Nach den Gerüchten der letzten Monate ist es nun also offiziell: Am 1. Juni informierte das Verteidigungsministerium das Parlament über die Entscheidung zur Nachfolgelösung des Waffensystems CH-53. Nach "sorgfältiger Betrachtung aller Faktoren" hat die Bundesministerin der Verteidigung, Christine Lambrecht, entschieden, "die Beschaffung von 60 CH-47F in der modernen und zukunftsfähigen Konfiguration Block II Standard Range mit Luftbetankungsfähigkeit einzuleiten".
"Wir haben die Vor- und Nachteile und auch Risiken gründlich abgewogen – und uns dann einhellig für dieses Modell ausgesprochen. Die Chinook ist modern und erprobt. Mit diesem Modell stärken wir unsere Kooperationsfähigkeit in Europa. Zudem bekommen wir hier eine größere Flotte und gewinnen an Flexibilität", äußerte sich die Ministerin. Auch Luftwaffeninspekteur Generalleutnant Ingo Gerhartz lobte in einem Tweet pflichtschuldig die Wahl: "Die Chinook ist eine Entscheidung für Europa! Viele Möglichkeiten zur Kooperation mit unseren Nachbarn! Ein einsatzerprobter, technisch ausgereifter und marktverfügbarer Hubschrauber sichert operationelle Flexibilität. Richtige Entscheidung für die Truppe."
Auch wenn das Parlament, sprich der Verteidigungs- und Haushaltsausschuss, vermutlich schon in den nächsten Wochen, den Kauf noch absegnen muss, ist somit ein in den letzten fünf Jahren heftig umkämpftes Rüstungsprogramm in die Wege geleitet – ermöglicht durch das gerade gebilligte 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr.

Langwieriger Entscheidungsprozess
Die Saga begann im Dezember 2017, als das Verfahren zur Beschaffung eines neuen schweren Transporthubschraubers (STH) offiziell gestartet wurde. Infrage kamen nur die Boeing CH-47 Chinook und die CH-53K von Sikorsky (Teil des Lockheed-Martin-Konzerns). Sonderwünsche führten allerdings dazu, dass die Kosten weit über den vorgesehenen 5,6 Milliarden Euro lagen und das Ministerium deshalb im September 2020 das Verfahren stoppte. Es folgten Klagen von Lockheed Martin, die erst im letzten Dezember vom Oberlandesgericht Düsseldorf final abgewiesen wurden.
Mit dem aktuellen Panikmodus bei den Beschaffungen infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine und die dadurch ausgerufene "Zeitenwende" musste es nun wohl schnell gehen. Auch bei Details wie Kosten und Lieferzeiten dürfte die CH-47F im Vorteil sein, mit einer Lieferung von 2025 bis 2030 für eine "zeitgerechte Ablösung" der CH-53G beim Hubschraubergeschwader 64 in Laupheim und Holzdorf und der Tatsache, dass angeblich die Investitionskosten für 44 CH-53K noch eine Milliarde Euro über denen für 60 CH-47F gelegen haben. Generell kann man davon ausgehen, dass der Stückpreis der King Stallion doppelt so hoch liegt wie beim Chinook.
Moderne Systeme
Die sonstigen Argumente für die Chinook sind hinlänglich bekannt, wie die Interoperabilität mit anderen NATO-Partnern, insbesondere den Niederlanden, mit denen die Bundeswehr bereits eng zusammenarbeitet. Technisch gesehen sind die Unterschiede gering, auch die aktuellen Chinooks haben zum Beispiel ein fortschrittliches Common Avionics Architecture System (CAAS) von Collins im Cockpit und ein Digital Automatic Flight Control System (DAFCS). Die Luftbetankungsfähigkeit, über die bisher nur die MH-47 der Special Forces verfügen, will Boeing im Zuge des Foreign-Military-Sales-(FMS-)Verfahrens direkt ab Werk liefern. Dies sei kein Entwicklungsprogramm, versicherte das Unternehmen. Verwunderlich ist, dass die Luftwaffe nun CH-47F mit den kleinen Tanks erhalten soll, nachdem zu Beginn immer Illustrationen mit den Langstreckentanks gezeigt wurden. Durch die größere Stückzahl der Chinook gewinnt die Luftwaffe natürlich nicht nur an Flexibilität, sie braucht auch mehr Besatzungen. Für die Wartung soll der Personalbedarf allerdings vergleichbar sein und bei rund 420 Dienstposten liegen. Insgesamt wurden die Betriebskosten pro Jahr wohl in ähnlicher Größenordnung kalkuliert. Nicht ganz klar ist der Bedarf an Baumaßnahmen an den Standorten. Für beide Muster wären Maßnahmen notwendig – mehr Chinooks benötigen auf jeden Fall mehr Hallenfläche, auch weil sich die Rotorblätter nicht falten lassen.
Was die Konfiguration des Block-II-Standards betrifft, hat Boeing im Übrigen gerade Ärger mit der US Army. Die lehnt es ab, die geplanten neuen Rotorblätter einzuführen, da es mit diesen bisher unlösbare Vibrationsprobleme und Strömungsabrisse der rücklaufenden Blätter des hinteren Rotors gibt. Der Rest der Upgrades, wie ein verbessertes Getriebe für mehr Drehmoment, Zuverlässigkeitsmodifikationen am Rotorkopf oder Modifikationen an den Tanks für 380 Liter mehr Kapazität, soll jedoch weiterentwickelt werden. Auf Druck des Kongresses soll die Lieferung von (aus Gebrauchthubschraubern umgerüsteten) CH-47F Block II im nächsten Jahr beginnen.
Da die US Army wohl nur eine begrenzte Zahl von Block II beschaffen wird, ist für Boeing der deutsche Auftrag zur Auslastung des Werks in Ridley Park bei Philadelphia durchaus wichtig. Deshalb wurde im Entscheidungsendspurt am 25. März auch noch die Einbeziehung von Airbus Helicopters in Donauwörth als "strategischer Partner" verkündet. Außerdem gibt es das Versprechen, zusammen mit den Partnern "mehr als 500 hoch qualifizierte Arbeitsplätze" in Deutschland zu schaffen.

