslegung adaptiert der neue Helikopter das Design seines US-Pendants Apache mit Zwei-Mann-Cockpit in Tandemauslegung, konventionellem Haupt- und Heckrotor, Stummelflügeln und starrem Spornrad-Fahrwerk.

Unterm Kinn trägt die Fenice eine massive, schwenkbare, dreiläufige 20-mm-Gatlingkanone des Typs TM-197B, die bereits bei der A129 Mangusta Verwendung fand und bis zu 2.000 Meter weit schießen kann. Je zwei Aufhängungspunkte links und rechts unter den Flügelstummeln bieten Platz für vielfältige Arten der Bewaffnung. Dazu zählt die radargesteuerte Panzerabwehr-Lenkwaffe Spike von Rafael aus Israel in den Ausführungen Long Range 2 oder Extended Range 2 mit acht, beziehungsweise 16 Kilometern Reichweite. Zur Wahl stehen weiter eine lasergelenkte Version der 70-Millimeter-Rakete Hydra aus den USA, Zusatztanks oder diverse Sensor-Pods. Für die Zukunft ist die Integration einer semi-aktiven, lasergelenkten Luft-Boden-Lenkwaffe und einer Luft-Luft-Lenkwaffe geplant. An den Flügelspitzen finden überdies je zwei Stinger-Luft-Luft-Raketen mit Infrarot-Suchkopf Platz. Die maximale Nutzlast der AW249 liegt laut Leonardo bei 2.800 Kilogramm.

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Unter den Stummelflügeln der Fenice finden allerhand Luft-Luft- und Luft-Boden-Waffen Platz. An den Flügelspitzen können je zwei Stinger mitgeführt werden.

Leistungsstark und zielsicher

Die Flugleistungen der Fenice übersteigen die Parameter der A129 Mangusta bei Weitem: Mit 309 km/h Höchstgeschwindigkeit fliegt die AW249 deutlich schneller und kann über vier Stunden in der Luft bleiben. Die Dienstgipfelhöhe liegt bei 6.100 Metern, die Steigrate beträgt beeindruckende 716 Meter pro Minute. Ermöglicht wird dies unter anderem durch die beiden jeweils bis zu 2.500 WPS leistenden General Electric CT7-8E6-Turbinen. Sie sollen der AW249 in jeder Lage zu herausragenden Flugeigenschaften verhelfen.

Seine Ziele nimmt der neue Kampfhubschrauber über das maßgeschneiderte, im Bug montierte OTS (Observation and Targeting System) ins Visier. Es besteht aus einem Infrarot-Zielsystem, einem Laser-Entfernungsmesser und einem Laser-Zielsystem. Am Bug befindet sich außerdem ein zweites elektrooptisches System mit zwei Infrarot-Sensoren für die Navigation. Darüber hinaus gibt es ein LiDAR-System (Light Detection And Ranging) und ein Mikrowellenradar zur Erkennung von Geländeprofil und Hindernissen.

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Das Beobachtungs- und Zielstystem (OTS) der AW249 sitzt in der Nase. Es wurde von Grund auf neu und speziell für die AW249 entwickelt. 

Kampfhubschrauber der nächsten Generation

Als "Kampfhubschrauber der nächsten Generation" ist die AW249 ferner mit zukunftsweisender Avionik ausgestattet, die Leonardo komplett in Eigenregie entwickelt hat. Markenzeichen ist eine offene Systemarchitektur, die den Mangusta-Nachfolger auch in den kommenden Jahrzehnten stets auf der Höhe der Zeit halten soll. In den beiden Cockpits – der Pilot sitzt im Normalfall hinten, der Bordschütze vorn – dominiert je ein 20 Zoll großer Touchscreen-Bildschirm, der laut Hersteller stets nur die für die aktuelle Einsatzphase relevanten Informationen anzeigt, um das Situationsbewusstsein zu verbessern. Letzteres soll auch das neue Battlefield Management System (BMS) garantieren. Es kann enorme Datenmengen verarbeiten und vermittelt der Besatzung in Echtzeit eine übersichtliche Darstellung des Gefechtsfelds – sowohl über die Cockpit-Bildschirme als auch über ein Integriertes Helmdisplay, ähnlich dem in Lockheed Martins Stealth-Fighter F-35A. Die Besatzung der AW249 wird außerdem bei ihrer Entscheidungsfindung durch KI-Systeme unterstützt.

Ein umfangreiches Selbstschutzsystem mit digitalem Radarwarnempfänger, Raketen- und Laserwarnsystem, Düppel- und Flare-Werfern sowie einem System für direkte Infrarot-Gegenmaßnahmen soll die Fenice möglichst wirkungsvoll vor feindlichem Beschuss bewahren. Durch spezielle Linienführung und eine radarabsorbierende Beschichtung will Leonardo zudem die Signatur seines neuen Kampfhubschraubers möglichst klein halten.

© Leonardo
Leonardo AW249 Fenice Europas neuer Kampfhubschrauber für Italiens Armee

AW249 auch für Deutschland?

Italiens Armee ist bislang der einzige feste Kunde für die AW249. Die Italiener haben bislang 48 Exemplare bestellt, die ab 2027 an die Heeresflieger gehen sollen. Ansonsten zeigte sich vor rund zwei Jahren Ungarn ernsthaft interessiert. Auch Algerien bekundete öffentlich Interesse. Deutschland könnte die AW249 langfristig als Nachfolgemuster für den ungeliebten Tiger-Kampfhubschrauber ins Auge fassen, der 2033 ausgemustert werden soll. Zwar bestellte die Bundeswehr bei Airbus Helicopters schon den Mehrzweckhubschrauber H145M als Tiger-Nachfolger, inklusive 24 Rüstsätzen für die bewaffnete Ausführung. Ein vollwertiger Tiger-Ersatz ist die H145M bei Lichte betrachtet jedoch nicht. Gut möglich also, dass Deutschland früher oder später tatsächlich den Kauf einiger AW249 Fenice ins Auge fasst. Irgendwo müssen die Milliarden aus den "Sondervermögen" ja schließlich hin.

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