Boeing KC-46A Pegasus: teuer tanken

Erste Pegasus-Tanker bei der USAF
Boeing KC-46A: teuer tanken

Veröffentlicht am 13.04.2019
Boeing KC-46A: teuer tanken
Foto: Boeing

Seit der Übergabe der letzten KC-10A Extender im November 1988 hatte die US Air Force keinen neuen Tanker mehr in Empfang genommen, doch am 10. Januar war es soweit: Mit der Unterzeichnung der sogenannten DD250-Papiere übernahmen die US-Luftstreitkräfte bei Boeing in Everett ihre erste KC-46A Pegasus. Nach einer Verzögerung von fast drei Jahren gegenüber dem ursprünglichen Plan war die Erleichterung auf allen Seiten groß. Boeing-Chef Dennis Muilenburg sprach jedenfalls bei der offiziellen Auslieferungsfeier am 24. Januar davon, dass es ein „harter Weg“ bis zu diesem Meilenstein gewesen sei.

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Ein teuer erkaufter Sieg

Der Hersteller hätte sich die Schwierigkeiten wohl kaum träumen lassen, als er mit der Auftragserteilung im Februar 2011 die europäische Konkurrenz mit dem Airbus A330 MRTT endlich aus dem Feld geschlagen hatte – nach fast einem Jahrzehnt der Wettbewerbe und der Stornierung eines Auftrags an Airbus/Northrop Grumman. Die vermeintlich simple Umrüstung des Verkehrsflugzeug-Modells 767-200 auf ein militärisches Tankflugzeug hatte allerdings ihre Tücken, zum Beispiel hinsichtlich der Umkonstruktion der Verkabelung zwecksbesserer Ausfalltoleranz und mit Abschirmungen gegen die Auswirkung einer Atombombenexplosion.

Bis zuletzt gab es eine Reihe von sogenannten Category-1-Mängeln, die die Air Force vor der Auslieferung behoben haben wollte. Dazu zählte vor allem die Eigenheit des Sichtsystems für den Bediener des Tankauslegers, bei bestimmten Lichtverhältnissen irreführende Eindrücke zu vermitteln. Anders als die „Boomer“ in der KC-135 und der KC-10A, die im Heck sitzen oder liegen und direkten Sichtkontakt auf das zu betankende Flugzeug haben, befindet sich die mit großen Stereobildschirmen ausgerüstete Station für den Bediener in der KC-46A direkt hinter dem Cockpit.

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Betankung wird über Bildschirme koordiniert

Boeing und Lieferant Collins Aerospace versuchten, bei dem sieben Kameras umfassenden System mit einer abgestimmten Software die Vorgaben zu erfüllen, wobei der Bediener manuell bei unterschiedlichen Verhältnissen die Kontrastregelung anpasst. Dies hat die Air Force aber nicht akzeptiert und vielmehr eine Liste mit genau definierten Leistungsparametern aufgestellt, die sich wohl nur mit einer teuren Hardwarelösung erfüllen lassen. Wegen der Sichtproblematik war es zu ungewollten Kontakten des Auslegers mit Empfängerflugzeugen gekommen, was bei Stealth-Beschichtungen operationell schädlich und teuer sein kann.

Zahlreiche Probleme

Der neue Tankausleger mit Fly-by-Wire-Steuerung machte auch noch in anderer Hinsicht Schwierigkeiten. Er fühlt sich in bestimmten Situationen zu steif an und erfordert zum Beispiel einen Gegendruck von etwa 635 Kilogramm, um im Tankstutzen einzurasten. Leichtere Flugzeuge wie insbesondere die A-10 Thunderbolt II haben damit Schwierigkeiten, für sie müssten es eher 295 Kilogramm sein. Nun wird versucht, das Verhalten mithilfe geänderter Ventile zu beheben. Zuvor hatte Boeing die Eigenart des Auslegers, beim Abkoppeln ohne Kommando nochmals etwas auszufahren, mit einer Softwareänderung abgestellt. Doch nicht nur der Tankausleger zeigte einige Macken, auch die von Cobham gelieferten Schlauchsysteme bereiteten Probleme. Das Centerline Drogue System im Rumpfheck zum Beispiel reagierte zu sensibel auf Zug und koppelte zu oft vom Empfängerflugzeug ab. Dies wurde durch bessere Dämpfung und Softwareanpassungen eliminiert. Bei den Schlauchbehältern unter den Tragflächen liegt das Problem darin, die FAA-Zulassung zu erhalten. Dafür fehlten Cobham die notwendigen detaillierten Konstruktionsunterlagen; die muss man erst mühsam neu erstellen. Wann die Zertifizierung nun erfolgt, ist immer noch unklar.

