Die zweite Iljuschin Il-114-300 soll demnächst endlich abheben

Zwei Jahre nach der ersten
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Die zweite Il-114-300 soll an Weihnachten abheben

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Mit der Iljuschin Il-114-300 hat Russlands Regierung große Pläne. Allerdings ruht die Erprobung des Regional-Turboprops seit Sommer 2021. Doch jetzt kommt wieder Bewegung in die Sache: Vor den Toren Moskaus rüstet sich der zweite Prototyp der Il-114-300 zum Erstflug.

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Der Dezember scheint für die Iljuschin Il-114-300 ein guter Monat zu sein. Schon der erste Prototyp des neuen Regional-Airliners feierte im Dezember seinen Jungfernflug – allerdings schon vor zwei Jahren, am 16. Dezember 2020. Seither ist eine Menge passiert, nur leider war darunter wenig Positives für die Il-114-300. Die ist nämlich seit Sommer 2021 nicht mehr geflogen, die für 2022 avisierte Zulassung musste um mindestens ein Jahr verschoben werden, und ob aus der nun für 2024 (statt für 2023) angesetzten Übergabe erster Serienflugzeuge etwas wird, steht ebenfalls noch in den Sternen. Der 26. Dezember dieses Jahres aber könnte all das – zumindest für eine gewisse Zeit – vergessen machen. Denn für diesen Tag haben Offizielle den Erstflug des zweiten Prototypen angekündigt, der in Luchowizy gefertigt wurde.

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Der Rumpf der zweiten Il-114-300 Ende 2020 im Montagewerk Luchowizy. Inzwischen ist das Flugzeug fertiggestellt und wartet auf den Erstflug.

Die Wiege neuer Il-114-300

Luchowizy ist eine Kleinstadt in der Oblast Moskau. Hier soll künftig die Wiege aller neuen Il-114-300 liegen, denn das örtliche Flugzeugwerk übernimmt beim Serienbau des Musters die Endmontage. Die russische Regierung plant mit mindestens 70 neuen Il-114-300 bis Ende 2030. Ein erstes Fertigungslos über 19 Flugzeuge für die fernöstliche Regionalfluglinie Aurora soll den Anfang machen. Der Prototyp, der nun vor Ort in den Startlöchern steckt, ist das erste wirklich neue Exemplar des Tiefdeckers. Die Zelle des Schwesterflugzeugs, das vor zwei Jahren in Schukowski abhob, hat dagegen schon 27 Jahre auf dem Buckel. Gebaut wurde sie laut der Datenbank "russianplanes" bereits im Januar 1994, und zwar als achte von insgesamt nur 20 Il-114 der ersten Generation. Neu sind bei dieser Maschine "nur" die Avionik und die Motoren.

Auch der zweite Prototyp der Il-114-300 wird mit zwei Klimow TW7-117-ST-01 bestückt sein. Es gibt in Russland keine adäquate Alternative, und Motoren aus dem Ausland sind sanktioniert.

Das Triebwerks-Debakel

Ebenjene Motoren sind allerdings der Hauptgrund dafür, warum das Projekt seit fast anderthalb Jahren nicht mehr richtig vom Fleck kommt. Denn als am 17. August 2021 in der Nähe des Fliegerhorsts Kubinka der Prototyp des Militärtransporters Il-112W wegen eines Triebwerkschadens abstürzte und die dreiköpfige Test-Crew in den Tod riss, hatte das auch für die Il-114-300 weitreichende Folgen. Der Airliner und der Frachter nutzen nämlich Varianten desselben Turboproptriebwerks TW7-117ST aus dem Hause Klimow – und das offenbarte, nach allem, was über den Crash von Kubinka bekannt ist, bei dem Unfall eklatante Schwächen. Möglicherweise geriet es durch Überhitzung in Brand und löste damit eine Kette verhängnisvoller Ereignisse aus. Deshalb waren fortan auch Flugtests mit der Il-114-300 tabu – und sind es bis heute.

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„Leute mit Hühnerhirnen“ Heftige Kritik nach Absturz der Il-112W

Ohne Alternative

Ob die Ermittlungen zum Unfall inzwischen tatsächlich ein systemimmanentes Problem beim TW7-117ST festgestellt haben, das konstruktiv behoben wurde, oder ob das Problem bei der Version TW7-117-ST-01, mit der die Il-114-300 fliegt, vielleicht gar nicht besteht, wird von offizieller Stelle nicht erklärt. Gesichert scheint jedoch, dass auch der zweite Prototyp der Il-114-300 mit den genannten Klimow-Turboprops bestückt ist – es gibt in Russland schlichtweg keine zeitgemäße Alternative dafür. Gleichzeitig stehen die Projektverantwortlichen angesichts der Vorgaben aus der Politik unter Druck, endlich vorzeigbare Ergebnisse zu liefern.

Wenn der für Weihnachten angekündigte Erstflug tatsächlich die Wiederaufnahme der Flugtests einleitet und nicht nur eine Eintagsfliege bleibt, dürfte das dennoch wohlüberlegt geschehen. Denn bei allem Ehrgeiz, den Russland nun in das rasche Vorankommen neuer ziviler Flugzeugprojekte investiert: Den Absturz einer mit Passagieren besetzten Linienmaschine, verursacht durch das Versagen eines nicht ausgereiften Triebwerks, wird man sich nicht leisten können.

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