DLR weiht neuen Raketenprüfstand ein
In Lampoldshausen bei Heilbronn ist ein neuer Prüfstand eingeweiht worden, mit dem erstmals ganze Raketenoberstufen der Ariane 6 getestet werden können. Der Teststand für chemische, flüssige Raumfahrtantriebe ist europaweit einzigartig.
Bei strahlend blauem Himmel wurde der Prüfstand P 5.2 am 26. Februar auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingeweiht. Voraussichtlich ab Ende des Jahres können kryogene Oberstufen für die Ariane 6 unter Bodenbedingungen getestet werden, ebenso sind Betankungs- und Qualifikationstests möglich. Dafür zuständig ist das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe.
Auftraggeber der hochkomplexen und leistungsfähigen Anlage ist die Europäische Weltraumorganisation ESA, die Finanzierung von rund 50 Millionen Euro erfolgte durch deutsche ESA-Beiträge zum Entwicklungsprogramm der Ariane 6.
Einzigartig in Europa
P 5.2 ist ein besonderer Prüfstand: Erstmals kann mit ihm die komplette Oberstufe der Ariane 6, das sogenannte „Upper Liquid Propulsion Module (ULPM), getestet werden, wobei die Oberstufe mit laufendem Triebwerk betrieben wird. Grundsteinlegung für die Anlage war im Herbst 2014. Bislang konnten in Lampoldshausen einzelne Raketentriebwerke oder deren Komponenten geprüft werden.
Die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Pascale Ehrenfreund bezeichnete den neuen Prüfstand als europaweit einzigartig und eines der größten Projekte in der Geschichte des DLR-Standorts Lampoldshausen. Nach Aussage des DLR sei die Verzahnung zwischen Forschung, Entwicklung, Design und Planung sowie Triebwerkstests in Lampoldshausen so eng wie an keinem anderen europäischen Großprüfstand für Raumfahrtantriebe. Diese enge Zusammenarbeit zahle sich unter anderem bei einer Verkürzung der Entwicklungszeiten aus.
Forschungen für die Zukunft
“Er ist unsere Antwort auf die neuen Anforderungen im weltweiten Raumtransport: anpassungsfähig in kurzer Zeit, flexibel im Einsatz und kosteneffizient. Dieser Prüfstand spiegelt die strategische und wirtschaftliche Bedeutung des europäischen Raumtransports wider und trägt maßgeblich zum Erhalt eines sicheren, wettbewerbsfähigen und unabhängigen Zugangs zum All bei„, so Ehrenfreund. Im Rahmen der Feierlichkeiten wurde die Bedeutung eines modernen und effektiven Entwicklungs- und Teststandort für flüssige, chemische Raumfahrtantriebe hervorgehoben. Besonders in Zeiten des Wandels der Raumfahrtbranche mit einem verschärften Wettbewerbsumfeld sei dies für die Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Raumfahrt entscheidend, so der DLR-Vorstand für das Raumfahrtmanagement, Dr. Walther Pelzer.
Auch zur Zeit nach der Ariane-6-Entwicklung macht man sich in Lampoldshausen Gedanken: Die Teststände sollen auch für Triebwerke mit Methan-Verbrennung ausgebaut werden und so europäische Pläne zur Entwicklung des neuen Prometheus-Methan-Triebwerks unterstützen. Der Umbau soll rund 30 Millionen Euro kosten.
Raketentechnik Made in Germany
Die Oberstufe einer Rakete liefert den notwendigen Schub, um die an Bord befindlichen Satelliten an der gewünschten Position im Orbit auszusetzen, sobald die Rakete den Weltraum erreicht hat. Steuerungselektronik, welche die Rakete auf Kurs hält, ist ebenso in der Oberstufe untergebracht. Ihre Konfiguration kann je nach Mission und Nutzlast angepasst werden. Die Oberstufe der Ariane 6 wird in Bremen hergestellt. Angetrieben wird die Stufe durch das kryogene Vinci-Triebwerk, welches in Ottobrunn bei München gefertigt wird. Durch seine mehrfache Wiederzündbarkeit können mehrere Nutzlasten in verschiedenen Orbits ausgesetzt werden.
Die Oberstufe der Ariane 6 wird 11,6 Meter hoch sein, ihr Durchmesser beträgt 5,4 Meter. Das Vinci-Triebwerk läuft mit Flüssigwasserstoff und Flüssigsauerstoff. Die Brenndauer beträgt maximal 848 Sekunden bis zu vier Zündungen.
Bevor die Triebwerke der Ariane 6 zum ersten Mal ins All fliegen, werden sie in Lampoldshausen viele Tausend Testsekunden absolvieren. Mit über 60 Jahren Erfahrung ist es möglich, alle notwendigen Testkampagnen für Flüssigantriebe der Ariane durchzuführen: von der Entwicklung über die Qualifikation bis hin zu Abnahmetests, so der Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe, Prof. Stefan Schlechtriem. Auf dem Gelände befinden sich außerdem Testanlagen von Kleinprüfständen zum Testen von Komponenten und Technologiedemonstratoren bis hin zu Großanlagen, wie sie für die Haupt- und Oberstufentriebwerke der Trägerraketen nötig sind.
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