Tanken: Alles fließt!
Kraftstoffversorgung von Flugzeugen

Diese Situation hat jeder schon einmal beobachtet: Der Tankwart schließt den Schlauch an und der Sprit fließt – ja wohin eigentlich, und was passiert mit dem Kraftstoff im Innern des Flugzeugs? Wir werfen einen Blick in Tanks und Rohre.

Kraftstoffversorgung von Flugzeugen
Foto: Gazprom

Vor dem Flug ermittelt die Crew den Kraftstoffbedarf anhand der Flugstrecke, des zu erwartenden Wetters, der mitgeführten Passagiere und der Fracht. Diese Menge stellt der Tankwart ein, und schon sprudelt der Kraftstoff in den Tank – aber Moment: Jedes Flugzeug hat doch nur einen Tankstutzen unter einer Tragfläche, aber in einer Boeing 737 gibt es drei dieser Behälter, in einer A380 gar elf! 

Der Flügel einer A380 ist riesig und bietet Raum für insgesamt fünf großvolumige Tanks. © FR/Matthias Gründer

Das sind zwei Außen- und vier Verbrauchstanks, zwei mittlere und zwei innere in den Tragflächen sowie ein Trimmtank im Leitwerk. Diese so zu befüllen, dass das Flugzeug im Reiseflug immer gerade liegt, ist Aufgabe des Bordcomputers. Er sorgt dafür, dass alle Tanks über ein System aus Leitungen und Ventilen optimal befüllt werden.

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Der Bordcomputer regelt die Spritverteilung

Die Verbrauchs- oder auch Feed-Tanks liegen direkt bei den Triebwerken und werden aus allen anderen während des Fluges gespeist. Zusätzlich verfügen sie über jeweils eine Collector Cell mit jeweils 1000 kg Fassungsvermögen, die dafür sorgen, dass die Pumpen niemals trocken werden. Der Trimmtank im Heck schließlich kann für die Beeinflussung der Schwerpunktlage der Maschine genutzt werden. Alle diese Vorratsbehälter sind Teile der Flugzeugstruktur, was bedeutet, dass die Beplankung der Tragflächen gleichzeitig die Außenhülle der Tanks darstellt.

Tankdichtungen sind hoch beansprucht

Eine Boeing 737 beim D-Check. Das ist eine der seltenen Gelegenheiten, bei der alle Mannlöcher an der Unterseite der Tragfläche für Inspektionen geöffnet werden. © FR/Matthias Gründer

Jeder hat schon einmal beobachtet, dass bei Turbulenzen die Tragflächen ganz schön ins Schwingen kommen, was eine ziemliche Beanspruchung der Silikondichtungen im Inneren darstellt. „Natürlich kann es dadurch zu Leckagen kommen“, erläutert Christian Härter, Spezialist bei Lufthansa Technik in Frankfurt. „Stellt zum Beispiel der Kapitän beim Rundgang vor dem Flug so etwas fest, zählen wir die Tropfen, die pro Minute aus dem Tank fallen. Unterhalb eines gewissen Limits darf bis zur Reparatur noch geflogen werden, ansonsten wird die Maschine aus dem Verkehr gezogen.“

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Die Tanks einer 737 mit den entsprechenden Zuleitungen und Ventilen sowie der Schalttafel im Cockpit. © FR-Dokumentation

Solche Reparaturen sind nicht ganz einfach. Nach der Entleerung und Belüftung der Tanks werden die entsprechenden Mannlöcher an der Unterseite geöffnet. Stickstoff wird eingedrückt, und mittels sogenannter „Schnüffelnasen“, also Gasdetektoren, wird das Leck gesucht. Ein Mechaniker, der nicht zu groß sein darf und ziemlich schlank sein muss, kriecht schließlich ins Innere und dichtet das Leck ab.

Damit während des Verbrauchs beim Flug im Inneren der Kraftstoffbehälter kein Vakuum entsteht, wird über Ventile Luft zugeführt. „Mikroben finden das toll und vermehren sich in diesem Gemisch“, berichtet Stephan Dunkel, „doch wir kontrollieren diesen Zustand regelmäßig nach IATA-Empfehlungen.“ Also werden Biozide als zugelassene Sprit-Additive eingebracht, die von den Triebwerken rückstandsfrei mit verbrannt werden.

Stickstoff soll Entzündungen verhindern

Prinzipielle Darstellung der Tanks in einer A330. Richtig vollgetankt wird nie, damit Kraftstoff zur Trimmung hin und her gepumpt werden kann. © FR/Matthias Gründer

Kraftstoffdämpfe und zugeführte Luft bilden allerdings ein hochentzündliches Gemisch, und zur Vorsorge gegen entsprechende Probleme gibt es wiederum technische Einrichtungen. „Seit 2017 müssen in den USA alle neu zugelassenen Flugzeuge über Nitrogen Generating Systems verfügen“, sagt Manfred Paul, der Gruppenleiter. „Dabei wird aus der Zapfluft des Triebwerks Stickstoff separiert und in die Tanks gedrückt.“ Airbus reduziert bei der A320 den Sauerstoffanteil im Zentraltank mittels eines Fuel Tank Inerting Systems. Mehr ist aufgrund der unterschiedlichen Bauweisen bei Boeing und Airbus auch nicht nötig.

Kann es aber bei den Kraftstoffmengen in den großen Tanks nicht zur unerwünschten Wellenbildung kommen? „Vielleicht bei unruhigem Rollen am Boden“, lacht Manfred Paul, „aber da sorgen die Rippen in den Tragflächen als Schwallbremsen. Im Kurvenflug dagegen passiert gar nichts.“ Schließlich schwappt ja auch bei steilen Kurven der Orangensaft nicht aus den Trinkgefäßen der Passagiere.

Im Notfall wird der Schnellablass betätigt

Typische Darstellung der Kraftstoffanzeigen einer Boeing 737 für die Piloten. © FR-Dokumentation

In sämtlichen Tanks einer A380 können maximal 254760 kg Kraftstoff mitgeführt werden, doch ein Flugzeug fliegt nie voll betankt. Nur die vor dem Flug ermittelte Menge wird mitgeführt, plus einer Sicherheitsreserve. Immerhin könnte es am Zielflughafen Warteschleifen oder schlechtes Wetter mit der Notwendigkeit geben, einen Ausweichflughafen anzufliegen. Im äußersten Notfall aber, wenn ein Kapitän sich entschließt, wegen technischer Probleme nach dem Start zum Ausgangsflughafen zurückzufliegen, kann er bei der Eigenmasse des Flugzeuges plus Gewicht der Passagiere, der Fracht und des Kraftstoffs nicht sofort landen, denn dann würden die Fahrwerke „in die Knie gehen“.

In einem solchen Fall müssen die Tanks vorher über Notablässe weitgehend geleert werden, die ich an der Tragflügelhinterkante befinden. Eine A380 kann so 150 Tonnen Kerosin pro Stunde abdrücken. Schneller geht das nicht, weil der Kraftstoff in möglichst großer Höhe fein zerstäubt werden muss, damit die Umwelt möglichst wenig beeinträchtigt wird. Erst dann kann die Maschine zum Landeanflug ansetzen. Damit es aber gar nicht erst dazu kommt, wissen wir uns bei Manfred Paul und seinem Team in besten Händen.

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