Einige Alternativen gab es bereits früher – zum Beispiel Erd-Schleppverfahren, bei denen das Modell mittels Messwagen oder -schlitten geführt wurde, oder die Flug-Schleppverfahren, bei denen ein Modell im Schlepp hinter oder auf einem Trägerflugzeug erprobt wurde. Auch mit Freiflugmodellen, Modellen im Rundlauf, selbst startenden oder von einem Flugzeug abgeworfenen hatte man Erfahrung gesammelt.
Aber bei den Rundlaufmessungen kamen die Modelle in selbst verursachte Wirbelschleppen, und um eine Geschwindigkeit von Mach 1.2 zu erreichen, hätte der Arm der Anlage eine Länge von 1,7 Kilometern aufweisen müssen. Bei schienengebundenen Messwagen waren die Schienenführung und der Radkörper problematisch, sodass man auf Kufen zurückgriff. Zur Umgehung des Reibungswiderstandes experimentierte man in Deutschland bereits zwischen 1943 und 1945 mit Magnetschwebetechnik. In den USA erreichte 1946 erstmals ein Hochgeschwindigkeits-Messschlitten auf Stahlschienen Überschallgeschwindigkeit. Die Messstrecke auf der Anlage des Holloman Air Development Center betrug 1100 Meter, die Bahnen des Air Force Flight Test Center auf der Edwards Air Base waren bis zu 3,5 Kilometer lang. Hier erreichte ein ein Tonnen schwerer Schlitten sogar Mach 1.3. Angetrieben wurde er von 15 Raketen mit einer Schubkraft von 67 500 kp. Die Kufen nutzten eine Stellit-Auflage, eine Hartlegierung auf Chrom-Kobalt-Basis. Der Nachteil dieser Anlage bestand in der sehr kurzen Messzeit.
Im Jahr 1953 schrieb die WGL (Wissenschaftliche Gesellschaft für Luftfahrt, heute die DLR) einen Wettbewerb aus, um nach Verfahren zu suchen, die Windkanäle ersetzen konnten.
Rudolf Schmidt und Paul Klages beteiligten sich mit zwei interessanten Entwürfen. Sie legten den Schwerpunkt auf Senkung der Anlagen- und Betriebskosten und auf Vereinfachung der Modellmessverfahren. Beim ersten Entwurf handelte es sich um ein Modellträgerflugzeug. Klages und Schmidt konstruierten es mit stark gepfeilten Flügeln. Ihre Fläche war so bemessen, dass bei relativ hoher Geschwindigkeit im Messflug die Landegeschwindigkeit nicht zu hoch ausfiel. Die Maschine sollte ein Startgewicht von 6,5 Tonnen haben und von einem Hispano-Suiza HS Verdon 450 mit 4500 kp Standschub angetrieben werden. Die Besatzung in der druckdichten Kabine bestand aus einem Flugzeugführer und einem Messbeobachter. Die Spannweite lag bei neun Metern. Der dreiteilige, 16,5 Meter lange Rumpf war mit Bolzen-Trennstellen verbunden: Im ersten Teil befanden sich die Messanlagen; eine Klappe auf dem Rumpf im Mittelteil bot Zugang zum Platz des Messbeobachters. Das Cockpit verfügte über eine Schiebehaube. Der hintere Teil beherbergte das Triebwerk. Das Wechseln von Messkopf oder Triebwerk war daher völlig unkompliziert. Die Arbeitshöhe des Modellträgerflugzeugs lag zwischen 7000 und 12 000 Metern, die Arbeitsgeschwindigkeit bei Mach 1.05. Im Bahnneigungsflug wären auch Mach 1.1 und mit Zusatzraketen Mach 1.2 erreichbar gewesen. Der mitgeführte Treibstoff war so bemessen, dass die Flugdauer nach Steigflug auf 12 000 Meter für einen siebenminütigen Messflug ausreichte. Das Modell befand sich weit vor dem Rumpf der Trägermaschine. Somit waren keine Turbulenzen am Messobjekt zu erwarten. Der Messbeobachter konnte im Flug die Werte ermitteln und den Flugzustand des Modells unabhängig vom Trägerflugzeug entsprechend der beauftragten Messreihen durch Verstellung des Anstell- oder Schiebewinkels um jeweils 12 Grad beeinflussen. Das war möglich, weil der Ausleger des Messkopfes mit der Lanzenwaage über ein Kardangelenk verfügte.
Keine Zukunft für die Modelle auf Schienen
Wegen des großen Einflusses des beweglichen Auslegers auf die Flugstabilität sollte ein entsprechend dimensioniertes Leitwerk zum Einsatz kommen. Drei dieser Modellträgerflugzeuge hätten in den 1950er Jahren 7,6 Millionen DM gekostet. Selbst unter der Berücksichtigung, dass Flugzeuge eine höhere Abschreibung aufweisen als ein Windkanal, ergab sich damit ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 2:3 für das Trägerflugzeug.
Der zweite Entwurf von Klages und Schmidt war ein Trägerschlitten. Dieser sollte durch ein Strahltriebwerk angetrieben und auf vier Kufen doppelschienengeführt auf einer Kreisbahn mit einem Durchmesser von 16 Kilometern eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 1.2 erreichen. Die Spurbreite betrug zwei Meter. Zum Ausgleich der Zentrifugalkräfte sollte der Messbeobachter in einer Art Wiege liegen. Ein Fahrzeugführer war nicht erforderlich. Das Anfahren und Abbremsen hätte der Messbeobachter eingeleitet.
Als Antrieb war ein Rolls-Royce Derwent mit einem Standschub von 1650 kp (10,6 kN) und Dauerhöchstschub von 1500 kp vorgesehen. Bei Höchststaudruck lag die berechnete Belastung der gefederten Kufen bei 9300 kg/m². Der aerodynamische Ausgleich dieser Kräfte erfolgte durch Horizontalruder an den Kufen und drei Flossen, eine am Heck in Form eines Leitwerks und jeweils einer Flosse an den vorderen Kufen. Während der Fahrt wurde jede Kufe per Wasserstrahl heruntergekühlt.
Dazu waren 300 Kilogramm Kühlwasser an Bord. Die mitgeführten 250 Kilogramm Kraftstoff hätten eine Prüffahrt von etwa fünf Minuten ermöglicht. Das Gerät war damit deutlich effektiver als die amerikanischen Trägerschlitten. Das berechnete Leergewicht des Schlittens betrug 1600 Kilogramm, das Gesamtgewicht mit Modell, Messbeobachter und Betriebsmitteln 2150 Kilogramm. Das Abbremsen sollte per Schubumkehr erfolgen.
Der Trägerschlitten war mit dem gleichen beweglichen Ausleger des Messkopfes ausgestattet wie das Trägerflugzeug. Auch hier waren Einstellungen in der Vertikalen und Horizontalen im Winkel von zwölf Grad möglich. Klages und Schmidt konstruierten die bewegliche Lanzenhalterung des Messkopfes auf besondere Art, sodass sie nachträglich auch an anderen Flugzeugen montiert werden konnte.
Mit ihren Entwürfen gewannen beide Konstrukteure die Ausschreibung der WGL. Dass diese Entwürfe letztlich nicht verwirklicht wurden, mag der damaligen Situation geschuldet sein. Dennoch stellen sie bis heute einen interessanten Aspekt innovativer Erprobungstechnik dar.
Klassiker der Luftfahrt Ausgabe 04/2017