Die Entscheidung naht: 2022 will die US Army verkünden, welches Fluggerät die Nachfolge der UH-60 Black Hawk antreten soll. Sikorsky und Boeing gehen mit der Defiant X ins Rennen – und jagten den Highspeed-Helikopter jüngst bei Missionstests durchs Gelände.
Südflorida, Anfang Januar 2022. Ein mattschwarzer Helikopter hebt sich hoch über die sumpfigen Weiten der dünnbesiedelten Region. Aus dem Reiseflug kippt er mit einem Mal im 60-Grad-Winkel über die linke Seite ab, geht in den Sinkflug – und beschleunigt. Mit einer für Hubschrauber atemberaubenden Geschwindigkeit von 437 km/h nähert er sich seinem Zielgebiet, prescht im rasanten Tiefflug an die anvisierte Landezohne heran. Die aber liegt mitten in einem Wald. Der Hubschrauber legt eine Vollbremsung hin, sinkt waagerecht ab und landet zielstrebig zwischen den Bäumen – nur um kurz darauf wieder zu starten und, den Konturen des Geländes folgend, den Heimweg anzutreten.
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Kein "Airwolf"-Remake
Was sich hier liest wie die Dreharbeiten für ein Remake der 80er-Jahre-Kultserie "Airwolf", beschreibt in Wahrheit die jüngsten Flugtests von Sikorsky und Boeing mit dem neuen Super-Helikopter Defiant X. Der soll, wenn es nach dem Willen seiner Schöpfer geht, dereinst die Nachfolge der legendären Black Hawk bei der US Army antreten – und steht beim hierfür von der Army ausgelobten Wettbewerb im Zweikampf mit dem Kipprotror-Wandelflugzeug Bell V-280 Valor. Die eingangs beschriebene Szene, zu sehen auch in einem von Boeing bereitgestellten Video, sollte darlegen, wie sich die Defiant X bei realitätsnahen Manövern in Geländenähe schlägt.
Mit der Defiant X soll die US Army laut Sikorsky und Boeing den perfekten Hubschrauber für das Schlachtfeld der Zukunft erhalten.
Pfeilschnell und hochpräzise
Mit den Ergebnissen dieser Missionsporfil-Tests sind die Entwickler offenbar sehr zufrieden. Der Defiant X-Prototyp habe die Mission "mit unübertroffener Geschwindigkeit und Agilität" erfüllt, freute sich Boeing in einer Pressemitteilung. "Die Defiant X wird es künftigen Army-Besatzungen ermöglichen, tief und schnell durch komplexes Gelände zu fliegen, wo die Armeeflieger die meiste Zeit verbringen", so der Hersteller weiter. Besonders herausragend sei dabei die Fähigkeit der Defiant X, abrupt aus dem schnellen Vorwärtsflug abzubremsen, indem der Schub des als Druckpropeller wirkenden Heckrotors verringert wird.
Anders als bei herkömmlichen Hubschraubern üblich, müsse die Defiant X dazu auch die Nase nicht nach oben nehmen, sondern könne komplett waagerecht verzögern und absinken. Cheftestpilot Bill Fell merkte an, dass die Piloten dadurch die Landezone stets im Blick behalten könnten, was das Situationsbewusstsein deutlich verbessere. Das Fly-by-wire-System der Defiant X erleichtere die Arbeit im Cockpit zusätzlich.
Die Auslegung der Defiant X basiert auf einem koaxialen Hauptrotor und einem als Druckpropeller wirkenden Heckrotor.
"Extrem enge" Landefläche
Die für die Tests genutzte Landezone im Wald sei zudem "extrem eng" gewesen, unterstreicht Fell. "Das zwang uns dazu, den Abstieg bis fast über den Landepunkt hinauszuzögern, um dann fast senkrecht hinabzusinken". Anschließend seien die Testpiloten "mit geringem Kraftaufwand genau auf dem Ziel gelandet". Dabei entspreche die benötigte Landefläche der Defiant X genau jener, die auch ein Black Hawk-Hubschrauber beanspruche – mit dem Unterschied, dass der Zukunfts-Hubschrauber mit Koaxial-Hauptrotor und Schubpropeller im Einsatz fast doppelt so schnell und doppelt so weit fliegen kann wie sein vielgerühmter Vorgänger. Das ist zumindest das erklärte Ziel der Defiant X-Entwickler – und eine zentrale Vorgabe des Wettbewerbs, dessen Sieger die Army wohl in diesem Jahr verkünden wird.
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