Russlands alte Turboprop-Riesen müssen in Rente gehen
Noch immer stehen ein paar wenige An-22 "Antei" in Diensten der russischen Luftwaffe. Doch die Tage der Turboprop-Giganten sind wohl endgültig gezählt: Die veralteten Lastenesel müssen in Rente gehen. Damit verschwindet das größte Prop-Flugzeug aller Zeiten vom Himmel.
Die Antonow An-22 "Antei" ist ein fliegendes Fossil – und was für eins! Mit 80 Tonnen Nutzlast, einer Spannweite von 64,4 Metern, fast 58 Metern Länge und 250 Tonnen Startgewicht ist der in der Sowjetunion gebaute Frachter das größte jemals in Serie gebaute Flugzeug mit Turboprop-Antrieb. Wenig verwunderlich, dass auch die vier Motoren der An-22 mit Superlativen glänzen: Wenn die An-22 ihre Kusnezow NK-12-Turboprops hochfährt, wackelt kilometerweit das Geschirr in den Schränken – und Freunde des guten Klangs geraten ins Verzücken. Das NK-12 ist, mit bis zu 15.000 PS, das stärkste Turboprop-Triebwerk aller Zeiten.
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"Antei"-Ausmusterung
Der Klang der Kusnezows wird auch in Zukunft nicht verstummen: Russlands Langstreckenbomber Tu-95 nutzt als Antrieb ebenfalls vier NK-12. Die Silhouette der An-22 indessen dürfte bald vom Himmel verschwinden – wie es aussieht, für immer. Die russische Luftwaffe, einziger verbliebener Betreiber der "Antei", will ihre Propellerriesen demnächst stilllegen. Das verkündete der Kommandeur der russischen Transportfliegerkräfte, Wladimir Benediktow, kürzlich im russischen Fernsehen. Man werde den Einsatz der berühmten Anteis "leider in diesem Jahr beenden", so Benediktow in der Sendung "Solowjow Live" vom 4. Juni.
Die russische Luftwaffe ist der letzte aktive Betreiber der An-22. Wie es aussieht, nicht mehr lange.
Die letzten An-22
Von der An-22 wurden zwischen 1965 und 1976 insgesamt 68 Exemplare gebaut. Die meisten sind längst verschrottet oder stehen im Museum – etwa in Russlands Flugzeug-Schatzkammer Monino bei Moskau oder in Deutschland, im Technikmuseum Speyer. Eine weitere An-22 gehört zur Flotte der ukrainischen Antonov Airlines aus Kiew-Hostomel. Das als UR-09307 registrierte Exemplar war die einzige "Antei" im zivilen Einsatz und flog zahlreiche Frachtmissionen in aller Welt – auch für die NATO. Seit 2021 aber stand sie – ohne Propeller – auf dem Antonow-Werksflughafen in Hostomel, wo sie Ende Februar 2022 bei Kampfhandlungen zwischen russischen und ukrainischen Streitkräften schwer beschädigt wurde. Dass sie jemals wieder abhebt, ist sehr unwahrscheinlich.
Museumsreife Frachter
So sind die wenigen flugklaren "Anteis" der russischen Luftwaffe, stationiert auf dem Fliegerhorst Twer-Migalowo, die letzten verbleibenden Vertreterinnen ihrer Art. In den vergangenen drei Jahren traten allerdings auch bei den Russen nur zwei An-22 in Erscheinung, namentlich die RA-09309 (Baujahr 1975) und die RA-09341 (Baujahr 1974). Die Uralt-Viermots gelten im Betrieb als sehr fehleranfällig und wartungsintensiv, sammelten in der jüngeren Zeit nur wenig Flugstunden und dürften nun endgültig das Ende ihrer Lebensdauer erreichen. Was mit ihnen nach der Pensionierung geschehen wird, darüber gibt es aus Russland bislang keine Informationen.
Die Transportflieger in Twer-Migalowo werden sich in Zukunft voll auf die noch größere An-124 Ruslan sowie auf die kleineren Muster Il-76 und An-12 konzentrieren.
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