KC-46 refuels A-10
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Abnahme trotz Mängeln

Es gibt also noch einige Aufgaben zu erledigen, was die Entwicklungskosten weiter in die Höhe treiben dürfte. Um den Auftrag sicher an Land zu ziehen, hatte Boeing für den Festpreisvertrag ein erstaunlich niedriges Angebot von 3,5 Milliarden Dollar (3 Mrd. Euro) angesetzt. Dazu kamen inzwischen noch etwa 3,6 Milliarden Dollar an Mehrkosten (vor Steuern), die Boeing als Abschreibungen in seinen Bilanzen verdauen musste. Allein 2018 waren es 736 Millionen Dollar. Cobham hatte laut einer Börsenmitteilung im Geschäftsjahr 2018 rund 40 Millionen Pfund (45 Mio. Euro) Mehrkosten zu verkraften.

Da die Air Force die KC-46A nun trotz Mängeln abnimmt, zahlt sie vorerst 28 Millionen Dollar des Kaufpreises pro Flugzeug nicht aus. Inzwischen sind 52 KC-46A fest bestellt, sodass sich Umsatzausfälle von an die 1,5 Milliarden Dollar (1,3 Mrd. Euro) ergeben könnten. Für Boeing ist allerdings wichtig, dass die zahlreichen bereits gebauten Tanker erst einmal vom Vorfeld wegkommen. Künftige Produktionslose – geplant ist die Beschaffung von 179 Flugzeugen bis 2027 – sollen dann bessere finanzielle Ergebnisse bringen, und langfristig gibt es natürlich einiges bei der Unterstützung der Flotte zu verdienen. Außerdem bleibt die Hoffnung auf Exportverkäufe. Hier hat sich der Airbus A330 MRTT allerdings inzwischen eine sehr gute Position erarbeitet. Nur Japan hat bisher die KC-46A bestellt (vorerst zwei Flugzeuge für knapp 450 Millionen Dollar (397 Mio. Euro) inklusive umfangreicher logistischer Unterstützung).

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Ende der KC-10-Ära ist eingeläutet

Wie sich die Geschäfte für Boeing entwickeln, kann der Air Force aber egal sein. Für sie geht es nun darum, die lange überfällige Einführung des neuen Tankers so rasch wie möglich abzuwickeln, um etwa 2024 ihre KC-10 außer Dienst stellen zu können. Nach den Feierlichkeiten in Everett wurden die ersten beiden KC-46A am 25. Januar zur McConnell Air Force Base in Kansas geflogen, gefolgt von zwei weiteren MaschinenTage später. Am 8. Februar trafen dann die ersten beiden Pegasus-Tanker auf der Altus Air Force Base in Oklahoma ein. Drei weitere sollten in den kommenden Wochen folgen.

Umschulungskurse sollen im Frühjahr starten

Die 56th Air Refueling Squadron (ARS) in Altus ist als Teil des 97th Air Mobility Wing für die Ausbildung der Piloten, der Boom-Operators und der Ladungsmeister der KC-46A zuständig. Dazu wurde die Infrastruktur auf der Basis angepasst. Unter anderem gibt es neue Simulatoren und einen kompletten Rumpf für das Beladetraining. Immerhin kann die Pegasus 58 Soldaten oder 18 Paletten mitnehmen (statt nur sechs in der KC-135). Zunächst gibt es in Altus eine Eingewöhnungsphase, bevor vielleicht im Frühjahr die ersten Umschulungskurse für die Crews starten.

Derweil bereitet sich die 344th ARS (Teil des 22nd Air Refueling Wing) in McConnell auf die anstehenden Truppenversuche vor. Diese können aber wohl nicht vor April/Mai beginnen, auch wenn Boeing zunächst eine hohe Lieferrate plant. Insgesamt könnten bis Ende des Jahres 36 Flugzeuge übergeben sein. Wann diese den spezifizierten Bauzustand erreichen werden, ist unklar. Der ursprünglich für August 2017 geplante Meilenstein von 18 Tankern und sechs Flügelbetankungsbehältern im Bestand der US Air Force dürfte jedenfalls nicht vor 2020 erreicht werden.