Design
BMW trifft Boeing: Automobile Formen in der Flugzeugkabine

Die Kabinen neuer Business Jets und die Innenräume von Luxusautos werden sich immer ähnlicher. Die Branchen profitieren von einander und am Ende auch die Kunden: Das Beste von allem für beide Seiten.

BMW trifft Boeing: Automobile Formen in der Flugzeugkabine

Der Saab 92001, das erste Automobil des schwedischen Konzerns, war in vielerlei Hinsicht ein außerordentlicher Entwurf: Vorderradantrieb, schalenförmige Monocoque-Konstruktion, hoher passiver Insassenschutz, verkleidete Räder. Insbesondere die strömungsgünstige Regentropfenform der Karosserie war sensationell.

Der Prototyp stellte Ende der 1940er Jahre seine Konkurrenzprodukte mit dem herausragenden CW-Wert von 0,23 in den Schatten. Die Form verriet unübersehbar die Handschrift von Flugzeugingenieuren, die genau wussten, wie wichtig geringer Luftwiderstand, hohe Stabilität und möglichst geringes Gewicht sind. Und tatsächlich war Saab zu jeder Zeit ein Flugzeughersteller, der dabei war, sich eine Automobilproduktion aufzubauen.

Leiter des Projektteams war Gunnar Ljungström, der Flugzeug-Chefingenieur. Das Serienauto wurde als Modell 92 bekannt. Die Nummern 90 und 91 waren noch an Flugzeuge vergeben worden.

Die Beziehungen zwischen Automobil- und Flugzeugbau sind traditionell eng – schon die Gesetze der Aerodynamik machen den Austausch von Ideen und Erkenntnissen unvermeidlich. Im Hinblick auf die Inneneinrichtung neigt die Automobilindustrie traditionell, insbesondere in den USA, zu einer Formorientierung, während die Flugzeughersteller eher funktional dachten. Die Grenzen verschwimmen mehr und mehr, die Flugzeugkabine des 21. Jahrhunderts übernimmt die fließende Ästhetik des gehobenen Automobildesigns.

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Designer aus dem Luxusautomobilbau

Die Designer haben mehrere Wohnebenen vorgesehen. © Foto/Copyright: BMW Group DesignworksUSA

Es erscheint daher nur logisch, dass sich im Luxusautomobilbau beheimatete Designer der Inneneinrichtung hochpreisiger Flugzeuge annehmen. Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit ist Brabus. Der deutsche Mercedes-Veredler hat dafür eigens ein neues Geschäftsmodell ins Leben gerufen, genannt Brabus Private Aviation.
Das Modell zielt darauf ab, anspruchsvollen Kunden zu individuellen Flugzeugen zu verhelfen – innen wie außen. Brabus hat auf der EBACE im vergangenen Jahr zwei Konzepte vorgestellt für Bombardiers Global Express. Die Auswahl gibt einen Hinweis auf die Zielgruppe, Brabus hat Business Jets wie die großen Bombardier-Modelle, die Falcon-Reihe und die Embraer-Langstrecken-Jets im Sinn. Diese dürfen fabrikneu oder gebraucht sein. Auch Hubschrauber hat Brabus im Blick. Dass die Ausstattung eines Flugzeugs eine komplexe Aufgabe ist, weiß man bei Brabus natürlich.

Der Tuningspezialist hat daher eine Arbeitsgemeinschaft gebildet mit RUAG in Oberpfaffenhofen, PrivatAir und dem renommierten Happy Design Studio. Letzteres ist für die Gestaltung der Lackierung zuständig. Es versteht sich, dass die Brabus-Kabine von dem Esprit der Kombination aus grauem und schwarzen Leder, Aluminium, Kontrastnähten und Kohlefaserelementen durchströmt wird – so, wie es die Kundschaft von dem Brabus V12 Coupé oder 700 Biturbo kennt.

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Unter dem Einfluss des Automobildesigns

Im Stil moderner Luxusautos: Kabinendetail der Embraer-Jets. © Foto/Copyright: Embraer

Ein Beispiel für ein Serienflugzeug, das von Beginn an unter dem Einfluss des Automobildesigns stand, ist der Learjet 85. Bombardier hat das britische Designstudio Design Q beauftragt, um der Kabine des Learjet 85 eine unverwechselbare Gestalt zu geben. Das Studio gibt es seit 1997. Seine Gründer, Howard Guy und Gary Doy, waren zuvor bei Jaguar. In ihrem Studio in der Nähe von Birmingham in der englischen Provinz sind aufsehenerregende Entwürfe entstanden unter anderem für Aston Martin, Ferrari und Maserati.

Die Nähe zu dem Design von Luxusautos hat dem großen Learjet nicht geschadet, im Gegenteil: die klare Formensprache mit ihren geschwungenen Linien und die Nüchternheit der Farbgebung heben sich wohltuend von der amerikanischen Schwülstigkeit ab, die in manchen Oberklasse-Reiseflugzeugen zu sehen ist. Und es gibt etwas, das selten ist in Business Jets: Ablagefächer unter den Sitzen für die persönlichen Gegenstände der Passagiere.

Ein weiteres Beispiel ist Embraer. Der brasilianische Hersteller hat sich herausragendes Design auf die Fahnen geschrieben und für die Kabinengestaltung BMW DesignworksUSA verpflichtet. Das Studio ist zwar nicht auf Autos spezialisiert, gehört aber zu den führenden Anbietern auf diesem Gebiet. Es besteht seit 1972 und hat seinen Hauptsitz in Kalifornien. 1995 wurde es von der BMW-Gruppe übernommen. Auch andere Flugzeughersteller wie Dassault und Pilatus haben sich von dem Designstudio Innenräume gestalten lassen.

Auch Autohersteller nehmen gerne Elemente aus dem Flugzeugbau

Der Lamborghini Navarra verrät die Handschrift Lockheed Martins. © Foto/Copyright: Adam Denning

Es sind nicht alleine die Flugzeuge, die von den Innovationen im Automobilbau profitieren, umgekehrt schmücken auch die Autohersteller ihre Modelle zunehmend gerne mit Elementen aus dem Flugzeugbau. Das Cockpit des Mercedes SLS AMG zum Beispiel mit seinem an einen Schubhebel erinnernden E-Select-Wahlhebel beruft sich ausdrücklich auf das Strahlflugzeug als Vorbild. Auf die Spitze treibt es die Studie für den Lamborghini Navarra, der nicht von ungefähr an den Stealth-Jäger F-35 erinnert: Das Auto wurde von einem Lockheed-Martin-Designer gezeichnet.

Aber während die Autodesigner vor allem Formen und technische Details aus dem Flugzeugbau übernehmen, so sind es die modernen Materialien und High-Tech-Oberflächen aus dem Automobilbau, die immer größeren Einfluss auf die Flugzeugkabinen ausüben.

Sehr deutlich wird die gegenseitige Beeinflussung bei dem Einsatz von Kohlefaser als Gestaltungselement. Der Flugzeugbau nutzt das Material seit langem aus strukturellen  Gründen, Automobildesigner dagegen setzen es als ästhetisches Element ein. Und in dieser Funktion hat es Einzug gehalten in die Kabinen der neuesten Business Jets.

Die Automobilindustrie wiederum kann etwas sehr Vorteilhaftes von der Luftfahrtindustrie lernen: wie man schöne Dinge leichter macht.

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