Der Name Schott hat eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert gründeten Carl Zeiss, Ernst von Abbe und Otto Schott in Jena die inzwischen weltberühmten Glaswerke und feinmechanisch-optischen Werkstätten, und heute beschäftigt die Schott AG weltweit mehr als 15 000 Mitarbeiter in 35 Ländern. Am Stammsitz des Unternehmens in Mainz ist auch der Geschäftsbereich Lighting and Imaging angesiedelt, der, ausgehend von seinen Erfahrungen im Automobilbau, der Architektur oder der Medizintechnik, seit einigen Jahren auch ein Auge auf den Luftverkehrsmarkt geworfen hat.
Wie es dazu kam, weiß Klaus Portmanns zu berichten, der sich als Business Manager Aviation bestens mit der Verbindung von Licht und Glas auskennt: „In den 90er Jahren hatte British Airways als erste Fluggesellschaft die Idee, Leselampen an Sitzen der Business Class zu personalisieren, also das Licht nicht mehr nur aus der Kabinendecke abzustrahlen. Bei den ersten Entwürfen nutzte man noch Halogenlampen mit großer Wärmeabgabe und geringer Lebensdauer, verbaut in voluminösen Kisten. Den Transport des Lichts aber sollten bereits Glasfasern übernehmen – und da kamen wir ins Spiel.“
Aus einem Glasfaserstrang können die Experten mehrere Ausgänge auskoppeln und so verschiedene Beleuchtungsvarianten aus nur einer Quelle realisieren, was die ganze Sache sehr beliebt bei Designern macht. Die Lichtquelle wird irgendwo unter dem Sitz versteckt in-stalliert, und dann kann man das Licht per Glasfaser auch durch sehr dünne Strukturen hindurchführen, ohne elektrische Leitungen und frei von Wärmeentwicklung, ja sogar verschüttete Flüssigkeiten machen den Fasersträngen nichts aus.
„Im Bereich der Sitzbeleuchtung nehmen wir inzwischen einen führenden Platz unter den Anbietern ein“, sagt Klaus Portmanns, „und so war der nächste logische Schritt die Hinwendung zum Licht in der Kabine.“ Die meisten Passagierflugzeuge sind heute noch mit Leuchtstoffröhren ausgestattet, was man leicht an den typischen Farbunterschieden erkennt – je älter eine Röhre wird, desto mehr verschiebt sich ihr Farbwert in den roten Bereich. Zudem strahlt sie UV-Licht ab, das wiederum zur Verfärbung der Plastikabdeckungen führt. Jedoch sind Leuchtstoffröhren billig und können einfach ausgewechselt werden, so dass die Airlines die Farbtonunterschiede vom bläulichen Kaltweiß bis zum rötlichen Warmweiß häufig in Kauf nahmen.
Der Durchbruch auf dem Markt steht noch aus
Bei Neuflugzeugen setzt sich allerdings mehr und mehr die Ausrüstung mit LEDs durch, aber auch diese haben ihre Tücken: „Jede einzelne ist eine völlig unabhängige Lichtquelle, die zudem nicht stabil ist“, erklärt Portmanns. „Auch diese Quellen altern und ändern ihr Verhalten völlig unvorhersehbar. Manche verlieren nur die Intensität, das Altern verläuft selbst bei LEDs einer Produktionscharge völlig unterschiedlich, und andere ändern nur den Farbort, driften also langsam in Richtung Rot.“
Diese Tücken der Materialien und der Physik kann man einfach nicht ausschalten, und so sieht man bei der Kabinenbeleuchtung selbst relativ neuer Flugzeuge schon nach kurzer Zeit Abweichungen vom gewünschten Mittelwert. Dieses Abdriften nimmt man zur Not noch in Kauf, denn das kennt man ja von den Leuchtstoffröhren. Schwierig wird es allerdings bei den LEDs. Bislang werden hier immer vier Stück, je eine in den RGB-Farben und eine weiße, in Paketen zusammengefasst, die im Idealfall bei der Mischung die Farbe Weiß ergeben, doch schon nach nur einem halben Jahr sieht man deutliche Unterschiede, selbst in einem Dreamliner von Boeing.
