In internen Emails ließen Boeing-Ingenieure Frust über Termin- und Kostendruck bei der 737 MAX freien Lauf. Nun hat Boeing Hunderte Seiten aus den Protokollen offengelegt. Monate vor dem ersten Absturz war vielen Boeing-Insidern klar, dass die 737 MAX nicht flugsicher ist.
„Hochgradig verstörend“ sei das, was Boeing kurz vor den Feiertagen der Aufsicht und dem US-Kongress da vorgelegt habe, stach eine Quelle an Nachrichtenagenturen durch. Und selbst Boeing räumte ein, dass die Chatverläufe aus der heißen Phase der 737 MAX-Zulassung heikel sind.
„Gott hat mir bisher nicht vergeben“
Die 737 MAX werde „von Clowns entwickelt, die von Affen beaufsichtigt werden“, beschwert sich darin ein Mitarbeiter. Andere würden ihre Familien nicht in die 737 MAX setzen. Und wieder andere plagen Gewissensbisse: „Gott hat mir bisher nicht für das vergeben, was ich letztes Jahr alles verschleiert habe“, heißt es in einem auf Mai 2018 datierten Verlauf.
Kritik perlte an der Hybris der Boeing-Chefetage ab. „Ich weiß nicht, wie man diese Dinge korrgieren kann“, schrieb ein Mitarbeiter einem Kollegen im Juni 2018. „Das ist systemisch. Das ist Kultur. Es ist Tatsache, dass wir ein leitendes Führungsteam haben, das sehr wenig von unseren Aufgaben versteht und uns dennoch zu bestimmten Zielen treibt.“
737 MAX-Fertigung in Renton: Boeing-Mitarbeiter machten ihrem Frust über das Flugzeug und ihre Vorgesetzten in Emails Luft.
Anweisung: kein Simulatortraining
Nur eine Vorgabe: 737NG-Piloten sollten ohne teure Simulatortrainings auch die 737 MAX fliegen dürfen. „Lassen Sie mich klarstellen, wie wichtig es ist, dass es kein Simulatortraining beim Wechsel von der NG auf die MAX geben wird“, hielt der technische Chefpilot 2017 in einem Memo fest. „Boeing wird das unter keinen Umständen erlauben – wir werden jede Aufsichtsbehörde zur Rede stellen, die versucht, uns derartige Auflagen zu machen.“
Seit dieser Woche erachtet auch Boeing Simulatorstunden für 737 MAX-Piloten als sinnvoll, nachdem sich der Konzern unter seinem Chef Dennis Muilenburg noch 2019 dagegen gesperrt hatte. Allerdings ist Muilenburg inzwischen nicht mehr im Amt – mit der ersten Veröffentlichung der Protokolle wies Boeing dem Manager die Tür.
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