Der Orbital Test Flight-2 (OFT-2) der neuen Raumkapsel wurde wegen technischer Probleme abgesagt. Es könnte Monate dauern, bis sich die nächste Flugmöglichkeit zur ISS ergibt.
Boeing hat den CST-100 Starliner von der Atlas-5-Trägerrakete entfernt und zurück in die Commercial Crew and Cargo Processing Facility gebracht, um Probleme mit korrodierten Ventilen des Antriebssystems tiefergehend zu untersuchen und zu lösen. Darüber informierten Boeing und die NASA am Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Ein neues Startdatum für den zweiten bemannten Testflug wurde noch nicht genannt. OFT-2 kann allerdings frühestens Ende Oktober stattfinden, nach dem Start der NASA-Asteroidenmission Lucy und der Crew-3-Mission (mit dem Deutschen Matthias Maurer) mit einer Crew Dragon von SpaceX im Oktober sowie nach der Rückkehr der Crew-2-Kapsel zur Erde. Möglicherweise rutscht der Starliner-Test auch auf Anfang 2022, mehr als zwei Jahre nach dem missglückten Erstflug des Raumschiffs.
Unmittelbar vor der endgültigen Absage des Testflugs hatten bereits zwei Starttermine verschoben werden müssen. Der geplante Start am 30. Juli war einem Problem des neuen russischen Moduls Nauka an der ISS einen Tag zuvor zum Opfer gefallen und auf den 3. August verschoben worden. An diesem Tag wiederum wurde der Countdown frühzeitig abgebrochen, weil die Ingenieure entdeckt hatten, dass sich zahlreiche Ventile des Starliner-Antriebssystems nicht in Startkonfiguration befinden. Es handelt sich um Ventile der Schubdüsen für das Manövrieren im Orbit, sie kommen auch bei einem Notfall nach dem Start zum Einsatz.
Ventile sitzen fest
Daraufhin war die Atlas 5 mit dem Starliner an der Spitze in die Vertical Integration Facility zurückgeschoben worden, wo Boeing-Teams sich des Problems annahmen. Nach Angaben von Boeing waren 13 Ventile unerwartet geschlossen. Am 12. August meldete der US-Luft- und Raumfahrtkonzern, dass neun der betroffenen Ventile "nach der Anwendung elektrischer und thermischer Techniken" geöffnet seien und normal funktionierten. An den vier übrigen Ventilen wird noch immer gearbeitet.
Ursache für das Problem ist laut John Vollmer, Vice President und Programm-Manager des Commercial-Crew-Programms von Boeing, dass Stickstofftetroxid die Teflon-Dichtungen in den Ventilen durchdringt. Dieser Oxidator reagiere mit Feuchtigkeit und bilde Salpetersäure. Die wiederum führe zur Korrosion der Ventile und dem Festsitzen in der geschlossenen Stellung. Woher die Feuchtigkeit hinter den Dichtungen stammt, ist noch unklar und wird untersucht.
Der unbemannte Test ist der letzte Meilenstein vor dem ersten Flug der Boeing-Kapsel mit Besatzung. Er wird nun wohl frühestens Anfang 2022 stattfinden, einen genauen Termin haben die NASA und Boeing bisher nicht genannt. Zur Crew gehören die NASA-Astronauten Barry Wilmore, Nicole Mann und Michael Fincke.
Wiederholung nach Fehlschlag
OFT-2 ist die Wiederholung des unbemannten Erstflugs, der am 20. Dezember 2019 wegen diverser Probleme abgebrochen werden musste. Immerhin konnte der Starliner damals sicher landen. Gründe für den Misserfolg waren Softwarefehler sowie Kommunikationsstörungen.
Boeing musste daraufhin massiv nachbessern. Ein unabhängiges Expertenteam riet nach Abschluss der Untersuchung des missglückten Erstflugs zu 80 Veränderungen am Raumschiff. Dazu gehörten Software-Updates, intensivere Integrationstests von Hard- und Software, aber auch organisatorische Anpassungen bei der Sicherheitsberichterstattung bei Boeing.
Für die OFT-2-Mission, die Boeing aus eigenen Mitteln bezahlt, kommt die zweite Starliner-Kapsel zum Einsatz. Sie war ursprünglich für den ersten Flug mit Besatzung gedacht.
Der Starliner ist neben der Crew Dragon von SpaceX die zweite private US-Raumkapsel, mit der die NASA im Rahmen des Commercial-Crew-Programms Astronauten zur ISS befördern lassen will. Die Crew Dragon absolvierte ihren ersten unbemannten Testflug zur ISS und zurück zur Erde vom 2. bis 8. März 2019, der erste bemannte Test erfolgte vom 30. Mai bis zum 2. August 2020. Seither flog die SpaceX-Kapsel bereits zwei reguläre Missionen zur ISS.
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