Kampfhubschrauber LCH
Indiens hoch fliegender Kämpfer - endlich im Dienst

Fast ein Vierteljahrhundert dauerte es, bis die indischen Streitkräfte ihren eignen, besonders für Einsätze im Hochgebirge geeigneten Kampfhubschrauber in Empfang nehmen konnten. Der "Prachand" wird bei Hindustan Aeronautics Limited in Bengaluru produziert.

Indiens hoch fliegender Kämpfer  - endlich im Dienst
Foto: Indian Defence Ministry

Verteidigungsminister Rajnath Singh ließ es sich nicht nehmen, nach der offiziellen Zeremonie zur Indienststellung des Light Combat Helicopter bei den indischen Luftstreitkräften am 3. Oktober 2022 einen Demonstrationsflug mit der neuerdings als "Prachand" (kämpferisch, erbittert) bezeichneten, knapp sechs Tonnen schweren Maschine zu machen. Das zeigt den Stellenwert des LCH, der für Indiens Luftfahrtindustrie das Topprodukt im Hubschrauberbereich darstellt und auch auf internationalen Märkten mithalten soll.

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Verteidigungsminister Singh flog bei der offiziellen Indienststellung für eine Vorführung im LCH mit.

Langwieriges Rüstungsprogramm

Wie bei indischen Rüstungsprogrammen üblich, zog sich die Entwicklung des LCH lange hin. Die ersten Überlegungen stammen aus dem Jahr 1999, als im sogenannten Kargil-Krieg – trotz des Siegs über Pakistan – offensichtlich wurde, dass die indischen Streitkräfte für Operationen in hoch gelegenen Gebieten (Kargil liegt 2.675 m hoch) keine geeigneten Kampfhubschrauber haben. Entsprechend begannen Konzeptstudien, die ab 2006 zur Entwicklung eines leichten Kampfhubschraubers bei HAL führten. Dabei entschied sich das Unternehmen, auf die dynamischen Komponenten und die Triebwerke des Mehrzweckmusters Dhruv (Erstflug August 1992, maximale Abflugmasse 5,8 Tonnen) zurückzugreifen, um die Kosten im Rahmen zu halten. Die Lieferungen waren bereits für 2010 vorgesehen.

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Der Erstflug eines Technologiedemonstrators sollte schon 2008 erfolgen, doch letztlich hob der TD-1 nach Bodentestläufen ab Anfang Februar erst am 29. März 2010 in Bengaluru zu seinem 20-minütigen Jungfernflug ab. Es wurden erste Checks im niedrigen Geschwindigkeitsbereich durchgeführt. Für das Rotary Wing Research & Design Centre von HAL begann damit eine längere Phase, in der man den Entwurf weiter verbesserte, vor allem hinsichtlich des Gewichts. Der TD-2 jedenfalls unterschied sich intern wohl deutlich vom TD-1 und erhielt auch bereits ein umfangreiches Waffensystem. Er hob am 28. Juni 2011 zum Erstflug ab.

Vier Versuchsmuster

Am 12. November 2014 folgte dann der weiter optimierte TD-3. Mit ihm wurden umfangreiche Tests durchgeführt, unter anderem Schussversuche. Auch Tests auf dem Flugplatz Leh in etwa 4100 Metern Höhe standen auf dem Plan, wobei sogar auf Außenplätzen in bis zu 4.815 Metern Höhe gelandet und gestartet wurde. Die Heißwetterversuche mit Temperaturen bis 42 Grad Celsius fanden im Sommer 2015 auf der Basis Jodhpur statt. Am 1. Dezember 2015 flog dann auch der TD-4.

Bis Mitte 2016 hatte der Light Combat Helicopter seine Versuche weitgehend abgeschlossen. Jedenfalls eröffnete der damalige Verteidigungsminister Arun Jaitley im August 2017 bei HAL in Bengaluru offiziell die Serienproduktion des Musters. Diese findet in einer eigenen Halle statt. Bis der erste LCH aus der Limited Series Production (LSP, Vorserie) aber fertig war, dauerte es jedoch aus nicht erklärten Gründen noch bis September 2020. Im November 2021 schließlich gab es eine Feier, bei der Premierminister Narendra Modi den ersten LCH an den Chief of Air Staff Air Chief Marshal VR Chaudhari übergab.

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Im November 2022 fand die Feier statt: Das indische Heer erhält ebenfalls LCH.