Deutsche Partner
"Mit dem Chinook wird Deutschland den günstigsten, bewährtesten und interoperabelsten schweren NATO-Transporthubschrauber einsetzen", so Boeing. Man versicherte, man werde "gemeinsam mit unserem Chinook-Deutschland-Team – AERO-Bildung, Airbus Helicopters, CAE, ESG, Honeywell, Lufthansa Technik und Rolls-Royce Deutschland – … der Bundeswehr über Jahrzehnte hinweg ein Höchstmaß an Einsatzbereitschaft … bieten."

Boeing CH-47F Chinook
Allgemeine Angaben
Besatzung: 2 – 3 (Pilot, Copilot, Flugingenieur) plus Lademeister
Soldaten: 32 als Standard, bis zu 57 Maximum oder 24 MedEvac-Tragen
Antrieb: 2 x Honeywell T55-GA-714As
max. Leistung: 2 x 3653 KW (4968 shp)
Getriebelimit: 5593 kW
Abmessungen
Rumpflänge: 15,88 m
Länge über alles: 30,18 m
Höhe: 5,77 m
Rotordurchmesser: je 18,29 m
Rotorkreisfläche: 2 x 262,6 m²
Kabinenlänge: 9,19 m
Kabinenbreite: 2,29 m
Kabinenhöhe: 1,88 m
Kabinenvolumen: 41,65 m³
Massen
Leermasse Block II: ca. 12 155 kg
max. Zuladung: ca. 10 000 kg
max. Außenlast: 12 700 kg
max. Kraftstoff: 3900 l
max. Startmasse (Block I): 22 680 kg
Flugleistungen
max. Geschwindigkeit: 314 km/h
Marschgeschwindigkeit: 222 – 265 km/h
Dienstgipfelhöhe: 6095 m
Reichweite laut Bundeswehr: ca. 1000 km