„Eigentlich sollte das Licht sieben Jahre auf hohem Niveau halten“, so Portmanns, „denn das ist die übliche Zeit, nach der die Airlines eine neue Kabine einrüsten. In der Praxis ist die Sache aber viel zu kompliziert. So verteilen sich die LED-Pakete über die Länge der Kabine über den verschiedensten elektrischen Anlagen oder Kabeln, die während des Flugbetriebs unterschiedliche Temperaturen abstrahlen.“ Damit nennt er nur ein Beispiel für die vielen Einflüsse, welche die LEDs veranlassen, unterschiedliches Licht abzustrahlen.
So kamen die Glasexperten von Schott auf die Idee, statt vieler unzuverlässiger LED-Pakete Spezialglasstäbe mit besonderen optischen Eigenschaften zu verwenden, aber „nicht irgendein beliebiges, sondern optisches Glas. Stellen Sie sich vor, Sie müssten durch eine 50 Zentimeter dicke Glasscheibe blicken. Da würden Sie gar nichts sehen. Durch unsere Glasstäbe kann man aber verlustfrei Zeitung lesen!“ An jedem Ende wird das Licht von vier LEDs eingekoppelt, wobei man, weil es nie direkt eingeleitet werden kann, mit rund 30 Prozent Verlusten rechnen muss. Weil das Licht mittels ausgeklügelter Reflektoren in einem Winkel von 60 Grad abgestrahlt wird, kommt es zu einer Überdeckung an den Verbindungsstellen, so dass man, wenn die HelioJet-Anlage verkleidet ist, nicht mehr erkennt, wo ein Stab aufhört und der andere anfängt.
Die verwendeten LEDs altern aber auch und haben verschiedene Eigenschaften. Was nutzt also das schöne optische Glas? „Wir tricksen die LEDs aus“, sagt Klaus Portmanns, „denn an jedem Ende sitzt ein True-Color-Sensor, welcher das Licht vermisst und die einzelnen Farbanteile per Mikroprozessor errechnet. So kann man das Licht ständig nachregeln, und zwar auf der gesamten Kabinenlänge, so dass niemand etwaige Farbwertunterschiede erkennt.“ Das Ergebnis trägt nicht nur zum Wohlbefinden der Passagiere bei, sondern verstärkt auch das Sicherheitsempfinden.
Dank einer Kooperation mit Lufthansa Technik war es vergleichsweise leicht, das System unter realen Bedingungen zu testen. Seit mehr als anderthalb Jahren fliegt die A319 D-AILP, „Tübingen“, nun schon in das HelioJet-Licht getaucht, völlig wartungs- und problemfrei. Von Außenstehenden befürchtete Gewichtsprobleme ob der vielen Glasstäbe gab es nicht, „denn man muss sich ja nur einmal die vielen Transformatoren und Starter vorstellen, die zu jeder einzelnen Leuchtstoffröhre gehören.“
Inzwischen hat auch die SAS bereits einige Maschinen mit dem System ausgestattet, aber den Durchbruch auf dem Markt hat es noch nicht geschafft. Da sind zum einen die langfristigen Verträge, welche die Flugzeughersteller mit langjährigen Zulieferern haben, und zum anderen die Kurzsichtigkeit der Einkäufer. In deren Etat für die Ausstattung einer Passagierkabine ist der Posten für das Licht der kleinste. Dass er wenig später bei der Wartung zu enormer Größe anwachsen wird, sehen sie nicht oder es interessiert sie nicht. „Vielleicht sind wir mit unserem System einfach zehn Jahre zu früh gekommen“, lacht Portmanns, „aber wir haben eine ganze Menge Geduld.“
FLUG REVUE Ausgabe 07/2015