Allein der Sound ist atemberaubend. Wenn die An-22 ihre vier Kusnezow NK-12-Turboprops hochfährt, wackelt kilometerweit das Geschirr in den Schränken – und Freunde des guten Klangs geraten ins Verzücken. Das NK-12 ist, mit bis zu 15.000 PS, das stärkste Turboprop-Triebwerk, das je gebaut wurde. In den 50er-Jahren entwickelt von ehemaligen Junkers-Ingenieuren um den Österreicher Ferdinand Brandner, treibt es neben der Antei auch die unvergleichliche Tupolew Tu-95 an. Das ist allerdings wieder eine andere Geschichte. Bleiben wir bei der An-22!

Zwei flugfähige An-22 – weltweit
Die feierte ihren Jungfernflug im Februar 1965 – vor fast 57 Jahren also. Knapp 70 Anteis baute Antonow hernach bis 1976 – und während nach der Wende ein Exemplar in der Ukraine als ziviler Transporter Karriere machte, blieben einige wenige ihrer alten Aufgabe treu: Die russische Luftwaffe setzte die Antei vom Fliegerhorst Twer aus, 170 km nordwestlich von Moskau, weiter für militärische Transportaufgaben ein. Doch die alten Schlachtrösser kamen in die Jahre, ihre Zahl schrumpfte und schrumpfte – bis schließlich nur noch zwei aktive Exemplare blieben: die An-22 RA-09341, Baujahr 1975 und ihre etwas ältere Schwester RF-09309, Baujahr 1974. Und da die letzte ukrainische Antei seit fast einem Jahr bei Antonow im Hangar steht, gelten diese beiden Oldies als die derzeit einzigen flugfähigen An-22 weltweit.

Zurück im Dienst – und schwer aktiv
Eine ganze Weile lang waren auch sie zum Nichtstun verdonnert. Denn die alten Damen brauchen sehr viel Pflege – und erhielten im Hangar der Wartungsfirma JSC 308 ARZ, einer Tochter der staatlichen Flugzeugbau-Hoding UAC, auf dem Stützpunkt Iwanowo-Sewerny eine mehrmonatige Frischekur. Anfang September kehrten sie in ihre Heimat Twer zurück, wo sie in der Folgezeit in unregelmäßigen Abständen zu Testflügen aufstiegen. Für eine der beiden Anteis, die RA-09341, wurde es dabei kürzlich etwas ungemütlich: sie und ihre Crew mussten bei wüstestem Schmuddelwetter ihre Fähigkeiten beweisen. Oder, wie es das russische Verteidigungsministerium ausdrückt: "unter schwierigen meteorologischen Bedingungen". Bei minimaler Sicht, tiefhängender Wolkendecke und starkem Seitenwind ging es für die An-22 auf Trainingsmission. "Die Besatzungen absolvierten Starts, Kurvenflüge, Landungen und Durchstartmanöver", heißt es dazu aus Russland. Die Anflüge auf den Stützpunkt Twer erfolgten dabei nach Instrumentenflugregeln (IFR), "ohne Sichtbezugspunkte".
Einsatz bei jedem Wetter
Zweck solcher Flüge sei es, so das Verteidigungsministerium, "den Ausbildungsstand und die Kampfbereitschaft der Besatzungen für Flüge bei jedem Wetter aufrechtzuerhalten" und die Crews im Einsatz für Landungen unter widrigen Bedingungen zu wappnen. Ein von der russischen Regierung veröffentlichtes Video bietet interessante Einblicke in die Arbeit der Crews, zeigt es doch auch Filmsequenzen aus dem Cockpit. In jedem Fall ist eine fliegende An-22 für Außenstehende immer ein spektakulärer Anblick – egal bei welchem Wetter. Bleibt zu hoffen, dass die wuchtigen "Flugsaurier" aus Twer noch möglichst lange ihre Runden drehen, bevor sie eines Tages doch dem Zahn der Zeit anheimfallen.