Die Xian Y-20 ist Chinas Antwort auf die Boeing C-17. In Europa bekommt man den vierstrahligen Militärfrachter höchst selten zu Gesicht. Normalerweise. Am Wochenende allerdings flogen gleich sechs Y-20 von China nach Belgrad und zurück – zweimal. Was war der Grund?
Der nach Nikola Tesla benannte Flughafen der serbischen Hauptstadt Belgrad ist immer wieder Schauplatz besonderer Flugbewegungen. So waren in der Vergangenheit bereits beide Iljuschin Il-62M des weißrussischen Fracht-Carriers Rada Airlines aus Minsk in Belgrad zu Gast. Seltene Flugzeuge sieht man an Serbiens größtem Airport also öfter. Die Landung von gleich einem halben Dutzend chinesischer Xian Y-20 aber ist auch für Belgrader Verhältnisse höchst ungewöhnlich. Die sechs Frachter der chinesischen Volksbefreiungsarmee trafen in der Nacht von Freitag auf Samstag kurz nacheinander am Tesla-Flughafen ein. Dass besagte sechs Y-20 nach ihrem ersten Besuch wieder nach Hause flogen, nur um am Sonntag abermals in Belgrad aufzuschlagen, macht die Sache nur noch interessanter. Was also bewog die Chinesen, eine ganze Kolonne großer Militärfrachter nach Serbien zu schicken – und das gleich zweimal?
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Luftabwehrraketen im Gepäck?
Offiziell bestätigte Angaben zu dieser aufsehenerregenden Aktion gibt es bis dato nicht. Serbische und internationale Medien berichten jedoch übereinstimmend, dass die Chinesen neue Luftabwehrsysteme für Serbiens Armee im Gepäck hatten. Denn im August 2020 hatten die Serben bei der chinesischen Regierung Boden-Luft-Raketenbatterien vom Typ FK-3 bestellt. Die FK-3 ist die Exportversion des Systems HQ-22 – eine radargesteuerte Rakete mit einer Reichweite von etwa 170 Kilometern, die herannahende Objekte in Flughöhen von 50 bis 27 000 Metern bekämpfen kann. Eine typische FK-3-Batterie besteht nach Angaben der Zeitung Eurasian Times aus einem Radarfahrzeug und drei mit je vier Raketen bestückten Abschussfahrzeugen. Jede Batterie kann demnach sechs Luftziele gleichzeitig bekämpfen. Serbiens Präsident Vucic bezeichnete die Neuerwerbung laut Deutschlandfunk als "Stolz des serbischen Militärs."
Höchstwahrscheinlich lieferte der Tross aus zweimal sechs Y-20 chinesische FK-3-Luftabwehrsysteme nach Serbien.
"Beispiellose Auslandsoperation"
Was aber fast noch interessanter ist als die mutmaßliche Fracht, ist der logistische Aufwand, den China für die Lieferung auf sich nahm. Ein chinesischer Militärexperte wertete die Aktion gegenüber dem Web-Portal Global Times als "beispiellose Auslandsoperation" für Chinas Luftwaffe, die es in diesem Ausmaß bisher noch nicht gegeben habe. Sechs Xian Y-20 ins Ausland zu schicken, sei ein neuer Rekord. Bisherige Missionen außerhalb Chinas hätten stets maximal zwei Flugzeuge umfasst, so der Experte weiter. Auch im Inland seien sehr selten so viele Y-20 gleichzeitig zum selben Ziel unterwegs. Die beiden Flüge nach Serbien und zurück markierten eine "signifikante Verbesserung der strategischen Langstreckentransportfähigkeiten" der chinesischen Luftstreitkräfte.
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Neuer Frachter mit alten Motoren
Die Xian Y-20 ist eine chinesische Eigenentwicklung, bei der in den Anfängen auch der ukrainische Flugzeugbauer Antonow Pate stand. Der Vierstrahler flog erstmals im Januar 2013. Die ersten beiden Serienflugzeuge nahmen Mitte Juni 2016 beim 12. Regiment der 4. Transportdivision in Chengdu offiziell ihren Dienst auf. Wie viele Y-20 inzwischen ausgeliefert wurden, ist unklar. Je nach Quelle will die Luftwaffe der Volksrepublik China bis zu 400 Exemplare beschaffen.
Die Y-20 rangiert in Größe und Flugleistungen zwischen der russischen Iljuschin Il-76 und der US-amerikanischen C-17 von Boeing, bietet maximal 66 Tonnen Nutzlast, bis zu 10.000 Kilometer Reichweite und besitzt zeitgemäße Avionik. Weniger zeitgemäß sind dagegen die Triebwerke. Diese hat die Y-20 von der Il-76 geerbt: Der chinesische Transporter fliegt mit vier D-30KP-2-Turbofans aus dem Hause Solowjow – einem Uralt-Antrieb aus sowjetischer Produktion, dessen erste Generation bereits seit Mitte der Sechzigerjahre in der Tupolew Tu-134 zum Einsatz kam. Das D-30KP zeigt sich gegenüber dieser Originalvariante stark verbessert und besitzt unter anderem einen größeren Fan, ist vom heutigen Gesichtspunkt aus betrachtet aber trotzdem eher technisches Mittelalter. Es ist deshalb geplant, spätere Serienmaschinen mit dem in China gebauten WS-20 Huanghe auszustatten. Die Erprobung dieser Y-20B genannten Variante läuft.
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