Airbus Innovation Days 2016
Hürdenlauf zu höheren Raten

Bei den „Innovation Days“ gibt Airbus einmal im Jahr einen Überblick über das Unternehmen. Diesmal standen die stark steigenden Produktionsraten im Mittelpunkt.

Hürdenlauf zu höheren Raten

Ich werbe intern sogar schon dafür, dass wir davon noch mehr als 60 Stück im Monat bauen“, sagte Airbus-Verkaufschef John Leahy zur Produktionsrate der A320 bei den Airbus Innovation Days, Ende Mai in Hamburg, angesichts der ungebrochenen Nachfrage. Bei der jährlich stattfindenden, zweitägigen Präsentation hatte sein Kollege, A320-Programmchef Klaus Röwe, erst kurz vorher die 60er-Monatsrate für das Jahr 2019 offiziell angekündigt. „Dann bauen wir nur noch neos“, verriet Röwe. Die A320neo habe gegenüber Boeings konkurrierender 737 MAX einen Marktanteil von gut 60 Prozent erreicht, rechnete der deutsche Programmchef stolz vor.

Insbesondere die A321-neo entwickle sich zum Erfolgsmodell der Familie. Wegen geringerer Bodenfreiheit könne Boeing seine 737 MAX weder gleichwertig verlängern, noch mit größeren Triebwerken, wie dem effizienten Getriebefan, aufrüsten. Dessen Kinderkrankheiten an der A320neo seien inzwischen überwunden. Dank kleinerer Modifikationen an der Welle und am Verdichter sowie zweier Software-Updates, einem zusätzlichen Druckknopf im Cockpit und einer erhöhten Betriebszulassung für nun 55 Grad Celsius Außentemperatur am Boden seien die Schwierigkeiten mit dem etwas heißer laufenden, modernen Triebwerk ausgeräumt worden. „Die Probleme liegen hinter uns“, lautete Röwes Fazit. Pratt & Whitney habe bereits die ersten verbesserten Triebwerke geliefert, ab Sommer würden sie an allen fabrikneuen Flugzeugen installiert. Aber auch mehrere Dutzend schon produzierte A320neo warten in Toulouse und Hamburg auf ihre Triebwerke.

„Bisher haben wir ja nur Gleiter gebaut“, spottete Tom Williams, Airbus Chief Operating Officer, in Hamburg. Höhere Produktionsraten und das Aufholen von Rückständen sind auch bei der A350 ein wichtiges Thema. Hier sprengte die verspätete Belieferung mit Sitzen, Küchen und Toilettenkabinen den sehr eng gesteckten Produktionszeitplan. In Zelthallen auf dem Toulouser A380-Vorfeld müssen diese Arbeitsschritte, die eigentlich noch vor der Sektionsmontage erfolgen sollten, nun nach der Fertigstellung des Flugzeugs aufwendig nachgeholt werden. „Wir hatten nicht vorhergesehen, dass die Lieferanten nicht mitkommen würden“, räumte Tom Williams ein. Dennoch will Airbus in diesem Jahr insgesamt 50 A350 bauen und die monatliche Produktionsrate schon bis Ende 2018 auf zehn erhöhen. 