Bereits im Dienst

Sieben Hubschrauber der Vorserie sollen inzwischen gebaut worden sein, wobei die Arbeiten bei HAL wohl mit eigenen Mitteln noch vor der formalen Auftragserteilung durchgeführt wurden. Diese erfolgte nämlich erst am 30. März 2022, nachdem der Kabinettsausschuss für Sicherheit (CCS) unter dem Vorsitz des Premierministers die Beschaffung von 15 Vorserien-LCH für 3.887 Mio. Rupien genehmigt hatte. Darüber hinaus bewilligte der CCS auch Mittel für die Beschaffung der zugehörigen Infrastruktur in Höhe von 377 Mio. Rupien.

Das indische Heer, das zunächst fünf LCH erhalten soll, nahm seinen ersten Prachand am 29. September in Empfang. Es stellt auf der Missamari Air Base in Assam eine erste Staffel mit dem neuen Kampfhubschrauber auf, um die Grenze mit China in den Provinzen Ladakh und Himachal Pradesh zu überwachen. Eine offizielle Zeremonie war für Mitte November vorgesehen. Derweil haben, wie eingangs erwähnt, die indischen Luftstreitkräfte den LCH in Jodhpur im Westen des Landes beim 143. Hubschrauberverband formell in Dienst gestellt. Insgesamt gibt es Pläne für die Beschaffung von 97 LCHs für das Heer und 65 LCHs für die Luftstreitkräfte. Indien hat darüber hinaus auch 28 Boeing AH-64 Apache bestellt, davon 22 im Jahr 2015 zusammen mit Chinook-Transporthubschraubern.

Gegenüber dem 10,4 Tonnen schweren Apache ist der LCH, wie der Name schon sagt, ein Leichtgewicht mit einer maximalen Abflugmasse von 5,8 Tonnen (Airbus Helicopters Tiger 6,1 bis 6,8 Tonnen). Er ist aber ein vollwertiger Kampfhubschrauber mit schmalem, gepanzertem Rumpf und der Tandemanordnung der Cockpits für Pilot und Bordschützen sowie Hilfsflügeln mit vier Aufhängungspunkten für Waffen. Dazu zählen ungelenkte Raketen ebenso wie Luft-Luft-Lenkwaffen (Mistral) sowie die geplanten Dhruvastra-Panzerabwehrlenkwaffen. Im Bug ist zudem eine bewegliche 20-mm-Kanone M621 von Nexter installiert, die über ein Helmvisier gesteuert wird.

Der Prachand verfügt über eine umfangreiche Avionik, zu der auch ein elektronisches Selbstschutzsystem der Saab Group mit Radar-, Laser- und Lenk- waffenwarnsensoren gehört. Im dreh-baren Sensorbehälter sind eine CCD- Kamera, eine Wärmebildkamera (FLIR), ein Laser-Entfernungsmesser und ein Laser-Zielbeleuchter installiert (Elbit CoMPASS-System). Insofern kann der LCH ein breites Einsatzspektrum abdecken, wie Unterstützung der Bodentruppen, bewaffnete Aufklärung oder Unterstützung bei Such- und Rettungsmissionen. Vor allem aber ist der mit relativ starken Shakti-Triebwerken bestückte LCH in der Lage, auch in Höhen von bis zu 6500 Metern und damit im Himalaya an der Grenze zu China ohne Probleme zu operieren.

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Für den nötigen Antrieb sorgen zwei bei HAL gebaute Shakti-Triebwerke (Safran Ardiden).

HAL LCH Prachand

Besatzung: 2
Antrieb: 2 x HAL/Safran Shakti-1H1
Startleistung: 2 x 1032 kW
Rumpflänge: 15,8 m
Höhe: 4,70
Spannweite der Waffenträger: 4,60 m
Hauptrotordurchmesser: 13,2 m
Leermasse: 2250 kg
Außenlast: 1750 kg
max. Startmasse: 5800 kg
max. Geschwindigkeit: 268 km/h
Dienstgipfelhöhe: 6500 m
Steigrate: 12 m/s
Reichweite: ca. 550 km mit Waffen
Flugdauer: ca. 3 h 10 min
Bewaffnung: Eine schwenkbare 20-mm-Kanone Nexter M621 im Bug. Vier Außenlaststationen für alternativ 4 x 12 Raketen FZ275 4 x 2 Mistral Luft-Luft-Lenkwaffen 4 x 4 Shruvastra (geplant) 2 x Präzisionsbomben HSLD-250 (geplant)

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Erscheinungsdatum 05.09.2023