Ab Ende 2017 soll auch die größte A350-Version, die A350-1000, ausgeliefert werden, ein Jahr nach ihrem geplanten Erstflug. In der ersten Jahreshälfte 2017 soll dann auch die erste A330neo, die mit neuen Triebwerken überarbeitete Version des Kassenschlagers A330, zum Erstflug starten. Bisher kein Kassenschlager, aber wenigstens ein in der reinen Fertigung nicht mehr defizitäres Programm, ist die A380-800. Hier steht eine Optimierung der Kabine für mehr Passagiersitze im Mittelpunkt: So sollen die Schlafsessel der Business Class im Oberdeck im Fischgrätmuster diagonal gestellt und mit der Fußseite weiter in Richtung Außenwand gerückt werden, sodass zehn Sitze mehr ins Oberdeck passen. Im Heckbereich des Hauptdecks will Airbus Küchenschränke und Toi­letten noch etwas platzsparender anordnen und so mehr Sitze unterbringen. „Zuerst wollten die Kunden in der A380 nur 400 Sitze und viel Luxus“, sagte der Chef aller Airbus-Flugzeugprogramme, Didier Evrard, über sein größtes Muster. „Jetzt wünschen die meisten Kunden über 550 oder sogar über 600 Sitze. Wir machen die Kabine effizienter und locken damit noch zusätzliche Kunden an.“ Airbus vermarktet die A380 offiziell bereits als „600+ Sitzer“, auf Wunsch mit elf statt bisher zehn Sitzen pro Reihe in der Economy Class. „Die A380 ist noch für 20, 30, 40 Jahre gut“, blickt Airbus-Strategievorstand Kiran Rao voraus. „Eines Tages bekommt sie noch neue Triebwerke, wenn der Platz auf den Flughäfen etwas knapper wird.“ Direkt vor der Tür stehe ein A380neo-Programmstart aber nicht, hieß es übereinstimmend bei Airbus. Man habe mit den Kunden darüber gesprochen. Diese wollten die mit einer solchen Modernisierung verbundenen Kosten derzeit nicht mittragen.

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Späte Auslieferung führt zu noch späterer Bezahlung

„Unsere Profitabilität hängt direkt mit den Auslieferungen zusammen“, erklärte Airbus-Vorstandschef Fabrice Brégier. „Die A320neo jetzt schnell auszuliefern hat die allerhöchste Priorität. Es ist unser Job, dass wir es hinkriegen. Die Kunden bestellen nicht, wenn wir erst im Jahr 2030 liefern können. Wegen der neo-Probleme fragen die Kunden sogar schon wieder nach der ceo.“ Die Zulieferer strengten sich zwar an, aber Airbus müsse sie künftig strenger beaufsichtigen und bei der Qualitätskontrolle besser werden, sagte Brégier. Wer nicht auf das heute erforderliche Niveau komme, werde ausscheiden, drohte er. Für dieses Jahr rechne Airbus mit der Auslieferung von rund 650 Flugzeugen und einem Auftragseingang in etwa gleicher Höhe. 

Den schwersten Stand im Flugzeugangebot hat bei Airbus derzeit die kleinste A350-Version, die A350-800. „Ihre Kunden sind zur billigeren A330neo oder der größeren A350-900 abgewandert. Diese Version ist weder für uns noch für die beiden verbliebenen Kunden nützlich.“ Deshalb denkt der Vorstandschef über eine nochmalige Rumpfstreckung der A350-1000 nach. „Die Frage lautet, wie viele Flugzeuge verkaufen wir damit zusätzlich, oder kannibalisieren wir uns damit am Ende nur?“ Unterdessen zieht sich durch das ganze Unternehmen das Thema Digitalisierung. Hamburger Airbus-Ingenieure führten ein rund vier Meter langes, flugfähiges Modell, das Projekt „Thor“, vor, das komplett im 3D-Drucker aus „Polyamid-Alumid“ entstanden ist.

Die zweimotorige Hochdeckerauslegung in der Größe eines Windkanalmodells aus dem Prototypenbau entspricht keinem realen Airbus-Projekt. Es geht hier zunächst einmal um die Erprobung neuartiger Rumpfstrukturen, die in moderner Fertigungstechnik entstehen. Durch das direkte Computerdruckverfahren verringert sich die Vorlaufzeit um 90 Prozent, und die Kosten sinken um 75 Prozent. Besonders hilfreich ist die Beschleunigung, wenn unterschiedliche Auslegungen schnell miteinander verglichen werden sollen und wenn Erkenntnisse aus den Windkanaltests sofort in eine neue Konfiguration umgesetzt werden. In diesem Jahr wird Thor bei 16 Flügen seine Festigkeit unter Beweis stellen.

Direkt aus dem Computer kommen in Hamburg künftig auch besonders komplizierte Heckflossenbemalungen. So kann man etwa chinesische Schriftzeichen oder Drachenfiguren ohne Kunstmaler stets in perfekter Qualität auf die Heckflosse plotten. Das dabei entstehende feine Drucklinienraster ist  erst bei einem Abstand unter einem Meter zu erkennen.

FLUG REVUE Ausgabe 08/2016

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